Controlling-Lexikon

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Decision Support System

1. Überblick

Im Gegensatz zu den Management-Informationssystemen der Sechzigerjahre orientieren sich Decision Support Systems (DSS), die im deutschsprachigen Raum auch als „Entscheidungsunterstützungssysteme“ bezeichnet werden, am Problemlösungsverhalten von Managern. Sie können durch folgende Merkmale charakterisiert werden:

  • Ein Entscheidungsträger wird unterstützt.

  • Die Unterstützung erfolgt im Allgemeinen für schlecht strukturierte Probleme.

  • Es werden Daten und Modelle handhabbar gemacht.

Damit steht nicht die Unterstützung des Managements mit zeit- und sachgerechter Information in Form von verdichteten und gefilterten Daten im Vordergrund des DSS, sondern der Wunsch des Managements nach Unterstützung beim Planen und Entscheiden. DSS unterstützen dementsprechend die Entscheidungsträger bei Entscheidungsproblemen, nehmen ihnen die Entscheidung als solche aber nicht ab. Da es sich bei den Anwendern in der Regel um Manager handelt, bei denen ein tiefes Verständnis bzw. eine große Erfahrung mit Informationstechnologien nicht unterstellt werden kann, müssen DSS leicht erlernbar und bedienbar sein.

Schlecht strukturierte Probleme liegen dann vor, wenn ein oder zwei Phasen des Entscheidungsprozesses unstrukturiert sind, das heißt, wenn sie sich hinsichtlich standardisierter Vorgehensweisen, Zielen sowie Input- und Outputgrößen nicht genau spezifizieren lassen. Anwendung finden DSS im betriebswirtschaftlichen Bereich vor allem bei folgenden Aufgabengebieten:

– Portfolio-Management

Zum Beispiel zur Bewertung und Risikoabschätzung von Umstrukturierungen in Wertpapierportefeuilles

– Strategische Planung

Zum Beispiel für die Entscheidungsvorbereitung über die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben

– Finanzplanung

Zum Beispiel zur kurz- und mittelfristigen Finanz- und Liquiditätsplanung

– Produktionsplanung

Zum Beispiel für Wirtschaftlichkeitsanalysen von Produktionsaufträgen bzw. Produktionsprogrammen

– Marketing

Zum Beispiel zur Aufteilung von Werbeetats auf die einzelnen Komponenten des Marketing-Mix

2. Komponenten eines Decision Support Systems

Die Vielzahl von Anwendungen macht es schwierig, allgemeine Aussagen über die Architektur von DSS zu machen. Üblicherweise werden aber die folgenden drei Subsysteme unterschieden:

  • Dialogmanagement

  • Datenbankmanagement

  • Modell- und Methodenbankmanagement

Die Kommunikation zwischen Anwender und System sowie die Ablaufsteuerung und Koordination der einzelnen Komponenten wird von der Dialogkomponente übernommen. Das Methodenbankmanagement unterstützt die Definition und Manipulation von problembezogenen Modellen, die das Kernstück eines DSS darstellen. Vom Datenbankmanagement werden unabhängig von Modellen und Methoden die Problemdaten verwaltet.

Da zur Aufbereitung der Ergebnisse von aktuellen Planungsrechnungen eine Reportbasis erforderlich ist, die vorformulierte Berichte in Text- und Grafikform enthält, kann die folgende Darstellung als Referenzmodell eines DSS dienen:

2.1 Dialogmanagement

Das Dialogmanagement übernimmt die Steuerung der Kommunikation zwischen den Benutzern und den Teilkomponenten des DSS. Das Dialogmanagement ist erforderlich, weil es den einzelnen Anwender in der Regel nur interessiert, wie das System zu benutzen ist, welche Optionen zur Verfügung stehen und welche Möglichkeiten es gibt, die Ergebnisse zu präsentieren. Durch die Dialogkomponente bleiben dem Benutzer die hinter dem System steckenden Datenstrukturen und Algorithmen verborgen. Bei diesem – auch als Blackbox bezeichneten – Prinzip ist also nur erkennbar, was eine einzelne Komponente leistet, nicht hingegen, wie sie intern arbeitet.

Die spezielle Gestalt von DSS bringt es mit sich, dass sich das Dialogmanagement in besonderem Maße auf einen häufigen Wechsel von strukturierten Modellrechnungen und interaktiven Bewertungs- und Auswahlaktionen einstellen muss. Der Anwender wird daher im Allgemeinen durch kontextsensitive Hilfefunktionen und Menütechniken an den Umgang mit dem System herangeführt. Die gewünschte Flexibilität beim Einsatz von DSS kann dabei nur erreicht werden, wenn auf starre hierarchische Prozesssteuerungen zu Gunsten einer freien Kombination verfügbarer logischer Bausteine verzichtet wird. Das bedeutet aber auch, dass freie Dialoge – ähnlich wie bei der Transaktionsverarbeitung – dokumentiert, kontrolliert und gesichert werden müssen.

Zur konkreten Gestaltung von Dialogkomponenten können drei mögliche Formen unterschieden werden:

  • Der Frage-Antwort-Dialog ist durch eine natürlichsprachliche Interaktion von der Problemformulierung bis zur Problemlösung gekennzeichnet. Der Aktionsspielraum ist jedoch naturgemäß stark eingegrenzt, sodass dieses Verfahren vorwiegend für Diagnosesysteme eingesetzt wird. Der Frage-Antwort-Dialog ist besonders für gelegentliche und ungeübte Anwender interessant.

  • Bei den so genannten Befehlssprachen wird mit Schlüsselbegriffen gearbeitet, die Funktionen, Unterprogramme oder Makros aufrufen und steuern. Diese Verarbeitungsform ist wesentlich effizienter als der Frage-Antwort-Dialog, bedeutet für den Anwender jedoch eine intensivere Einarbeitung und erfordert eine gewisse Disziplin beim Umgang mit dem System. Zum Einsatz kommen meist Sprachen der vierten oder fünften Generation.

  • Die Menüsteuerung, die wesentlich einfacher als die Befehlssprachen zu handhaben ist, bezieht sich nur auf standardisierte, wiederkehrende Entscheidungssituationen. Für selten eingesetzte und stärker strukturierte Anwendungen bietet diese Dialogführung zwar eine Alternative, lässt im Gegensatz zur Befehlssprache aber an Flexibilität zu wünschen übrig.

2.2 Modellbankmanagement

Allgemein formuliert, stellen Modelle vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit dar, die durch isolierende Abstraktion gewonnen werden und im engeren Sinne als Realmodelle bezeichnet werden. Hiervon werden die Ideal- bzw. Formalmodelle abgegrenzt, die Abbildungen von nicht realitätsgebundenen Systemen darstellen. Für Entscheidungsunterstützungssysteme können ohne Einschränkung Realmodelle betrachtet werden. Dabei werden drei Kategorien unterschieden:

  • Terminologisch-deskriptive Modelle legen Objekte und Beziehungen mit ihren Attributen fest.

  • Empirisch-induktive Modelle definieren Variablen und leiten empirische Funktionen ab.

  • Analytisch-deduktive Modelle können aus Verhaltensgleichungen und/oder theoretischen Hypothesen Erklärungsmodelle mit Kausalfunktionen darstellen. Durch Zielfunktionen und Nebenbedingungen dienen sie als Entscheidungsmodelle

Als tatsächlich den Entscheidungsprozess unterstützende Modelle werden nur die analytisch-deduktiven Modelle aufgefasst, von denen speziell die Entscheidungsmodelle des Operations Research intensiv behandelt und operationalisiert wurden. Hierbei können

  • deterministische und stochastische,

  • statische und dynamische,

  • lineare und nichtlineare,

  • ein- und mehrkriterielle,

  • scharfe und unscharfe (fuzzy) sowie

  • optimierende und satisfizierende

Modellbildungen unterschieden werden. Ein erheblicher Vorrat an mathematischen und statistischen Verfahren dient der Behandlung von verschiedenen im Modell erhobenen Fragestellungen: Zu den bekanntesten Lösungsverfahren gehören zum Beispiel das Simplex-Verfahren in der Linearen Optimierung oder die Anwendung von Markovprozessen (Begriff aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung) in der Warteschlangentheorie. Diesen und ähnlichen Verfahren steht die Simulation gegenüber, die zwar ohne Gewähr für Optimalität, aber mit hoher Flexibilität stochastische, dynamische Systeme abbilden kann.

2.3 Methodenbankmanagement

Thema des Methodenbankmanagements ist die Zuordnung und Zurverfügungstellung passender Methoden zur Ermittlung von Zielgrößen. Unter Methoden werden in diesem Zusammenhang systematische Vorgänge verstanden, die in objektiver Weise zur Lösung von Aufgaben eine endliche, geordnete Anzahl von Vorschriften und Regeln festlegen. Je nach Güte des DSSs reicht der Vorrat an Methoden von einfachen deskriptiven Statistikverfahren über anspruchsvolle finanzmathematische Berechnungen, Regressionsanalysen, Korrelationsanalysen und Zeitreihenanalysen bis hin zu den linearen und nichtlinearen Optimierungsverfahren (Lineare Optimierung) und Simulationsverfahren.

Hauptaufgabe des Methodenbankmanagements ist die Verwaltung von Algorithmen, heuristischen Verfahren, Prognoseverfahren, Matrizenoperatoren und grafentheoretischen Verfahren. Darüber hinaus sollte das Methodenbankmanagement auch Erklärungshilfen zum Einsatz der Methoden liefern und Hinweise zu deren Aufbau und Leistungsmerkmalen geben.

2.4 Datenbankmanagement

Innerhalb des DSSs werden die Problemdaten und Programme getrennt verwaltet. Das Datenbankmanagement überwacht die Erstellung, Modifizierung, Selektion und Sicherung der Daten. Als isoliertes System muss ein DSS Datendefinitions- und Datenmanipulationssprachen besitzen. Neben der bekannten relationalen Form haben Planungsdaten häufig auch das Erscheinungsbild von mehrdimensionalen Tabellen. Hinzu kommen Daten aus externen Datenbeständen, persönlichen Datenbeständen von Führungskräften und allgemeine Planungsdaten. Zum Umfeld des Datenbankmanagements gehören auch Integritätsregeln und Datenschutzmaßnahmen.

2.5 Reportbasismanagement

Reportgeneratoren werden als Bestandteil von DSS zur Aufbereitung von Entscheidungsunterlagen in Form von tabellarischen Gegenüberstellungen oder grafischen Präsentationen eingesetzt. Da heutzutage im Allgemeinen Personalcomputer oder Workstations mit multimedialen Fähigkeiten als DSS-Front-End im Einsatz sind, sind Reportgeneratoren relativ einfach und komfortabel zu bedienen.

3. Architektur von DSS

Ähnlich der historischen Entwicklung einfacher Datenmanipulationen und Variablendeklarationen mit Verknüpfungstechniken haben sich auch die Technologieebenen von DSS entwickelt. Man unterscheidet zwischen DSS-Tools, DSS-Generatoren und spezifischen DSS.

3.1 Tools und Werkzeuge von DSS

Tools und Werkzeuge stehen auf der untersten Ebene der DSS-entwicklung. Hierzu gehören beispielsweise

  • höhere Programmiersprachen wie Fortran, Cobol, C, Pascal usw.,

  • spezielle problemorientierte Sprachen wie Simula oder GPSS und

  • mathematische Sprachen wie APL, GPSS oder GAUSS.

Darüber hinaus gehören auch andere Grundfunktionen wie Grafikbeschreibungssprachen oder Kommunikationsmodule in den Werkzeugkasten von DSS.

3.2 Generatoren von DSS

DSS-Generatoren können als problemspezifische Werkzeugkästen angesehen werden, die es dem Benutzer gestatten, auf einfache Weise einsatzfähige Unterstützungssoftware zu erstellen. Hierzu haben sich zwei Klassen von Generatoren herausgebildet:

  • Die Planungssprachen sind die älteren und mächtigeren DSS-Generatoren, die sich durch einen hohen Vorrat an betriebswirtschaftlich verwendbaren Methoden und sehr gute Modellierungseigenschaften auszeichnen.

    Planungssprachen können als endbenutzerorientierte Programmiersprachen mit einem mächtigen Befehlsvorrat interpretiert werden. Um die interaktive Modellrechnung mit beliebigen Änderungen an Daten, Variablen und Beziehungen zu gestatten, sind sie interpretativ ausgelegt. Variablendefinitionen und logische Strukturen werden mit einem Editor deklariert.

  • Die zweite Klasse der DSS-Generatoren wird durch die bekannten Tabellenkalkulationsprogramme repräsentiert, die sich durch ihre verhältnismäßig einfache Konzeption und einfache Bedienung auszeichnen.

    Grundidee von Tabellenkalkulationen ist die Bearbeitung eines elektronischen Blattes, das in Zeilen und Spalten gegliedert ist und in jeder Zelle Zahlenwerte, (Rechen-)Funktionen, Texte und Formatierungen aufnehmen kann. Durch die Vielzahl von mathematischen Funktionen, Datenmanipulationsmöglichkeiten, Grafikdarstellungen sowie Kommunikations- und Textverarbeitungsmöglichkeiten haben sich Tabellenkalkulationsprogramme im Laufe der Zeit zu integrierten Paketen weiterentwickelt und verdrängen in zunehmendem Maße die Planungssprachen.

    Als Nachteil der Tabellenkalkulationsprogramme im Vergleich zu den Planungssprachen wird vor allem die fehlende Trennung von Daten und Logik sowie die „versteckte“ Programmierung angesehen. Tabellenkalkulationsprogramme sind daher besonders für den Ad-hoc-Gebrauch geeignet und werden nur selten für sehr komplexe Strukturen mit extrem hohen Datenvolumen eingesetzt.

3.3 Spezifische DSS

Bei spezifischen DSS handelt es sich um Anwendungssysteme, die den Entscheidungsträger in speziellen Aufgabenbereichen unterstützen. Um die spezifischen Problemstellungen anwendergerecht zu bearbeiten, bauen sie auf den DSS-Werkzeugen und DSS-Generatoren auf. Im Vordergrund steht aber die Orientierung am Problem.

Spezifische DSS bieten modellgestützte Analysen der für den Problemfall generierten Lösungsalternativen und helfen so bei der Bewertung und Abwägung von Handlungsalternativen. Neben den Ersten Anwendungen im Bereich der Finanz- und Investitionsplanung findet man weitere Klassen von spezifischen DSS beispielsweise im Fertigungsbereich. Dort kommen Simulationspakete, Netzalgorithmen und verdeckte Optimierungskerne zum Einsatz. Im Absatzbereich kommen vor allem statistisch-prognostische Modelle mit Datenanalysen zum Einsatz. Für die Unternehmensplanung wird versucht, das Unternehmen in seinen Leistungsprozessen und Abrechnungszyklen so weit zu aggregieren, dass es einerseits modelltechnisch abgebildet werden kann, andererseits aber nicht realitätsfremd und planungsirrelevant wird.

4. Entwicklungsprozess von DSS

Für die Entwicklung von DSS ist das übliche Verfahren der Live-Cycle-Modelle mit den Phasen

  • Problemanalyse,

  • Anforderungsdefinition,

  • System- und Komponentenentwurf,

  • Implementierung,

  • Abnahme,

  • Einführung und

  • Pflege

kaum geeignet, da als Erfolgsfaktoren eher eine schnelle Implementierung und Problemlösung anzusehen sind. Als Entwicklungsmethodik kommt daher nur ein partizipatives Verfahren mit Rückkopplungen in Frage, bei dem kurze Rückkopplungszyklen und die schnelle Entwicklung von funktionsfähigen Modulen einen rechtzeitigen Unterstützungsgrad sicherstellen sollen.

5. Kritische Würdigung

Ähnlich wie die Management-Informationssysteme können auch die DSS keine unternehmensüberspannenden Modelle zur Simultanplanung anbieten. Die „DSS-Landschaft“ ist geprägt durch eine Spezialisierung auf Sonderprobleme. Den Top-Manager am Bildschirm gibt es nach wie vor nur in Ausnahmefällen, sodass DSS vorwiegend in Stabsstellen und Fachabteilungen mit abgegrenzten Problemlösungsstrategien genutzt werden.

Eine breitere Anwendungsbasis verspricht man sich durch neuere Entwicklungen wie beispielsweise wissensbasierte bzw. Expertensysteme. Auch das Data-Warehouse-Konzept, die so genannten Knowledge Based DSS (KBDSS) und das Data Mining stellen innovative Ansätze zur Entscheidungsunterstützung dar, die auch vom Top-Management genutzt werden können.

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