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Selbstanzeige – Allgemeines

Normen

§ 371 AO

§ 378 Abs. 3 AO

§ 398a AO

Nr. 132 AStBV (St) 2014

Nr. 11 AStBV (St) 2014

Nr. 82 AStBV (St) 2014

Information

1. Neuregelung des § 371 AO

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28.04.2011 (BGBl 2011 I Nr. 19, 676 ff.) ist mit Wirkung vom 03.05.2011 (Tag nach der Verkündung) die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung im Steuerstrafrecht neu geregelt worden. Zwar werden durch dieses Gesetz noch weitere Straftaten, insbesondere die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, zu den Katalogstraftaten der Geldwäsche im Sinne des § 261 StGB hinzugefügt, jedoch bleibt die

  • die Neufassung des § 371 AO zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung,

  • die Neufassung des § 378 Abs. 3 AO zur Selbstanzeige bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung sowie

  • die Einführung des § 398a AO zum Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen

das Kernstück der gesetzlichen Neuregelungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz.

Nachdem in Fachkreisen lange Zeit über die Vor- und Nachteile der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht diskutiert und zwischenzeitlich sogar eine Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige gefordert worden ist, hat der Gesetzgeber sich nunmehr für den Weg der fast vollständigen Neugestaltung entschieden. Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wird die Erlangung der beabsichtigten Strafbefreiung in Steuerstrafsachen und Steuerordnungswidrigkeiten erheblich erschwert, das Steuerstrafrecht und Bußgeldrecht somit wesentlich verschärft und die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO sowie der Steuerordnungswidrigkeiten nach § 377 AO in großem Ausmaße ausgeweitet.

Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ist Folge der Rechtsprechung des BGH (BGH 20.05.2010 – 1 StR 577/09, wistra 2010, 304). Der BGH hat die Vorausetzungen für den Strafverfolgungsverzicht der Finanzbehörden einschränkend und in den Sperrgründen weit ausgelegt. Er hat die Möglichkeit der sogenannten Teilselbstanzeige, wonach der Anzeigende innerhalb einer Steuerstraftat steuerlich relevante Sachverhalte nach dem Grad der Entdeckungsgefahr zur Selbstanzeige bringen und somit mit der Rechtsfolge der Strafbefreiung planen konnte, abgeschafft. Auch die sogenannte Stufenselbstanzeige, bei der der selbstanzeigewillige Steuerpflichtige aus Zeitgründen bereits Selbstanzeige erstattet, aber die tatsächlich zugrundezulegenden Besteuerungsgrundlagen noch nicht vollständig und richtig angeben kann, ist nach dieser Rechtsprechung nicht mehr möglich. Die Sperrtatbestände im Sinne des § 371 Abs. 2 AO wurden grundlegend abweichend zur bisherigen Rechtsprechung neu ausgerichtet und mit der Neufassung des Wortlautes der Vorschrift des § 371 Abs. 1 AO („zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart und wegen dieser Steuerstraftaten“ anstatt bisher lediglich „insoweit“) eine vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit eingefordert. Aufgrund dieser Neufassungen müssen der Finanzbehörde nunmehr sämtliche Hinterziehungssachverhalte zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart mitgeteilt werden. Das bedeutet, dass sämtliche unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen berichtigt bzw. nachgeholt und pflichtwidrig unterlassene Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen den Finanzbehörden vollständig und richtig mitgeteilt werden müssen.

Hinweis:

Die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit betrifft nach dem Wortlaut des § 371 AO alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart. Es müssen somit mit einer Selbstanzeige nicht alle Steuerstraftaten bei unterschiedlichen Steuerarten zeitgleich aufgedeckt werden. Es bleibt daher möglich, die Einkommensteuerhinterziehungen aller unverjährten Veranlagungszeiträume ohne die Umsatzsteuerhinterziehungen dieser Zeiträume vorbehaltlich etwaig zu beachtender Sperrtatbestände zu offenbaren. Eine sogenannte Lebensbeichte mit einer Offenbarung aller Steuerstraftaten zu allen Steuerarten aller nicht verjährten Veranlagungszeiträume wird durch § 371 AO nicht gefordert.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Neuregelungen im Selbstanzeigerecht insbesondere einer Belohnung der planvollen Begehungsweise bei einer Steuerhinterziehung mit der Straflosigkeit der Tat vorbeugen und somit dem Instrument der Selbstanzeige den Platz in einer möglichen Hinterziehungsstrategie nehmen. Es werden vom Gesetzgeber also deutlich höhere Hürden für einen staatlichen Verzicht auf Strafverfolgung bzw. für eine Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten geschaffen. Dies erfolgt ferner mit dem Ziel einer gleichmäßigeren Besteuerung im Sinne des § 85 S. 2 AO, wonach die Finanzbehörden sicherzustellen haben, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

2. Regelungsinhalt des neuen Selbstanzeigerechts

Die Neuregelungen im Selbstanzeigerecht im Sinne des § 371 betreffen im Wesentlichen folgende Kernpunkte:

  • Neufassung des § 371 Abs. 1 AO zum Erklärungsumfang mit den inhaltlichen Anforderungen,

  • Verschärfung der bereits bestehenden Ausschlussgründe sowie Einführung eines neuen Ausschlussgrundes im Sinne des § 371 Abs. 2 AO,

  • Neufassung des § 371 Abs. 3 AO zur vollständigen Nachentrichtung der Verkürzungsbeträge,

  • Neueinführung des § 398a AO als neue Einstellungsvorschrift.

2.1 Erklärungsumfang nach § 371 Abs. 1 AO

Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.

Straffreiheit im Sinne des § 371 Abs. 1 AO erlangt somit

  • der Täter/Teilnehmer einer Steuerhinterziehung,

der

  • zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart

  • in vollem Umfang

  • die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt.

Dieser Gesetzeswortlaut schließt damit eindeutig die bisher in der Praxis für den selbstanzeigewilligen Steuerpflichtigen durchaus praktikable Möglichkeit der Teilselbstanzeigen oder der Stufenselbstanzeigen aus. Die bis dahin eher für Verwirrung sorgende Formulierung „wird insoweit straffrei“ ist entfallen.

Der Gesetzgeber stellt für den inhaltlichen Erklärungsumfang der Selbstanzeige nunmehr auf die einzelne verkürzte Steuer nach Steuerart und Besteuerungszeitraum ab. Eine Selbstanzeige erlangt aber auch nur dann strafbefreiende Wirkung für den Täter/Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, wenn er alle unverjährten Steuerverkürzungen einer Steuerart gegenüber der Finanzbehörde offenbart.

Anknüpfungspunkt ist somit die jeweilige unrichtige oder unvollständige bzw. die pflichtwidrig nicht abgegebene Steuererklärung/-anmeldung und nicht die einzelne Einkunftsart oder die einzelne steuerlich erhebliche Tatsache innerhalb einer Einkunftsart.

Da bei der Selbstanzeige jedoch auf die einzelne Steuerart abzustellen ist, kann der selbstanzeigewillige Steuerpflichtige Steuerverkürzungen der nicht offenbarten Steuerart weiterhin zurückhalten.

2.2 Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO

Straffreiheit im Sinne des § 371 Abs. 1 AO tritt für den Anzeigenerstatter gemäß § 371 Abs 2 nicht ein, wenn

  1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung

    1. a)

      dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist oder

    2. b)

      dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder

    3. c)

      ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder

  2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder

  3. die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 EUR je Tat übersteigt.

Mit der Neufassung der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO wurden die Ausschlussgründe für eine Selbstanzeige erheblich verschärft und auch erweitert.

Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wird bereits dann ausgeschlossen, wenn dem Täter oder seinem Vertreter mit einer Prüfungsanordnung im Sinne des § 196 AO schriftlich mit Rechtsbehelfsbelehrung unter Angabe des voraussichtlichen Prüfungsbeginns und der Namen der Außenprüfer vor Beginn der Prüfung der Umfang einer Außenprüfung bekannt gegeben worden ist. Dies bedeutet eine erhebliche Vorverlegung des Ausschlusszeitpunktes der strafbefreienden Wirkung.

Wie im alten Selbstanzeigerecht auch erlangt eine ansonsten wirksame Selbstanzeige dann nicht mehr strafbefreiende Wirkung, wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens für eine zur Selbstanzeige gebrachte unverjährte Steuerstraftat vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung bekannt gegeben worden ist. Bei diesem Ausschlussgrund ist insofern eine Verschärfung eingetreten, da das bisherige einschränkende Tatbestandsmerkmal der Einleitung „wegen dieser Tat“ entfallen ist. Die Einleitung des Steuerstrafverfahrens an sich schließt damit eine strafbefreiende Wirkung auch für die offenbarten unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart aus, für die das Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet ist. In diesen Fällen führt erst die Offenbarung der betroffenen Besteuerungszeiträume zur Erweiterung des bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens.

Der Ausschlussgrund „mit Erscheinen des Amtsträgers“ (sogenannte Fußmattentheorie) betrifft durch die Einführung des Ausschlusses im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO (mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung) insbesondere die Fälle der steuerlichen Prüfung, in denen keine Prüfungsanordnung im Sinne des § 196 AO erforderlich ist. Dies ist insbeondere bei der Umsatzsteuer-Nachschau im Sinne des § 27 UStG, der Lohnsteuer-Nachschau im Sinne des § 42g EStG oder den sogenannten Vorfeldermittlungen im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO der Fall. Erhebliche Bedeutung gewinnt dieser Sperrtatbestand zusätzlich immer dann, wenn die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nicht nachweisbar ist. Ferner wird die strafbefreinde Wirkung der Selbstanzeige ausgeschlossen, wenn die Steuerfahndung zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit strafprozessuale Maßnahmen durchführt.

Auch die (mögliche) Tatentdeckung gilt weiterhin als Ausschlussgrund. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass bereits die (mögliche) Tatentdeckung einer der offenbarten Steuerstraftaten den Sperrumfang auf die gesamte Selbstanzeige ausdehnt. Dies gilt selbst dann, wenn für die anderen Steuerstraftaten noch keine (mögliche) Tatentdeckung vorliegt.

In den Fällen bereits eingetretener Steuerverkürzungen oder für sich oder einen anderen erlangter nicht gerechtfertigter Steuervorteile ist als neuer Ausschlussgrund eine Betragsgrenze eingeführt worden. Demnach tritt die strafbefreiende Wirkung nicht ein, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 EUR je Tat übersteigt. Der Gesetzgeber unterscheidet hierbei bewusst zwischen den einzelnen Steuerstraftaten und schließt die die Betragsgrenze übersteigende Tat von der strafbefreienden Selbstanzeige aus.

2.3 Nachentrichtung der Mehrsteuern

Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt nach dem neugefassten § 371 Abs. 3 AO für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

Mit der Neufassung der Nachentrichtung der Mehrsteuern stellt der Gesetzgeber klar, dass die strafbefreiende Wirkung erst mit vollständiger Entrichtung der hinterzogenen Steuerbeträge der offenbarten noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart eintritt. Die bisher mögliche strafbefreiende Wirkung für einzelne angezeigte Steuerstraftaten, weil die finanziellen Möglichkeiten des Anzeigenerstatters nicht zur vollständigen Tilgung des Gesamtbetrages ausreichten, ist somit ausgeschlossen.

2.4 Einstellungsvoraussetzungen im Sinne des § 398a AO

Mit der Neueinführung des § 398a AO zum Absehen von einer Strafverfolgung in besonderen Fällen hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Selbstanzeigerechts eine neue Einstellungsvorschrift geschaffen.

Gemäߧ 398a AO wird in den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR übersteigt, nur dann von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist

  1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und

  2. einen Geldbetrag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese neue Einstellungsvorschrift den Offenbarungsanreiz der Strafbefreiung auch bei einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß weiter bestehen lassen und dabei die Rechtsprechung des BGH vom 20.05.2010 (BGH 20.05.2010 – 1 StR 577/09, wistra 2010, 304) zum Strafmaß nicht außer Acht lassen.

In seiner Konsequenz stellt das neue Selbstanzeigenrecht damit nur die Steuerhinterziehung in leichteren Fällen ohne Sonderleistung straffrei.

2.5 Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO

Eine Geldbuße wird gemäß § 378 Abs. 3 AO nicht festgesetzt, soweit der Betroffene (Steuerpflichtiger oder eine mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten des Steuerpflichtigen beauftragte Person) gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.

Nach dem neuen Wortlaut des Gesetzestextes unterscheidet sich die bußgeldbefreiende Selbstanzeige von der strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO allein durch die unterschiedlichen Sperrtatbestände.

Lediglich die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat und nicht das Erscheinen des Amtsträgers oder die (mögliche) Tatentdeckung verhindert die wirksame Selbstanzeige in den Fällen der leichtfertigen Begehungsweise einer Steuerverkürzung.

Der Grund für die erweiterte Selbstanzeigemöglichkeit liegt in den Abstufungsvarianten des subjektiven Tatbestandes der Steuerverkürzung. Der Betroffene einer Steuerordnungswidrigkeit im Sinne des § 377 AO weiß bei einer fahrlässigen Begehungsweise nicht von seinem pflichtwidrigen Verhalten. Ihm wird seine Leichtfertigkeit in der Regel erst bewusst, wenn die Außenprüfung nach Erscheinen des Amtsträgers begonnen hat oder die Handlung durch den Außenprüfer bereits ganz oder teilweise entdeckt worden ist.

3. Rechtsfolgen der Selbstanzeige

In den Fällen der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, im Allgemeinen also bei der Steuerverkürzung durch Abgabe unrichtiger bzw. unvollständiger Steuererklärungen oder aber durch Nichtabgabe von Steuererklärungen, kann der Täter nach dem deutschen Steuerstrafrecht unter den Voraussetzungen des § 371 AO straffrei ausgehen, wenn er die unrichtigen oder unvollständigen Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder aber die unterlassenen Angaben nachholt.

Die Selbstanzeige nach § 371 AO nimmt im Bereich des allgemeinen deutschen Strafrechts eine Sonderstellung ein, da sie in der Folge eine weitgehende Sonderregelung enthält. Sie bewirkt die Straffreiheit des Steuerhinterzieher nach Beendigung der Steuerstraftat.

Im Allgemeinen Strafrecht ist der Eintritt von Straflosigkeit für den Straftäter nach Beendigung der Straftat nicht vorgesehen. Lediglich bei der Berichtigung eines fahrlässigen Falscheides als vollendetes Delikt kann der Straftäter noch straflos ausgehen. Im deutschen Strafrecht findet sich die Straflosigkeit ansonsten nur noch

  • beim Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 StGB:
    Hiernach wird wegen des ansonsten gemäß § 23 StGB strafbaren Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird dieser straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern.

  • bei verselbstständigten Vorbereitungshandlungen:
    Als Beispiel hierzu kann die tätige Reue bei Sabotagehandlungen genannt werden.

Aus dem Vorgenannten folgt, dass eine Straflosigkeit im Allgemeinen Strafrecht nicht mehr in Betracht kommt, sobald das mit der Tat verfolgte Ziel erreicht ist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Taterfolg in tatsächlicher Hinsicht über den rechtlichen Abschluss hinaus eingetreten ist.

Hinweis:

Die Erstattung einer Selbstanzeige nach § 371 AO verhindert nicht die Verfolgung anderer Straftaten, wie zum Beispiel Urkundenfälschung oder Betrug, die mit der Steuerhinterziehung begangen und im Rahmen der Selbstanzeige angezeigt wurden. Die Anzeige der Taten kann jedoch strafmildernd im Sinne des § 46 StGB für diese anderen Taten gewertet werden.

Hinweis:

Die Selbstanzeige setzt die Mitteilungspflichten nach § 31a AO oder die allgemeinen Pflichten über die Mitteilung von Allgemeindelikten in Form der in der Selbstanzeige genannten konkurrierenden Taten nicht außer Kraft.

4. Sinn und Zweck

Im Steuerstrafrecht kann der Steuerstraftäter unter den Voraussetzungen des § 371 AOnach beendeter Tat Straflosigkeit erlangen, wenn er sich selbst anzeigt, also die unrichtigen oder unvollständigen Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder aber die unterlassenen Angaben nachholt.

Der Gesetzgeber möchte mit dem Institut der Selbstanzeige im Steuerrecht in erster Linie bisher verheimlichte Steuerquellen erschließen und darüber hinaus auch dem steuerpflichtigen Steuerhinterzieher die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ermöglichen. Auch wenn die Motive für die Erstattung einer Selbstanzeige keine Bedeutung für den bezweckten Erfolg haben, so werden die Anzeigenerstatter doch eher von der Angst vor einer Tatentdeckung und der damit einhergehenden Strafverfolgung motiviert, als dass sie tatsächlich beabsichtigen, steuerehrlicher zu werden. Der Sinn und Zweck der Selbstanzeige, nämlich die Besteuerung bislang unbesteuert gebliebenen Vermögens, wird damit aber so oder so erreicht. Die Selbstanzeige dient also einzig und allein einer Vermehrung des Steueraufkommens. Dies zeigt sich insbesondere in der Regelung des § 371 Abs. 3 AO, nach der bei bereits eingetretenen Steuerverkürzungen oder erlangten Steuervorteilen für einen an der Tat Beteiligten die Straffreiheit nur dann eintritt, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

Die Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO ist nach der Systematik des Strafrechts ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Demnach müssen sowohl der objektive Steuerstraftatbestand als auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung in der Person des Täters gegeben sein. Ferner dürfen weder Rechtfertigungsgründe noch Schuldausschließungsgründe vorliegen.

5. Steuerliche Beratung

Eine steuerliche Beratung sollte immer auch das Instrument der Selbstanzeige mit in Betracht ziehen, wenn dem steuerlich Beratenden eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung von seinem Mandanten offenbart wird. Hierbei sollten jedoch auch immer alle Punkte für und wider abgewogen werden. Allerdings sollte sich die Beratung auf die sachliche Aufklärung bezüglich der steuerlichen Beurteilung des Lebenssachverhaltes sowie die Anwendung des § 371 AO zur Erlangung der Straflosigkeit mit allen positiven und negativen Aspekten beschränken.

Eine Verpflichtung hierzu trifft den steuerlichen Berater hingegen nicht.

Obwohl die Grenzen von einer steuerlichen Beratung zur Tatbeteiligung oder Tatbegünstigung fließend und für den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen sind, macht sich der steuerliche Berater in der Regel bei einer reinen sachlichen Beratung weder der Tat, der Beihilfe (bei noch nicht ausgeführten Taten) noch der Begünstigung schuldig. Spätestens, wenn mit der Möglichkeit einer Außenprüfung, wie z.B. einer (Amts-)Betriebsprüfung, Lohnsteueraußenprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung oder aber auch neuerdings einer Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b UStG oder Lohnsteuer-Nachschau im Sinne des § 42g EStG zu rechnen ist, sollten klärende Gespräche in Bezug auf bisher nicht erklärtes Vermögen oder verschwiegene Geldquellen geführt werden. Dies sollte erst recht erfolgen, wenn Geschäftspartner bereits Steuerfahndungsmaßnahmen über sich ergehen lassen mussten, die eigene Partnerschaft/Ehe zerbrochen ist und die Scheidungsfolgen noch nicht absehbar sind, geschäftliche Partnerschaften (im Streit) aufgelöst werden oder Vorgänge im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zu beurteilen sind.

Für den Fall, dass der steuerliche Berater im Rahmen seines Mandatsverhältnisses von seinem Mandanten über die (vollendeten oder bevorstehenden) Taten zwar informiert worden ist, die Beratung hinsichtlich der Erstattung einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO jedoch nicht von dem Mandanten angenommen worden ist, besteht keine Verpflichtung zur Offenbarung der erlangten Kenntnisse. Es besteht zum einen standesrechtlich eine Berufsverschwiegenheitsverpflichtung und zum anderen aufgrund des Mandatsvertrages eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit. Im Rahmen des deutschen Strafprozessrechts steht dem steuerlichen Berater gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen zu.
Das Vorgenannte gilt jedoch nur dann, wenn sich die steuerliche Beratung auf eine sachliche Information beschränkte und kein strafrechtlich zu belangendes, eigenes aktives Handeln des Steuerberaters gegeben ist.

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