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Steuergeheimnis – Offenbarungsbefugnisse

Normen

§ 30 Abs. 4 bis 6 AO

Information

1. Allgemeines

Das Steuergeheimnis im Sinne des § 30 AO stellt grundsätzlich alle Verhältnisse des Steuerpflichtigen oder anderer Personen unter Schutz. § 30 AO verschärft als Vorschrift auf dem Gebiet des Steuerrechts den allgemeinen Amtsverschwiegenheitsgrundsatz und geht diesem als Spezialvorschrift vor. Erst wenn die Regelungen des Steuergeheimnisses aus § 30 AO nicht greifen, ist eine Amtsverschwiegenheit zu prüfen.

§ 30 AO lässt unter bestimmten Voraussetzungen jedoch auch ein befugtes Offenbaren zu. Die Absätze 4, 5 und 6 des § 30 AO ermöglichen eine Offenbarung der in § 30 Abs. 2 AO geschützten Verhältnisse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ohne dass die Rechtsfolgen einer Verletzung des Steuergeheimnisses eintreten.

Die Grundlage für ein befugtes Offenbaren wird in § 30 Abs. 4 AO in einer abschließenden Aufzählung der Voraussetzungen normiert. In den Absätzen 5 und 6 finden sich ergänzende Offenbarungsgründe mit Sonderregelungen in Bezug auf vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen (Abs. 5) und die Zulässigkeit des automatisierten Abrufs von Daten (Abs. 6).

§ 30 AO lässt lediglich ein befugtes Offenbaren der Kenntnisse über Verhältnisse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu. Eine Verwertungsbefugnis wird hier hingegen nicht geregelt. Unter einem befugten Offenbaren ist jedes ausdrückliche oder konkludente Verhalten, aufgrund dessen Verhältnisse eines anderen bekannt werden können, zu verstehen. Daraus folgt, dass sich ein Offenbaren aus mündlichen, schriftlichen oder elektronischen Erklärungen, aber auch aus anderen Handlungen (z.B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) oder Unterlassungen ergeben kann.

Liegen die Voraussetzungen für ein befugtes Offenbaren nach den § 30 Abs. 4, 5 oder 6 AO vor, so ist der jeweilige Amtsträger oder die ihm gleichgestellte Person nicht zu einer Offenbarung verpflichtet. Bei der Prüfung, ob bei Vorliegen einer oder mehrerer Rechtfertigungsgründe eine Offenbarungsverpflichtung besteht, sind die Grundsätze des § 5 AO zu beachten. Bei der Ermessensentscheidung ist das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Steuergeheimnis grundsätzlich auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren durch den im Vorhinein bestehenden Schutz zu wahrheitsgemäßen Angaben zu veranlassen.

Eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Auskunftserteilung ergibt sich jedoch immer dann, wenn die Befugnis zur Offenbarung nach § 30 AO gegeben ist und gleichzeitig ein Auskunftsanspruch besteht, der für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbrechen würde. Dies ist z.B. in den Fällen des § 161 StPO bei Auskunftsverlangen und Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft der Fall.

Lehnt die Finanzbehörde unter Hinweis auf die Wahrung des Steuergeheimnisses eine Auskunftserteilung ab, so stellt dies einen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO dar. Gegen die ablehnende Entscheidung ist als Rechtsbehelf der Einspruch gemäß § 347 AO aber auch die Gegenvorstellung sowie die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben. Der Rechtsweg ist abhängig vom Begehr der Klage.

Hinweis:

Soweit die Offenbarungsbefugnis nicht aus dem einen Rechtfertigungsgrund gegeben ist, so sind die anderen Rechtfertigungsgründe zu prüfen.

2. Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO)

Eine Offenbarung der Kenntnisse ist zulässig, soweit sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1a und b AO dient. Die schützenswerten Verhältnisse müssen somit in einem der folgenden Verfahren bekannt geworden sein:

  • § 30 Abs. 2 Nr. 1a AO:

    • Verwaltungsverfahren in Steuersachen:
      Besteuerungsverfahren, Erhebungsverfahren, Vollstreckungsverfahren, Einspruchsverfahren, Verfahren zur Festsetzung von Prämien und Zulagen, auf die die für Steuervergütungen anzuwendenden Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, Verfahren in Kindergeldsachen.

    • Rechnungsprüfungsverfahren in Steuersachen:
      Verfahren der Rechnungsprüfungsämter, soweit eine Überprüfung der Festsetzung und Erhebung von Steuern erfolgt.

    • Gerichtliche Verfahren in Steuersachen:
      Verfahren vor dem Finanzgericht und dem Bundesfinanzhof sowie die Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht, soweit die Verfahren Steuersachen betreffen und § 30 AO anwendbar ist.

  • § 30 Abs. 2 Nr. 1b AO:
    Steuerstrafverfahren, Bußgeldverfahren sowie die sich evtl. anschließenden gerichtlichen Verfahren.

Somit lässt § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO eine Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens oder eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens zu. Das Steuergeheimnis soll gerade das steuerliche Verfahren durch seinen Rechtsschutz ermöglichen und nicht der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, auch in Steuerstraf- und Bußgeldverfahren, im Wege stehen.

Hierfür ist es nach Verwaltungsauffassung ausreichend, wenn das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang eines dieser Verfahren nützlich sein könnte.

Hinweis:

Es erfolgt keine Beschränkung der Zulässigkeit auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen Finanzbehörden, wie z.B. Mitteilungen zwischen Zollbehörden und Finanzbehörden oder zwischen übergeordneten Finanzbehörden und nachgeordneten Behörden). Dienen die in Frage stehenden Mitteilungen unmittelbar der Durchführung einem der oben genannten Verfahren, so sind auch Mitteilungen an andere Behörden zulässig.

Demnach ist die gleiche Offenbarungsbefugnis der Finanzbehörden wie gegenüber den Finanzgerichten gegeben, wenn Verwaltungsgerichte Verfahren in Steuersachen (z.B. in Realsteuersachen oder Kirchensteuersachen) zu entscheiden haben. Betreffen die verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten andere als steuerliche Verfahren, so ist eine Offenbarungsbefugnis aus § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 AO zu prüfen.

Verhältnisse des Steuerpflichtigen oder einer anderen Person können wie folgt bei der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen befugt offenbart werden, soweit dies erforderlich und zweckmäßig ist (beispielhafte Aufzählung):

  • Auskunftsersuchen an Beteiligte und andere Personen nach § 93 AO oder § 200 Abs. 1 S. 3 AO,

  • Hinzuziehung von Sachverständigen nach § 96 AO,

  • Zuziehung von Zeugen nach § 288 AO und Polizeibeamten nach § 287 Abs. 3 AO im Vollstreckungsverfahren,

  • Beiwohnung eines Gemeindebediensteten oder Polizeibeamten bei der Versteigerung nach § 298 Abs. 2 AO,

  • Pfändung einer Geldforderung gemäß § 309 AO,

  • Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Teilnahme am Verfahren,

  • Anordnung der Haft nach unentschuldigtem Fernbleiben im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 Abs. 8 AO,

  • Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek nach § 322 AO,

  • Anträge auf Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung nach § 322 Abs. 4 AO,

  • öffentliche Zustellung nach § 15 VwZG,

  • notwendige Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren gemäß § 360 Abs. 3 S. 1 AO,

  • notwendige Beiladung im Steuerprozess,

  • Vorlage von Steuerakten an das Finanzgericht.

Anderen Finanzbehörden gegenüber ist eine befugte Offenbarung zum Zweck der Besteuerung in folgenden Fällen möglich (beispielhafte Aufzählung):

  • Mitteilung der Steuermessbeträge an die Gemeinden gemäß § 184 Abs. 3 AO,

  • Auskunft über die Uneinbringlichkeit der Forderung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG,

  • Mitteilung von Außenprüfungsergebnisse,

  • Verschicken von Kontrollmitteilungen,

  • Vorlage der Steuerakten an übergeordnete Behörden zur Überprüfung der Besteuerung.

In der Praxis wird immer wieder Auskunft darüber verlangt, ob eine Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke steuerbegünstigt ist oder nicht. Dem Auskunftsersuchenden kann unter Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO nur dann eine Auskunft in jeder Richtung erteilt werden, wenn

  • er im Besteuerungsverfahren die Berücksichtigung der geleisteten Spende beantragt hat und somit selbst Spender ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1a AO),

  • die betreffende Körperschaft mitgeteilt hat, dass sie zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt ist und dies auch den Tatsachen entspricht oder

  • die Körperschaft wahrheitswidrig behauptet, sie sei zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1a AO). Für den Fall, dass die Körperschaft ihre wahrheitswidrige Behauptung öffentlich verbreitet, kann eine Richtigstellung öffentlich erfolgen.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat der um Auskunft ersuchte Amtsträger oder die ihm gleichgestellte Person den Auskunftsersuchenden (Spender) an die betreffende Körperschaft zu verweisen, wenn die Körperschaft keine Zustimmung zur Auskunftserteilung erteilt hat.

Beantragt der Steuerpflichtige in seiner Steuererklärung eine Steuerermäßigung nach den §§ 32, 33a EStG, die von den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen eines Dritten abhängig ist, und lehnt die Finanzbehörde den Antrag in vollem Umfang ab, weil die Einkünfte und Bezüge bzw. das Vermögen die gesetzlichen Betragsgrenzen übersteigen, so darf die Ablehnung gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht den genauen Betrag, um den die Betragsgrenzen überschritten werden, enthalten. Wird ein derartiger Ermäßigungsantrag hingegen im Hinblick auf die eigenen Einkünfte und Bezüge oder das Vermögen des Dritten teilweise abgelehnt, so darf dem Steuerpflichtigen die Höhe dieser Beträge mitgeteilt werden.

Stirbt der Steuerpflichtige, so tritt der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung des Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Auskünfte, die dem Erblasser aus den Steuerakten erteilt werden durften, dürfen auch dem Erben erteilt werden und fallen somit nicht unter das Steuergeheimnis. Für den Fall, dass mehrere Erben vorhanden sind, tritt jeder einzelne Erbe die Gesamtrechtsnachfolge des Erblassers an. Soll nunmehr an den einzelnen Erben eine Auskunft erteilt werden, so bedarf es hierfür nicht der Zustimmung der übrigen Miterben. Der auskunftssuchende Erbe muss seine rechtliche Stellung jedoch bei Bedarf durch Erbschein nachweisen. Zu den Gesamtrechtsnachfolgern gehören nicht die Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte oder Erbersatzanspruchsberechtigte. Insofern ist diesem Personenkreis gegenüber die Auskunft unter Hinweis auf das Steuergeheimnis zu verweigern.

Zur Offenbarungsbefugnis in Steuerstrafverfahren wegen Steuerstraftaten oder in Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1b AO siehe Steuergeheimnis – Steuerstrafverfahren.

3. Gesetzlich zugelassene Offenbarung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO)

§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO schafft eine Offenbarungsbefugnis für den Fall, dass die Offenbarungsbefugnis ausdrücklich in einem Gesetz enthalten ist. Eine solche Offenbarungsbefugnis kann sich auch in der Abgabenordnung selbst befinden. So schafft § 31 AO

  • die gesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von solchen Abgaben, die an diese Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen (§ 31 Abs. 1 AO);

  • die gesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung der nach § 30 AO geschützten Verhältnisse an den Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, der Bundesagentur für Arbeit und der Künstlersozialkasse, soweit die Kenntnis dieser Verhältnisse für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen einschließlich der Künstlersozialabgabe erforderlich ist oder der Betroffene einen Antrag auf Mitteilung stellt (§ 31 Abs. 2 AO) oder

  • die Berechtigung für die Behörden, die für die Verwaltung der Grundsteuer zuständig sind, die nach § 30 AO geschützten Namen und Anschriften von Grundstückseigentümern, die bei der Verwaltung der Grundsteuer bekannt geworden sind, zur Verwaltung anderer Abgaben sowie zur Erfüllung sonstiger öffentlicher Aufgaben zu verwenden oder den hierfür zuständigen Gerichten, Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf Ersuchen mitzuteilen, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen.

Aber auch in anderen Steuergesetzen oder in außersteuerlichen Vorschriften gibt es Grundlagen zur befugten Offenbarung.

An außersteuerlichen Vorschriften sind insbesondere zu beachten:

  • § 5 Abs. 3 des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen,

  • § 125a Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,

  • § 88 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes,

  • § 197 Abs. 2 Satz 2 des Baugesetzbuches,

  • § 236 Abs. 1 und § 379 Abs. 2 des Gesetzes über Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

  • § 24 Abs. 2 und 6 des Bundesdatenschutzgesetzes,

  • § 39 des Erdölbevorratungsgesetzes,

  • § 17 Satz 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen,

  • § 14 Abs. 4 und § 153a Abs. 1 Satz 2 der Gewerbeordnung,

  • § 3 Abs. 5 des Güterkraftverkehrsgesetzes,

  • § 8 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen,

  • § 4a Abs. 3 Satz 4 des Melderechtsrahmengesetzes,

  • § 25 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes,

  • § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Preisstatistik,

  • § 27 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen,

  • § 21 Abs. 4 SGB X,

  • § 5 Abs. 2, § 10 StBerG,

  • § 9 des Gesetzes über Steuerstatistiken,

  • § 492 Abs. 3 der StPO i.V.m. §§ 385, 399 AO,

  • § 20 Abs. 4 des Unterhaltssicherungsgesetzes,,

  • § 3a der Verfahrensordnung für Höfesachen,,

  • §§ 32 Abs. 4 und § 35 Abs. 4 des Wohnraumförderungsgesetzes und § 2 des Wohnungsbindungsgesetzes,,

  • § 2 des Verwaltungsdatenverwendungsgesetzes,,

  • § 36 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung,.

  • § 10 Abs. 3 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung,

  • § 18 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes,

  • § 18 Abs. 3a Bundesverfassungsschutzgesetzes (vgl. auch § 51 Abs. 3 S. 3 AO),

  • § 2 Abs. 4 und § 8 Bundesarchivgesetz,

  • § 36a Abs. 3 Wirtschaftsprüfungsordnung,

  • § 64a Abs. 2 Bundesnotarordnung,

  • § 34 Abs. 2 Patentanwaltsordnung,

  • § 54 Abs. 1 S. 4 Satz 4 Gerichtskostengesetz,

  • § 19 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Kostenordnung, ggf. i.V.m. § 141 oder § 159 Kostenordnung,

  • § 6 Abs. 5 Unterhaltsvorschussgesetz.

Hinweis:

Zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist es nicht ausreichend, wenn die gesetzliche Bestimmung eine allgemeine Pflicht zur Amtshilfe enthält.

4. Offenbarung bei Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO)

Eine Offenbarung ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO immer dann zulässig, wenn der Betroffene ihr ausdrücklich zustimmt. Betroffener ist derjenige, dessen Verhältnisse zur Offenbarung anstehen und nicht nur der Verfahrensbeteiligte selbst. Die Offenbarungsbefugnis aufgrund der Zustimmung ist für alle Betroffenen eigenständig zu prüfen, wenn mehrere Personen betroffen sind. Unterbleibt die Zustimmung einzelner Personen, dürfen deren geschützte Verhältnisse nicht offenbart werden, es sei denn, ein anderer Rechtfertigungsgrund ist gegeben.

Die Zustimmung unterliegt keinen Formvorschriften. Sie kann schriftlich, mündlich oder in sonstiger Form erfolgen. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird die Finanzbehörde jedoch die Zustimmung zur Offenbarung in der Regel schriftlich einfordern und aktenkundig machen, und zwar vor der Offenbarung. Eine Nachholung einer nicht vorliegenden Zustimmung heilt die Verletzung des Steuergeheimnisses nicht. Mit der Verletzung des Steuergeheimnisses ist bereits der Straftatbestand des § 355 StGB erfüllt.

Dem Betroffenen steht es frei, seine Zustimmung zur Offenbarung der offenbarenden Behörde zu erklären. Eine Zustimmungspflicht ist nicht gegeben und würde dem Schutzcharakter des Steuergeheimnisses widersprechen.

Demgegenüber besteht auch keine Verpflichtung des Amtsträgers oder der ihm gleichgestellten Person zur Offenbarung, wenn der Betroffene seine Zustimmung erteilt hat. Die Ausübung der nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO erteilten Offenbarungsbefugnis erfolgt in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO).

5. Offenbarung zur Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 AO)

Erkenntnisse, die im Steuerstrafverfahren oder Steuerordnungswidrigkeitenverfahren über außersteuerliche Straftaten gewonnen werden, dürfen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die Weitergabe von Tatsachen, die eventuell zur Ahndung einer außersteuerlichen Ordnungswidrigkeit führt, ist hingegen nicht gedeckt, da § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO sich allein auf außersteuerliche Straftaten bezieht.

In der Praxis fallen hierunter insbesondere die sogenannten Zufallsfunde, die Steuerfahndungsbeamte als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bei Durchsuchungsmaßnahmen finden. § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO ermöglicht die Weitergabe zur Strafverfolgung an die Staatsanwaltschaft unter Beachtung des Steuergeheimnisses. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Erkenntnisse im Steuerstraf- oder im Bußgeldverfahren selbst gewonnen werden müssen. Kenntnisse, die vor Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder des Bußgeldverfahrens bereits im Veranlagungs-, Besteuerungs-, Erhebungs-, Außenprüfungs- oder Vollstreckungsverfahren erlangt wurden, dürfen demnach nicht an die Strafverfolgungsbehörden nach dieser Vorschrift weitergegeben werden.

Hinweis:

Die Weitergabe von Tatsachen zur Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten, die der Steuerpflichtige (§ 33 AO) selbst oder eine für ihn handelnde Person (§ 200 Abs. 1 AO) der Finanzbehörde mitgeteilt hat, ist immer dann zulässig, wenn dem Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Abgabe der Mitteilung an die Finanzbehörde die Einleitung des steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt war. Auch wenn dies nicht gegeben ist, dürfen Tatsachen dennoch weiter gegeben werden, wenn ein Rechtfertigungsgrund nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 oder Abs. 5 AO vorliegt.

Die Offenbarung von Kenntnissen zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO ist uneingeschränkt zulässig, sobald die Tatsachen der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind. An einer steuerlichen Verpflichtung fehlt es immer dann, wenn die Auskunft erteilende Person vor Auskunftserteilung hierzu nicht aufgefordert worden ist. Auf das Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 101 ff. AO) kann nur der Berechtigte verzichten, der überhaupt Kenntnis von seinem Auskunftsverweigerungsrecht hatte. In der Regel wird der Berechtigte vor Auskunftseinholung von der Finanzbehörde über ein möglicherweise bestehendes Aussageverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt.

Hinweis:

In den Fällen des § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO besteht grundsätzlich lediglich eine Offenbarungsbefugnis und keine Offenbarungsverpflichtung. Aus diesem Grund muss nicht zwingend Strafanzeige wegen des Verdachts der außersteuerlichen Straftaten von der Finanzbehörde gestellt werden. Eine Verpflichtung zur Offenbarung kann sich jedoch aus anderen Gründen ergeben.

6. Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO)

§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO lässt eine Offenbarung zu, wenn für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Hierzu führt § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO eine beispielhafte Aufzählung von Fällen an, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse gesetzlich gegeben ist. Ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn

  • § 30 Abs. 4 Nr. 5a AO:
    Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen.

    Verbrechen im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5a AO sind gemäß § 12 Abs. 1 StGB alle rechtswidrigen Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen müssen im konkreten Fall so schwerwiegende Rechtsverletzungen darstellen, dass sie mit Freiheitsstrafe bedroht sind.

  • § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO:
    Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern.

    Das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO für eine Wirtschaftsstraftat ist in jedem Einzelfall unter Abwägung der verschiedenen Interessen zu prüfen. Eine eventuelle Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes ist für diese Beurteilung nicht maßgeblich.

    Die Offenbarung von Tatsachen, die den Verdacht eines Subventionsbetrugs gemäß § 264 StGB erregen und dienstlich in Erfahrung gebracht werden, kann aus zwingendem öffentlichen Interesse geboten sein. Eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO auf der Grundlage von § 6 des Subventionsgesetzes liegt hingegen nicht vor, sodass Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subventionsbetrugs daher grundsätzlich nicht zulässig sind.

    Hinweis:

    Werden Investitionszulagen im Sinne des InvZulG 2010 vom Subventionsbetrug erfasst, so sind diese gemäß § 15 lnvZulG 2010 den Steuerstraftaten gleichgestellt und werden an die Straf- und Bußgeldsachenstelle gemeldet.

  • § 30 Abs. 4 Nr. 5c AO;
    die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

    § 30 Abs. 4 Nr. 5c AO gestattet die Offenbarung zur Richtigstellung unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Offenbarungsbefugnis begründet ein Abwehrrecht der Verwaltung und dient damit nicht dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit. Die Verwaltung selbst hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie richtig stellen will. Sie hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und sich auf die zur Richtigstellung erforderliche Offenbarung zu beschränken. Eine Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5c AO kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.

Bei anderen Sachverhalten ist ein zwingendes öffentliches Interesse nur gegeben, wenn sie in ihrer Bedeutung einem der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO erwähnten Fälle vergleichbar sind. Hierunter fallen in der Praxis insbesondere:

  • Meldung der Verletzung steuerlicher Pflichten an die Gewerbebehörden für Zwecke eines Gewerbeuntersagungsverfahrens.

  • Mitteilungen an Parlamente bzw. einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

  • Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen.

  • Mitteilung bei Straftaten im Amt nach § 331 ff. StGB (Verfehlungen eines Beamten oder Richters, die dieser im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit begangen hat).

  • Mitteilung bei Verfehlungen eines Beamten oder Richters, die dieser außerhalb des Dienstes begangen hat, soweit es für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist und für die Mitteilung im Einzelfall ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Dies ist insbesondere der Fall bei

    1. unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen durch Beamte der Steuerverwaltung (keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen liegt vor bei sporadischer Nachbarschaftshilfe oder bei Fällen von geringer Bedeutung),

    2. bei Steuerstraftaten, einschließlich solcher, bei denen durch Selbstanzeige nach § 371 AO Straffreiheit eingetreten ist, wenn

      • die verkürzte Steuer 2.500 EUR oder mehr pro Veranlagungszeitraum beträgt oder

      • der Beamte oder Richter bei Steuerverkürzungen von weniger als 2.500 EUR eine erhebliche kriminelle Energie aufgewendet hat.

    Hinweis:

    Vorstehende Regelungen sind bei vergleichbaren Sachverhalten auch auf die Mitteilung von Verfehlungen sonstiger Angehöriger der Finanzverwaltung (Angestellte, Arbeiter) anzuwenden, soweit dies zur Ergreifung arbeitsrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist.

  • Mitteilungen an die für die Bekämpfung der Geldwäsche und terroristischer Aktivitäten zuständigen Stellen;

  • Mitteilung bei Verletzung der strafrechtlich geschützten Individualrechtsgüter eines Amtsträgers oder einer gleichgestellten Person im Sinne des § 30 Abs. 3 AO. Dies ist insbesondere der Fall bei:

    • falschen Verdächtigung (§ 164 StGB),

    • Beleidigung (§ 185 StGB),

    • übler Nachrede (§ 186 StGB),

    • Verleumdung (§ 187 StGB),

    • Körperverletzung (§§ 223, 224, 229 StGB),

    • Freiheitsberaubung (§ 239 StGB),

    • Nötigung (§ 240 StGB),

    • Bedrohung (§ 241 StGB).

  • Mitteilung zur Verfolgung von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB):

    • Verstrickungsbrüche (§ 136 Abs. 1 StGB),

    • Siegelbrüche (§ 136 Abs. 2 StGB) oder

    • Vereitelung der Vollstreckung (§ 288 StGB)

  • Mitteilung von Erkenntnissen zu Insolvenzstraftaten im Sinne des §§ 283 bis 283c StGB oder zu Insolvenzverschleppungsstraftaten (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG, §§ 130b, 177a HGB);

  • Mitteilung an die Sozialbehörden bzw. Strafverfolgungsbehörden von Anhaltspunkten zu Misshandlungen im Sinne des § 223 StGB in Bezug auf Kinder und Misshandlungen von Schutzbefohlenen im Sinne des § 225 StGB.

7. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Abs. 5 AO)

Vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber gemäß § 30 Abs. 5 AO offenbart werden. Hierfür ist Voraussetzung, dass nach Auffassung der Finanzbehörde durch die falschen Angaben ein Straftatbestand verwirklicht worden ist. Das Strafverfahren braucht jedoch nicht tatsächlich durchgeführt werden. Falsche Angaben im Sinne des § 30 Abs. 5 AO können unter Beachtung der Offenbarungsbefugnis aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO nur solche sein, die nicht ausschließlich eine Steuerstraftat offenbaren.

8. Automatisierter Abruf von Daten (§ 30 Abs. 6 AO)

Nach § 30 Abs. 6 S. 1 AO ist der automatisierte Abruf von Daten, die für eines der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO genannten Verfahren in einer Datei gespeichert sind, nur dann zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1a und b AO oder der zulässigen Weitergabe von Daten dient.

Zur Wahrung des Steuergeheimnisses hat das Bundesministerium der Finanzen auf der Grundlage von § 30 Abs. 6 S. 2 AO durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere hat es nähere Regelungen getroffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind.

Zu den weiteren Einzelheiten im Hinblick auf den befugten automatisierten Abruf von Daten im Sinne des § 30 Abs. 6 AO wird auf die entsprechende Verordnung (Steuerdaten-Abrufverordnung – StDAV) vom 13.10.2005 (BGBl. I S. 3021; BStBl. I S. 950) verwiesen.

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