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Kinderfreibetrag – Übertragung

Normen

§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG

R 32.13 EStR

Information

1. Übertragung des vollen/halben Kinderfreibetrags

Grundsätzlich steht jedem Elternteil „sein eigener, hälftiger“ Freibetrag zu und nur bei der Zusammenveranlagung werden die halben Freibeträge zu einem „vollen“ Gesamtbetrag zusammengerechnet. Einen „vollen“ Freibetrag erhält aber auch ein Elternteil, wenn der andere verstorben ist oder der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist oder der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist oder der andere Elternteil – im Ausland – nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist oder einer allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht. (§ 32 Abs. 6 Satz 3 EStG i.V.m. R 32.13 EStR) Von den FÄ wird ferner der Fall, in dem der andere Elternteil im Ausland als nicht unbeschränkt steuerpflichtig lebt, als Übertragungsfall angesehen. Die eigentliche Übertragung kommt aber nur dann in Betracht, wenn ein eigentlich einer Person zustehender Freibetrag auf den Übertragungsempfänger „freiwillig“ oder „unfreiwillig“ d.h. ohne Zustimmung des abgebenden Elternteils verlagert wird.

2. Übertragung auf den anderen Elternteil

Bei dauernd getrennt lebendenden oder geschiedenen Eltern sowie bei Eltern eines nicht ehelichen Kindes – Eltern also bei denen eine Ehegattenveranlagung nicht in Betracht kommt – kann auf Antrag eines Elternteils der Freibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen werden, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt = einseitige, unfreiwillige Übertragung (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 1. Alternative EStG).

2.1 Erfüllung der Unterhaltspflicht

Der Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, kommt seiner Unterhaltsverpflichtung durch die Pflege und Erziehung des Kindes nach (vgl. § 1606 Abs. 3 BGB, R 32.13 Abs. 2 Satz 2 EStR). Ein Elternteil ist gegenüber einem minderjährigen Kind, das nicht bei ihm wohnt und gegenüber einem volljährigen Kind nur dann zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, wenn er leistungsfähig und das Kind unterhaltsbedürftig ist. Eine Unterhaltsverpflichtung kann auch durch Gewährung von Naturalunterhalt in Form von freier Kost und Unterkunft erfüllt werden. Dagegen kann die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem volljährigen Kind nicht in Form von Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbracht werden. Der Elternteil, in dessen Obhut sich ein Kind nicht befindet, ist grundsätzlich zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Bei der Prüfung, ob ein Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nachgekommen ist, ist der durch Urteil oder Vertrag festgelegte Betrag maßgebend. Soweit die Höhe der Verpflichtung nicht bestimmt worden ist, ist sie unter Anwendung der „Düsseldorfer Tabelle“ festzustellen.

2.2 Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung im Wesentlichen

Ein Elternteil kommt seiner Barunterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind im Wesentlichen nach, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt. Maßgebend ist der Zeitraum, für den die Zahlungen bestimmt sind (BFH, 11.12.1992 – III R 7/90, BStBl II 1993, 397). Ist bei der Veranlagung eines Elternteils auf dessen Antrag eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Freibetrages erfolgt, ist der Steuerbescheid nach § 175 AO zu ändern, wenn der andere Elternteil nachträglich seiner Unterhaltsverpflichtung für das betroffene Jahr nachkommt und sich deswegen gegen die vorgenommene Übertragung wendet. Soweit die Verpflichtung nicht ganzjährig bestanden hat, ist für die Beurteilung, ob und inwieweit sie erfüllt worden ist, auf den Verpflichtungszeitraum abzustellen (R 32.13 Abs. 4 EStR).

Elternteile, die mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sind, werden steuerlich so behandelt, als ob sie ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen.

Nach den Grundsätzen des BFH erfolgt keine Übertragung auf den anderen Elternteil, wenn der Beitrag eines Elternteils zum Unterhaltsbedarf des Kindes zwar verhältnismäßig geringfügig ist, er durch den Beitrag aber seiner konkreten Unterhaltsverpflichtung nicht nur zu einem unwesentlichen Teil nachkommt.

Beispiel:

Die Eltern sind geschieden. Der Vater ist zu einer Barunterhaltsverpflichtung von lediglich 40 EUR verpflichtet. Er zahlt auch durchschnittlich 31 EUR monatlich und erfüllt somit seine Verpflichtung zu mehr als 75 %. Der Antrag der Mutter auf Übertragung des halben Kinderfreibetrags wird vom Finanzamt abgelehnt, da der Vater seine Unterhaltsverpflichtung zu mehr als 75 % erfüllt.

Nur in wenigen Fällen kommt der Freibetrag im Rahmen der Günstigerprüfung zum Zuge. Das wird z.B. dann sein, wenn eine geschiedene Mutter mit hohen Einkünften ihre Kinder selbst betreut und der leibliche Vater seiner Verpflichtung nicht im Wesentlichen nachkommt. In diesem Fall wird die Mutter ein Interesse daran haben, den Freibetrag des leiblichen Vaters auf sich übertragen zu lassen. Sind ihre Einkünfte jedoch nicht so hoch und wird die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder bei ihr schon durch das Kindergeld ausreichend bewirkt, wäre ein Antrag auf Übertragung des Freibetrags unnötig und liefe ins Leere. Bezüglich der Zuschlagsteuern ergeben sich dagegen immer – wenn auch geringfügige – steuerliche Vorteile.

2.3 Freistellung von der Unterhaltspflicht

Stellt ein Elternteil den anderen Elternteil von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem gemeinsamen Kind gegen ein – den geschätzten Unterhaltsansprüchen des Kindes entsprechendes Entgelt frei und bestreitet dann auch den vollen Unterhalt, so liegt darin gleichzeitig eine Unterhaltserfüllung des freigestellten Elternteils mit der Folge, dass dieser seinen Anspruch auf einen halben Freibetrag behält (vgl. BFH, 25.01.1996 – III R 137/93, BStBl II 1997, 21).

2.4 Übertragungsverfahren

Der Übertragungsempfänger als Antragsteller muss darlegen, dass der andere Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen ist oder eine solche für den anderen gar nicht bestanden hat. Das FA des anderen Elternteils ändert den ggf. bereits erlassenen Steuerbescheid unter Rückgängimachung des bereits gewährten Freibetrags. Beantragt der andere Elternteil dann eine Herabsetzung der gegen ihn festgesetzten Steuer mit der Begründung, die Voraussetzungen lägen nicht vor, so ist der Elternteil, auf den zunächst der halbe Freibetrag übertragen worden war, zu dem Verfahren hinzuzuziehen (§ 174 Abs. 4 und 5 AO). Obsiegt dann auch der andere Elternteil, erhält dieser wiederum seinen halben Freibetrag zurück und der Steuerbescheid des Elternteils, auf den zunächst der Freibetrag übertragen worden war, wird entspr. berichtigt (§ 174 Abs. 4 AO). Vgl. a. R 32.13 Abs. 4 EStR.

2.5 Übertragung bei nicht bestehender Unterhaltsverpflichtung

Ein Elternteil kann die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Kinderfreibetrages auch dann beantragen, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Eine Übertragung des Kinderfreibetrages ist für die Zeiträume allerdings nicht möglich, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden (§ 32 Abs. 6 Satz 7 EStG).

3. Übertragung auf Stiefelternteil oder Großeltern, § 32 Abs. 6 Satz 10 EStG

3.1 Übertragung auf Großeltern

Bei der Übertragung auf Stief- bzw. Großeltern gibt es unterschiedliche Varianten. Der freiwilligen Übertragung steht die unfreiwillige Übertragung bei Nichterfüllung der Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber. Groß- und Stiefeltern sind nach dem im Kindergeldrecht geltenden Vorrangprinzip ohnehin kindergeldberechtigt, wenn sie ein Enkel- oder Stiefkind in ihren Haushalt aufgenommen haben (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG).

Zusammenveranlagte Eltern können den „vollen“, bei nicht zusammenveranlagten Eltern kann jeder Elternteil nur seinen halben Freibetrag auf Stiefelternteile oder Großeltern übertragen.

Beispiel:

Der 19jährige studierende Sohn lebt bei den Großeltern, den Eltern der Mutter in Berlin. Die Großeltern erzielen ein zu versteuerndes Einkommen von 97.000 EUR . Die Großeltern erhalten das Kindergeld von 188 EUR monatlich. Die Eltern stimmen mit der Abgabe der Steuererklärung 2015 der Übertragung des Kinderfreibetrags zu. Das FA berücksichtigt deshalb bei der ESt-Veranlagung der Großeltern einen Kinderfreibetrag von 4.512 EUR. Die Eltern können die Übertragung nicht splitten und etwa nur den halben Freibetrag von 2.256 EUR übertragen und die andere Hälfte für sich zurückbehalten.

Abwandlung

Die Eltern leben dauernd getrennt. Die Mutter stimmt der Übertragung ihres halben Freibetrags auf die Großeltern zu. Der Vater verweigert eine entsprechende Zustimmung. Bei den Großeltern wird der von der Mutter übertragene Freibetrag von 2.256 EUR bei der ESt-Veranlagung 2015 berücksichtigt unter Verrechnung mit dem Kindergeld „im entsprechenden Umfang“ von 1.128 EUR. Der Vater behält seinen Freibetrag von 2.256 EUR, der bei der ESt-Veranlagung auch auf Grund seines Einkommens unter Verrechnung mit dem „entsprechenden“ Kindergeld von 1.128 EUR berücksichtigt wird. (vgl. Familienleistungsausgleich)

Hinweis:

Die Zustimmung des eigentlich anspruchsberechtigten Elternteils auf Übertragung des Kinderfreibetrags kann nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden.

Praxistipp:

Freiwillige Übertragung auf Großeltern: Die Übertragung des Freibetrages auf die Großeltern/Großelternteile, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen haben, empfiehlt sich, wenn die Großeltern ihr Einkommen mit einem höheren Grenzsteuersatz versteuern und die aus dem Freibetrag erwachsende Steuerersparnis höher ist als das Kindergeld. Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt. Es wird jedoch an einen Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat (§ 64 Abs. 2 Satz 5 EStG). Durch diese Kindgeld-Übertragungsmöglichkeit kann sich zu Gunsten der im selben Haushalt lebenden Großeltern ein höherer Gesamt-Kindergeldbetrag ergeben. Erfolgt zusätzlich zur Kindergeld-Übertragung auch noch die Übertragung des Kinderfreibetrags lässt sich eine optimale Steuerersparnis erzielen.

3.2 Freiwillige Übertragung auf einen Stiefelternteil

Bei einem Stiefkind handelt es sich um ein im ersten Grad mit dem Ehegatten verwandtes Kind: Kind des Ehegatten aus einer früheren Ehe oder nicht eheliche Kind aus einer früheren/anderen Beziehung. Kinder des Ehegatten werden nur berücksichtigt, wenn sie in den Haushalt des mit ihm Verheirateten aufgenommen sind. Die Übertragung ist daher immer nur auf einen Stiefelternteil, nicht jedoch auf Stiefeltern möglich. Stirbt der leibliche Elternteil oder wird die Ehe geschieden bzw. aufgelöst und verbleibt das Kind im Haushalt des bisherigen Stiefelternteils, ist das Kind bezüglich des Kindergeldes ohne weitere Prüfung als Pflegekind zu berücksichtigen (vgl.§ 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Für den Kinderfreibetrag kann diese Vereinfachungsregel nicht ohne weiteres übernommen werden. Voraussetzung für ein Pflegekindschaftsverhältnis ist u.a., dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht, d.h., dass die familiären Bindungen zu diesen auf Dauer aufgegeben sind (vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. R 32.2 Abs.2 EStR.

3.3 Unfreiwillige Übertragung auf Stief- oder Großeltern

Neben der freiwilligen Übertragung besteht die Möglichkeit der Übertragung von Eltern/Elternteilen auf Stief- /oder Großeltern, wenn die Eltern ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht im Wesentlichen nachkommen. Insoweit gelten die selben Grundsätze wie bei der Übertragung eines Kinderfreibetrags zwischen ledigen, geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eltern.

4. Haushaltszugehörigkeit

Die Übertragung auch möglich, wenn das Kind nicht zum Haushalt des Großelternteils gehört, diesen aber – z.B. mangels Leistungsfähigkeit der Elternteile – eine konkrete Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Enkelkind trifft.

5. Hinweis – Folgen der Übertragung

Die Übertragung kann dazu führen, dass auch andere kindbedingte Entlastungen bei der zustimmenden Person entfallen, z.B. der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der Ausbildungsfreibetrag, die Übertragung des dem Kind zustehenden Behinderten-Pauschbetrags und die Ermäßigung von Zuschlagsteuern wie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Auch verändert sich ggf. der Prozentsatz der zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen.

6. Zusammenhang mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf

Zusätzlich zum Kinderfreibetrag ist ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eingeführt worden. Dieser kann separat vom Kinderfreibetrag übertragen werden. Wird der Kinderfreibetrag übertragen, erfolgt automatisch die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf durch die Finanzverwaltung.

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