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Aufrechnung – Vollstreckung

Normen

§ 226 AO

§ 387 ff. BGB

Information

1. Allgemeines

Im Vollstreckungsverfahren stehen sich häufig Forderungen des Vollstreckungsgläubigers und des Vollstreckungsschuldners gegenüber, welche wechselseitig durch Verrechnung aufgrund einseitiger, empfangsbedürftiger Erklärung eines der Beteiligten getilgt werden können (Aufrechnung). Mit der Möglichkeit der Aufrechnung erfahren die Beteiligten eine Sicherung des eigenen Anspruchs und können eine unwirtschaftliche Einzelerfüllung vermeiden. Die Aufrechnung kann sowohl der Vollstreckungsschuldner bzw. Steuerpflichtige als auch der Vollstreckungsgläubiger erklären.

Die Aufrechnung wirkt zurück auf den Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage erstmals bestanden hat, d.h. in dem sich die Ansprüche erstmalig aufrechenbar gegenüberstanden (§ 398 BGB).

Mit der wirksamen Aufrechnung erlöschen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gem. § 47 AO (BFH, 07.11.1989 – VII R 34/87, BStBl II 1990, 201, 203).

Aufgerechnet wird gegen die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners mit der Gegenforderung des Aufrechnenden. Für die Begrifflichkeit ist damit maßgeblich, welcher Beteiligte die Aufrechnungserklärung abgibt.

Beispiel:

Aus der Abgabe von Einkommensteuererklärungen steht dem Steuerpflichtigen für das Kalenderjahr 01 ein Einkommensteuerguthaben i.H.v. 2.000 EUR zu, für das Kalenderjahr 2002 schuldet er dem Finanzamt einen Betrag i.H.v. 1.500 EUR.

Lösung:

Gibt der Steuerpflichtige die Aufrechnungserklärung ab, stellt der Einkommensteuer-Erstattungsanspruch 2001 die Gegenforderung dar, mit der aufgerechnet werden soll, und die Einkommensteuerschuld 2002 die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners, mit der aufgerechnet werden soll.

Die Sichtweise wechselt sobald das Finanzamt die Aufrechnungserklärung abgibt. Dann stellt der Anspruch auf Zahlung der Einkommensteuer 2002 die Gegenforderung des Aufrechnenden dar und der Einkommensteuer-Erstattungsanspruch 2001 die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners.

2. Rechtsgrundlagen

Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten gem. § 226 Abs. 1 AO sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 387 bis 390, 406 BGB), soweit nichts anderes bestimmt ist (BFH, 25.04.1989 – VII R 105/87, BStBl II 1989, 949, 952).

Vom BGB abweichende Bestimmungen enthalten

  • § 226 Abs. 2 AO zur Aufrechnung mit verjährten Ansprüchen,

  • § 226 Abs. 3 AO zur Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen und

  • § 226 Abs. 4 AO zur Gläubigerschaft bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis.

3. Gegenstand der Aufrechnung

Sowohl der Steuerpflichtige als auch die Finanzbehörde kann mit oder gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 226 Abs. 1 AO) und schuldrechtlichen Ansprüchen aller Art (BFH, 04.10.1983 – VII R 143/82, BStBl II 1984, 178, 180) aufrechnen.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind gem. § 37 Abs. 1 AO der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch und der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung. Steuerliche Nebenleistungen sind gem. § 3 Abs. 3 AOVerspätungszuschläge (§ 152 AO), Zinsen (§§ 233 ff. AO), Säumniszuschläge (§ 240 AO), Zwangsgelder (§§ 328,329 AO) und Kosten (§ 178, §§ 337 bis 345 AO). Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nicht Geldstrafen, Geldersatzstrafen, Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten und Kosten des Buß- und Strafverfahrens.

Mit und gegen diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können schuldrechtliche Ansprüche aller Art aufgerechnet werden, unabhängig davon, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder bürgerlich-rechtliche Ansprüche (z.B. Ansprüche aus Bauleistungen oder Lieferungen) handelt.

4. Voraussetzungen der Aufrechnung

Für eine Aufrechnung müssen gem. § 387 BGB folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • die Gleichartigkeit (Aufrechnung – Gleichartigkeit) der sich gegenüberstehenden Forderungen,

  • die Gegenseitigkeit (Aufrechnung – Gegenseitigkeit) der sich gegenüberstehenden Forderungen,

  • die Fälligkeit (Aufrechnung – Fälligkeit) der Gegenforderung, mit der aufgerechnet werden soll

  • und die Erfüllbarkeit (Aufrechnung – Erfüllbarkeit) der Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll.

5. Bedeutung für das Vollstreckungsverfahren

Die Aufrechnung gem. § 226 AO ist keine Maßnahme der Vollstreckung (BFH, 03.11.1983 – VII R 38/83, BStBl II 1984, 185; BFH, 02.04.1987 – VII R 148/83, BStBl II 1987, 536) und damit auch bei einem Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) zulässig.

Gem. Abschn. 22 Abs. 4 VollstrA soll die Vollstreckung nicht angeordnet werden, wenn mit der zu vollstreckenden Forderung gegen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners aufgerechnet werden kann. Ordnet die Vollstreckungsbehörde trotz Kenntnis der Aufrechnungsmöglichkeit Vollstreckungsmaßnahmen an, wären diese ermessensfehlerhaft.

Die Vollstreckung ist gem. § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO einzustellen bzw. zu beschränken, wenn der Vollstreckungsschuldner wirksam die Aufrechnung erklärt hat (Abschn. 11 Abs. 3 i.V.m. Abschn. 5 VollstrA). Siehe hierzu auch Vollstreckungshindernisse.

Hat der Steuerpflichtige Rückzahlungsansprüche aus Überpfändungen an das Finanzamt, kann gegen diese aufgerechnet werden, es sei denn die Überpfändung ist vorsätzlich erfolgt. Ein Nachweis des Vorsatzes dürfte in solchen Fällen in der Praxis jedoch kaum durch den Vollstreckungsschuldner zu erbringen sein.

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