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Gewerbebetrieb – Vorrang der §§ 13 und 18 EStG

Normen

§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG

§§ 13 und 18 EStG

Information

Das Gewerbesteuergesetz enthält keine eigene Bestimmung des Begriffs „Gewerbebetrieb“. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verweist vielmehr auf das Einkommensteuerrecht. Die Frage, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt und somit auch die sachliche Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz gegeben ist, bestimmt sich daher nach § 15 Abs. 2 EStG.

1. Keine Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 13 EStG

Ein Gewerbebetrieb liegt nach § 15 Abs. 2 EStG dann nicht vor, wenn die besonderen Merkmale der Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG erfüllt sind. Dies sind

  1. die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens (= Urproduktion)

  2. zur Erzeugung und Verwertung von Pflanzen und Tieren.

Bei einer gemischten Tätigkeit entscheidet das Gepräge, wenn die teils gewerblichen und teils land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht getrennt werden können (R 15.5 Abs. 1 Sätze 4 ff. EStR). Es ist zu fragen, ob die Trennung in eine freiberufliche und eine gewerbliche Tätigkeit möglich ist. Eine einheitliche Betätigung liegt nur dann vor, wenn die verschiedenartigen Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen (BFH, 11.07.1991 – IV R 102/90, BStBl II 1992, 413). In diesem Fall ist der Gesamtbetrieb danach zu qualifizieren, welche der einzelnen Tätigkeiten dem Betrieb das Gepräge gibt (BFH, 02.10.2003 – IV R 48/01, BStBl II 2004, 363).

Auch aus Vereinfachungsgründen werden folgende Fälle einer an sich nicht unter die Definition der Nutzung der Naturkraft fallende Tätigkeit als sog. Nebenbetrieb (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG, R 15.5. Abs. 3 EStR) noch dem Anwendungsbereich des § 13 EStG zugeordnet:

  1. Verarbeitungsbetriebe der ersten Be- oder Verarbeitungsstufe (R 15.5 Abs. 3 EStR),

  2. Verwertung der Rohstoffe, wenn die dabei gewonnenen Erzeugnisse nahezu ausschließlich im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verwendet werden (R 15.5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 EStR),

  3. dauernder und nachhaltiger Zukauf von fremden Erzeugnissen (z.B. Handelswaren, die nicht im eigenen Betrieb weiterbearbeitet werden), insbesondere dann, wenn dieser 30 % des Umsatzes nicht übersteigt (R 15 Abs. 5 EStR),

  4. das eigenständige Handelsgeschäft, wenn die eigenen Erzeugnisse des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft zu nicht mehr als 40 % über das Handelsgeschäft abgesetzt werden, der Wert des Zukaufs fremder Erzeugnisse aber 30 % des Umsatzes des Handelsgeschäftes übersteigt oder die eigenen Erzeugnisse des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft zu mehr als 40 % über das Handelsgeschäft abgesetzt werden, diese jedoch im Verhältnis zur gesamten Absatzmenge des Handelsgeschäftes nur von untergeordneter Bedeutung sind (R 15 Abs. 6 EStR).

    Der BFH (Urteil vom 25.03.2009 – IV R 21/06BStBl. II 2010, 113) hat für die Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft zum Gewerbebetrieb neue Grenzen festgelegt: Landwirte gehen immer häufiger dazu über, die von ihnen erzeugten Produkte direkt an den Endverbraucher zu vermarkten. Dies geschieht üblicherweise über Marktstand, Verkaufswagen oder Hofladen. Um die Attraktivität der Absatzstellen für den Endverbraucher zu erhöhen, erweitern die Landwirte ihr Warensortiment häufig um zugekaufte Waren unterschiedlichster Art. Durch das Angebot zugekaufter Waren im Hofladen verhalten sich Landwirte nach Auffassung des BFH händlertypisch und damit gewerblich.
    Dabei stellt sich die Frage, ob überhaupt und wenn ja, ab wann die Handelstätigkeit die landwirtschaftliche Tätigkeit „infiziert“ und dort zu einer Umqualifizierung der landwirtschaftlichen Einkünfte führt. Dazu wurden abweichend von der vorgehenden Rechtsprechung (BFH, 27.11.1980 – IV R 31/76, BStBl II 1981, 518) neue Grenzen für die Annahme eines Gewerbebetriebs festgelegt. Nach Auffassung des BFH ist ein Hofladen dann als gewerblich anzusehen, wenn der darin getätigte Nettoumsatz mit Fremdprodukten aller Art nachhaltig ein Drittel des Nettogesamtumsatzes („Drittelgrenze“) oder den Höchstbetrag von 51.500 EUR übersteigt. Fremdprodukte, die im Rahmen des Erzeugungsprozesses verwendet werden, sind nicht in die Ermittlung der schädlichen Zukaufsgrenze einzubeziehen.
    Werde eine dieser Grenzen drei Jahre in Folge überschritten, führe die gesamte Verkaufstätigkeit im Hofladen einschließlich des Verkaufs von Eigenprodukten ab dem vierten Jahr zu gewerblichen Einkünften. Es gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Strukturwandel im Bereich der Landwirtschaft (BFH, 14.12.2006 – IV R 10/05, BFH/NV 2007, 1244).

    Praxistipp:

    Es liegt allerdings grundsätzlich kein einheitlicher Betrieb vor. Der bisherige landwirtschaftliche Betrieb spaltet sich durch die Handelstätigkeit in zwei Betriebe auf: in einen landwirtschaftlichen und einen gewerblichen Betrieb.
    Wird der Betrieb von einer Mitunternehmerschaft unterhalten, besteht die Gefahr der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

    Eine auf dem Hof befindliche Verkaufsstelle oder ein auf dem Hof befindliches Handelsgeschäft (Hofladen) und ebenso das räumlich getrennte Handelsgeschäft sind dagegen Bestandteile des landwirtschaftlichen Betriebs, wenn darin ausschließlich Eigenprodukte vertrieben werden.
    Die oben erwähnten Verwaltungsregelungen in R 15.5 und 6 EStR sieht der BFH kritisch:

    • Der dort vorgenommenen Differenzierung hinsichtlich der Art der zugekauften Produkte (betriebstypische Erzeugnisse sowie Handelswaren zur Abrundung der Produktpalette) und den hieran anknüpfenden unterschiedlichen Unschädlichkeitsgrenzen vermag er nicht zu folgen.

    • Außerdem ist zur Feststellung des Umfangs des Zukaufs nicht auf das Verhältnis des mit den zugekauften Produkten erzielten Umsatzes zum Gesamtumsatz des Hofladens abzustellen, da ein Einkaufswert-Umsatz-Vergleich an nicht vergleichbare unterschiedliche Bezugsgrößen anknüpfe.

  5. die Verabreichung von Speisen und zugekauften Getränken in „Besen- oder Straußwirtschaften“, wenn der Umsatz aus diesen Leistungen nicht 50 % des Umsatzes der Besen- oder Straußwirtschaft und nicht 51.500 EUR im Wirtschaftsjahr übersteigt (R 15.5 Abs. 8 EStR),

  6. „Ferien auf dem Bauernhof“(R 15.5 Abs. 12 EStR),

  7. Dienstleistungen, wenn diese 50 % des Gesamtumsatzes des Betriebes nicht übersteigen (R 15.5 Abs. 7 EStR) und

  8. Energieerzeugung, wenn die Erzeugung für den eigenen Betrieb überwiegt (R 15.5 Abs. 11 EStR).

Die Veräußerung von betrieblichen Grundstücken führt erst dann zu gewerblichen Einkünften, wenn die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels zu bejahen sind (BMF, 26.03.2004 – IV A 6 – S 2240 – 46/04, BStBl I, 434, insbesondere Rn. 27).

2. Keine selbstständige Arbeit i.S.d. § 18 EStG

Während bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Einsatz von Arbeitskräften und Produktionsmitteln im Vordergrund steht, wird die selbstständige Arbeit durch die persönliche Leistung und den Einsatz geistigen Vermögens gekennzeichnet.

Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sind

  1. die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG),

  2. die Einkünfte der staatlichen Lotterieeinnehmer, wenn sie nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie

  3. die Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG), z.B.

    1. als Testamentsvollstrecker,

    2. aus der Vermögensverwaltung oder

    3. aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied.

Die freiberufliche Tätigkeit (Katalogberufe und diesen ähnlichen Berufe) kann auch unter Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ausgeübt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Freiberufler gegenüber den Mithelfenden aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Beispiele zu den einzelnen Merkmalen und Einzelfällen in H 15.6 EStH.

Beispiel:

Eine aus Wirtschaftsprüfern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war im Rahmen von geschlossenen Immobilienfonds ausschließlich für die (künftigen) Treuhandkommanditisten und nicht als Wirtschaftsprüferin oder Steuerberaterin für die Fonds tätig. Ihre Tätigkeit beschränkte sich auf die Konzeptions- und Investitionsphase der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft und endete mit dem treuhänderischen Erwerb der Kommanditbeteiligungen.
Der BFH hat entschieden, dass eine aus Wirtschaftsprüfern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gewerbesteuerpflichtig ist, wenn sie im Rahmen von Immobilienfonds als Treuhänderin tätig wird (BFH, 18.10.2006 – XI R 9/06, BFH/NV 2007, 595). Der BFH vertrat die Auffassung, dass Wirtschaftsprüfer nur insoweit freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig und damit nicht gewerbesteuerpflichtig seien, als sie beruftypische Aufgaben eines Wirtschaftsprüfers, nämlich betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen durchführten. Dazu gehöre eine Treuhandtätigkeit nicht. Unerheblich sei, dass Wirtschaftsprüfer seit 1995 berufsrechtlich befugt seien, auch Treuhandtätigkeiten zu übernehmen. Eine steuerliche Bevorzugung der Wirtschaftsprüfer gegenüber Rechtsanwälten und Steuerberatern, die ebenfalls treuhänderisch tätig würden, wäre mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren.
Es liege auch keine sonstige selbstständige und damit nicht gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) vor. Diese erfasse nach ständiger Rechtsprechung nur gelegentliche und vermögensverwaltende Tätigkeiten. Davon könne in Anbetracht der Tatsache, dass die Tätigkeit der Gesellschaft mit dem Erwerb der Treuhandbeteiligung endete und in Anbetracht der Vielzahl der Anleger nicht ausgegangen werden.

Beispiel:

Ein EDV-Berater, der überwiegend Managementleistungen im Rahmen der Leitung von EDV-Projekten erbringt, kann einen ingenieurähnlichen Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben. Als Autodidakt muss er über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, was im Einzelfall nachzuweisen ist (BFH, 22.09.2009 – VIII R 79/06, BFH/NV 2010, 499).

Beispiel:

Berufsbetreuer und Verfahrenpfleger unterliegen nicht der Gewerbesteuer (BFH, 15.06.2010 – VIII R 10/09 sowie BFH, 15.06.2010 – VIII R 14/09, BStBl II 2010, 906 und 909). Nach den entschiedenen Fällen sind die Einkünfte von Rechtsanwälten, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Berufsbetreuer tätig sind und Einkünfte von Volljuristen, die als Berufsbetreuer und Verfahrenpfleger agieren, nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einzustufen. Die Tätigkeiten sind den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zuzuordnen, da sie wie die in § 18 Nr. 3 EStG genannten Regelbeispiele (Testamentsvollstreckung, Vermögensverwaltung, Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied) durch eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt sind. Die frühere anders lautende Rechtsprechung (BFH, 04.11.2004 – IV R 26/03, BStBl. II 2005, 288) wurde ausdrücklich aufgegeben.

Beispiel:

Eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-KG mit einer GmbH als alleiniger Komplementärin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, s. dazu auch das Stichwort „Steuerobjekt – Mitunternehmerschaften„. Das gilt auch dann, wenn die GmbH lediglich eine Haftungsvergütung erhält und am Vermögen und Gewinn der KG nicht beteiligt ist (BFH, 10.10.2012 – VIII R 42/10).

Streitig war die Frage, ob eine in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mit Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung befasste Gesellschaft Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 EStG bezieht oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG.

Der BFH bejahte Letzteres. Da die Komplementär-GmbH Mitunternehmerin und selbst gewerblich und nicht freiberuflich tätig war, ist auch die GmbH & Co KG insgesamt gewerbesteuerpflichtig geworden. Die Mitunternehmerstellung der X-GmbH ergibt sich daraus, dass sie Mitunternehmerinitiative besitzt, auch wenn diese aufgrund der vertraglichen Gestaltungen – Ausschluss der X-GmbH von der Geschäftsführung der Klägerin und kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung – nur schwach ausgeprägt war. Auch ist ein Mitunternehmerrisiko der X-GmbH zu bejahen. Bereits mit Urteil v. 11.07.1985 (VIII R 252/80, BStBl. II 1987, 33) hat der BFH zum Ausdruck gebracht, dass der persönlich haftende Gesellschafter in einer kapitalistisch organisierten Kommanditgesellschaft schon wegen des Haftungsrisikos als Mitunternehmer anzusehen ist und zwar selbst dann, wenn ihm kein Anteil am Kapital zusteht und er im Innenverhältnis von der Haftung freigestellt wird.

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