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Supply Chain Management

1. Überblick

In den letzten Jahren hat sich der Begriff „Supply Chain Management“ zu einem betriebswirtschaftlichen Modewort entwickelt. Trotz zahlreicher Publikationen wird jedoch vielfach nicht deutlich, was das originär Neue am Supply Chain Management ist, denn sowohl national als auch international hat sich bisher kein einheitliches Verständnis des Begriffs herausgebildet. Dies lässt sich vor allem dadurch erklären, dass es sich beim Supply Chain Management um kein in der betriebswirtschaftlichen Theorie entwickeltes Konzept, sondern um einen in der Unternehmenspraxis entstandenen Ansatz einer stärkeren unternehmensübergreifenden Integration handelt, der zu Effizienzsteigerungen in der gesamten Wertschöpfungskette führen soll.

Seinen Ursprung hat Supply Chain Management (SCM) in den USA. Dort prägten Anfang der 80er Jahre amerikanische Consulting Gesellschaften den Begriff. Die Theorie befasste sich erstmals in den frühen 90er Jahren mit der Thematik – wiederum zunächst in den Vereinigten Staaten. In Deutschland etablierte sich das Supply Chain Management Mitte der 90er Jahre.

Basierend auf der Wertschöpfungskette (Value Chain) von Michael E. Porter wird im Supply Chain Management der Gedanke einer Integration von Unternehmensaktivitäten aufgegriffen. Während die einzelnen Bereiche bislang weitgehend losgelöst voneinander standen, sollen per SCM die Verbesserungspotenziale an den unternehmensinternen und -externen Schnittstellen aufgedeckt werden (Efficient Consumer Response). Dabei bezieht sich das Supply Chain Management zum einen auf die Aktivitäten einer Unternehmung selbst (unternehmungsinterne Supply Chain). Zum anderen beinhaltet es die Anbindung der Unternehmung an die Umwelt, wobei inputseitig die Lieferanten und outputseitig die Kunden wesentliche Schnittstellen sind (unternehmensintegrierte Supply Chain).

Über die Integrationsobjekte des Supply Chain Managements bestehen unterschiedliche Auffassungen. Bei dem geringst möglichen Umfang umfasst Supply Chain Management lediglich den Material- und Güterfluss sowie einen entgegenlaufenden Informationsfluss. Supply Chain Management kann jedoch auf der anderen Seite auch wesentlich umfassender und allgemeiner aufgefasst werden, so dass potenziell alle Wertschöpfungsprozesse für eine unternehmensübergreifende Integration in Frage kommen. Beispielsweise führt das Global Supply Chain Forum in diesem Zusammenhang sieben relevante Wertschöpfungsprozesse an:

  • Customer Relationship Management (Identifikation von Kundengruppen, Entwicklung von Programmen und Maßnahmen mit den wichtigsten Kunden)

  • Customer Service Management (Versorgung des Kunden mit Informationen zum Produktions- und Distributionsstatus)

  • Demand Management (Abstimmung des Material- und Produktflusses auf den Kundenbedarf)

  • Order Fulfillment (Bearbeitung von Kundenaufträgen)

  • Manufacturing Flow Management (Produktionsprozessgestaltung gemäß den Kundenwünschen)

  • Procurement (Beziehung zu Hauptlieferanten)

  • Product Development and Commercialization (Produktentwicklung gemeinsam mit Lieferanten und Hauptkunden)

Unterschiedliche Auffassungen bestehen ferner in Hinblick auf die Ausrichtung des Supply Chain Managements. Hierunter versteht man sowohl die Richtung als auch die Tiefe der Integration in der Wertschöpfungskette. Mögliche Integrationsrichtungen können die Beschaffungs- (upstream) und die Versorgungsseite (downstream) eines Unternehmens sein. Mittlerweile besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Richtung beim Supply Chain Management sowohl upstream als auch downstream sein muss.

Mit Tiefe der Integration bezeichnet man die Anzahl der in die Integrationsbestrebungen einbezogenen vor- beziehungsweise nachgelagerten Wertschöpfungsstufen eines Unternehmens. In der betrieblichen Praxis wird häufig nur ein Teil der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet. Demgegenüber reicht Supply Chain Management in der Idealvorstellung von der Gewinnung des Rohmaterials bis zum letztendlichen Konsum.

2. Abgrenzung zu verwandten Konzepten

Die Übergänge des Supply Chain Managements zu verwandten Konzepten verlaufen fließend. Die Aktivitäten und betrachteten Objekte zwischen den Bereichen überschneiden sich insbesondere mit denen des Einkaufs, der Beschaffung, der Materialwirtschaft und der Logistik, die sich alle mehr oder weniger mit der Bereitstellung von Waren beschäftigen:

  • Einkauf: Der Einkauf zeichnet sich durch operative, abwickelnde Tätigkeiten aus und befasst sich beispielsweise mit Anfragen, Bestellungen, Angebotsvergleichen, Lieferantenauswahl und Preisverhandlungen.

  • Beschaffung: Die Beschaffung ist im Vergleich zum Einkauf umfassender und beinhaltet auch strategische Aspekte. Allgemein bezieht sich die Beschaffung auf die Gewährleistung der Beschaffungsmarktsituation und der Versorgungssicherheit einer Unternehmung.

  • Materialwirtschaft: Die Materialwirtschaft beinhaltet den wirtschaftlichen Umgang mit Waren und ist damit wiederum weiter gefasst als die Beschaffung. Sie beschäftigt sich zum Beispiel mit der Lagerbewirtschaftung, dem innerbetrieblichen Transport und der Materialbereitstellung in der Fertigung. Die gleichen Tätigkeiten werden auch im Supply Chain Management wahrgenommen. Dennoch ist Supply Chain Management umfangreicher, weil es die unternehmungsinterne Kette über alle Bereiche, vom Wareneingang bis zum Versand, abdeckt und zusätzlich die externen Schnittstellen sowie die Geld- und Informationsflüsse berücksichtigt.

  • Logistik: Die Logistik beschäftigt sich mit dem physischen Warenfluss (Verfügbarkeit) innerhalb der Unternehmung sowie zwischen der Unternehmung und seiner Umwelt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Funktionen der Raum- und Zeitüberbrückung.

3. Ziele von Supply Chain Management in der Praxis

Die Entwicklung des Supply Chain Managements in der Unternehmenspraxis beruht primär auf der Erkenntnis, dass sich wesentliche Effizienzsteigerungspotenziale realisieren lassen, wenn die Wertschöpfungskette in ihrer Gesamtheit optimiert werden kann. Folgende Zielsetzungen stehen hierbei im Vordergrund:

  • Realisierung von Kostenvorteilen

    Mit Supply Chain Management lassen sich Kostenvorteile insbesondere durch Reduzierung von Bestandskosten realisieren. Unsicherheiten in Bezug auf Nachfragemenge, Lieferzeiten oder Produktqualität führen in der Regel zum Aufbau von Beständen, so dass in der gesamten Wertschöpfungskette wesentlich höhere Bestände als notwendig gehalten werden.

    Supply Chain Management dient dazu, die bestehende Unsicherheit durch den Austausch von Informationen (Informationen, Informationsbedarf) zu reduzieren und die Bestandsmengen so zu bestimmen, dass eine Gesamtoptimierung über die Supply Chain erzielt werden kann. Durch Integration der an der Supply Chain beteiligten Unternehmen lassen sich darüber hinaus Skalen- und Verbundeffekte in Beschaffung, Fertigung und Distribution erzielen.

  • Realisierung von Zeitvorteilen

    Supply Chain Management unterstützt die Erreichung von Zeitzielen. Dies betrifft zum Beispiel die Verkürzung der Entwicklungszeiten von Neuprodukten durch eine frühzeitige Einbindung der Lieferanten in den Entwicklungsprozess (Simultaneous Engineering) und die Verkürzung der Auftrags- und Durchlaufzeiten durch enge logistische Anbindung von Lieferanten.

  • Realisierung von Qualitätsvorteilen

    In einer Supply Chain lässt sich auch die Qualität der Produkte durch enge Zusammenarbeit der Partner verbessern (Qualitätscontrolling). Während in der klassischen Marktbeziehung auf Grund von Informationsasymmetrien nur der Lieferant die Qualität seiner Produkte kennt, wird die Qualitätssicherung in Supply Chain-Beziehungen zum gemeinschaftlichen Ziel der beteiligten Unternehmen. Durch den Aufbau von Vertrauen wird gleichzeitig eine kooperative Beziehungsatmosphäre geschaffen.

4. Komponenten des Supply Chain Management

Der Aufbau und das Management der Supply Chain wird maßgeblich durch die jeweils integrierten Wertschöpfungsprozesse bestimmt. Im Vordergrund stehen hierbei die Managementkomponenten Planung (Bottom-up-Planung bzw. Top-down-Planung) und Kontrolle, Arbeits-/Prozessstruktur, Bestandsmanagement und Informationsstruktur:

  • Planung und Kontrolle

    Bei traditionellen Marktbeziehungen verläuft die Planung in der Regel kurzfristig und transaktionsbasiert. Demgegenüber ist für das Management von Supply Chains eine gemeinsame und langfristige Planung vieler Glieder der Wertschöpfungskette kennzeichnend, denn der Erfolg einer Supply Chain hängt maßgeblich vom Ausmaß der gemeinsam durchgeführten Planung ab.

    Auch wenn sich die Bedeutung der anderen Komponenten im Lebenszyklus der Supply Chain stark verändern kann, bleibt die Planung während der gesamten Lebenszeit der Supply Chain von erheblicher Bedeutung. Unter Kontrolle wird in diesem Zusammenhang die Messung des Erfolgs von Supply Chains (performance measurement) verstanden.

  • Arbeits-/Prozessstruktur

    Mit Arbeits-/Prozessstruktur wird die Art und Weise bezeichnet, mit der ein Unternehmen beziehungsweise eine Supply Chain ihre Aufgaben erfüllt. Geringe Durchlaufzeiten und ein hohes Maß an Flexibilität wird in der Regel durch eine teambasierte Arbeitsstruktur gewährleistet. Das Business Process Redesign (BPR) wird häufig als Instrument zur Gestaltung der Arbeits-/Prozessstruktur in Supply Chains eingesetzt.

  • Bestandsmanagement

    Bei traditionellen Geschäftsbeziehungen bauen die in die Wertschöpfungskette einbezogenen Unternehmen in der Regel jeweils unabhängig voneinander Lagerbestände auf. Demgegenüber wird beim Supply Chain Management die Kapitalbindung durch Lagerbestände reduziert, indem Material- und Warenflüsse auf den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette aufeinander abgestimmt (zum Beispiel durch Just-in-time-Belieferungen) und notwendige Lagerbestände auf möglichst frühen Stufen der Wertschöpfungskette platziert werden.

  • Informationssystem

    Im Rahmen der Integration von Informationssystemen geht es vor allem um die Festlegung, in welcher Art und in welcher Häufigkeit Informationen an andere Unternehmen in der Supply Chain weitergegeben werden sollen (Informationsbedarf). In den Informationsaustausch eingebunden sind in der Regel Umsatzzahlen, Produktionsprogrammpläne und Planungen, die neue Technologien und die langfristige Unternehmensentwicklung betreffen. Ein solcher Informationsaustausch bedingt natürlich Offenheit und gegenseitiges Vertrauen.

  • Produktstruktur

    Bei der Neu- und Weiterentwicklung von Produkten (Produktplanung) ist zu entscheiden, inwieweit andere Unternehmen bei diesem Entwicklungsprozess eingebunden werden sollen. Eine umfassende Einbindung bringt einerseits die Möglichkeit, die Ressourcen anderer Unternehmen für das eigene Unternehmen zu nutzen, birgt aber andererseits auch die Gefahr, dass originäres Wissen weitergegeben wird.

  • Führungsstruktur

    In den meisten Supply Chains bestimmen ein oder zwei dominante Unternehmen maßgeblich den Aufbau und das Management der Supply Chains. Die Art, wie diese (Macht)Stellung genutzt wird, hat nachhaltigen Einfluss auf die Gestalt und Funktionsfähigkeit der Supply Chains. Zwar kann ein gewisses Maß an Machtausübung die Entwicklung und Durchsetzung der Gesamtstrategie der Supply Chain durchaus fördern, eine erzwungene Koordination führt jedoch häufig zu Ausstiegsbestrebungen anderer Unternehmen.

  • Unternehmenskultur

    Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Koordination zwischen den einzelnen Unternehmen der Supply Chain ist eine weitgehende Übereinstimmung der Unternehmenskulturen. Eine gewisse Annäherung von individuellen und organisationalen Verhaltensweisen ist für eine unternehmensübergreifende Integration in einem gewissen Ausmaß erforderlich, erweist sich in der Praxis aber als sehr zeitaufwendig und ist nur schwer zu realisieren.

5. Erklärungsansätze für das Entstehen von Supply Chains

Für die Erklärung des Entstehens von interorganisationalen Beziehungen werden insbesondere zwei theoretische Ansätze – die Transaktionskosten-Theorie sowie der Ressourcenbasierte Ansatz – herangezogen. Da es sich bei einer Supply Chain um eine Kooperation verschiedener Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette handelt, spielen diese Ansätze auch im Zusammenhang mit der Evolution von Supply Chains eine große Rolle.

  • Mit dem Transaktionskostenansatz werden unterschiedliche institutionelle Regelungen zur Koordination ökonomischer Aktivitäten erklärt. Analyseeinheit sind hierbei einzelne Transaktionen, die den Prozess der Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und Anpassung des physischen Güteraustausches umfassen. Ziel hierbei ist es, die bei der Transaktion anfallenden Kosten durch Wahl einer geeigneten Organisationsform zu minimieren.

    Zentrale Determinanten der Transaktionskosten sind die Spezifität einer Transaktion und der Unsicherheitsgrad, wobei angenommen wird, dass sowohl begrenzte Rationalität als auch opportunistisches Verhalten des Menschen vorliegt. Die marktliche Koordination ist bei einer niedrigen Spezifität und einem geringen Unsicherheitsgrad am effizientesten. Ein Standardprodukt (mit geringer Spezifität) wird man daher in der Regel über den Markt beziehen. Liegt dagegen eine hohe Spezifität und große Unsicherheit vor, erscheint eine hierarchische Koordination vorteilhaft.

    Kooperationsformen wie die Supply Chain waren zunächst insbesondere dann effizient, wenn eine mittlere Ausprägung der Kosteneinflussgrößen Spezifität und Unsicherheit vorlag. Mittlerweise können durch die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie in einer Supply Chain allerdings auch spezifischere und durch höhere Unsicherheit gekennzeichnete Leistungen erbracht werden.

  • Der Ansatz der Kernkompetenzen (Ressourcenbasierter Ansatz) stellt die Produktionskosten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Wettbewerbsvorteile entstehen durch permanentes Erwerben, Entwickeln und Erhalten von Ressourcen und den damit verbundenen Aufbau von Kernkompetenzen. Das Ziel liegt in der Optimierung der Leistungstiefe, einer Erhöhung der Flexibilität und Innovationsfähigkeit sowie der Realisierung von „economies of scale“.

    Für die Leistungserstellung sind jedoch neben den Kernkompetenzen auch Komplementärkompetenzen erforderlich. Supply Chain-Partnerschaften schaffen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, die Komplementärkompetenzen der Partner zu nutzen, ohne sie im eigenen Unternehmen aufbauen zu müssen, und gleichzeitig durch gemeinsames Lernen zusätzliche Kompetenzen zu erwerben.

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