Steuerlexikon

[Steuerlexikon_dropdown]

[Steuerlex24-Search-all]

Selbstanzeige – Sperrwirkung

Normen

§ 371 Abs. 2 AO

Information

1. Allgemeines

Gemäß § 371 Abs. 2 AO tritt auch bei Vorliegen der übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO Straffreiheit nicht ein, wenn

  • bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung

    • dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO) oder

    • dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO) oder

    • ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO) oder

  • eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) oder

  • die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 EUR je Tat übersteigt (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO).

§ 371 Abs. 2 AO enthält somit die negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von steuerlich erheblichen Tatsachen mit einer Selbstanzeige.

Zu den positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen siehe Selbstanzeige – Voraussetzungen sowie Selbstanzeige – Nachentrichtung der Steuerbeträge.

Es handelt sich bei den Ausschlusstatbeständen insofern um negative Wirksamkeitsvoraussetzungen, was bedeutet, dass die vorgenannten Sperrgründe nicht vorliegen dürfen, um Straffreiheit zu erreichen. Nach dem Charakter und dem Inhalt der Sperrgründe wird bei deren Nichtvorliegen die Freiwilligkeit der Selbstanzeige unterstellt und die Rechtsfolge der Straffreiheit nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gewährt.

2. Bekanntgabe einer Prüfungsordnung im Sinne des § 196 AO (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO)

Wird dem Täter einer Steuerstraftat oder dessen Vertreter vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung bei einer der zur Anzeige gebrachten nicht strafverfolgungsverjährten Steuerstraftat eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben, so tritt die Straffreiheit bei einer ansonsten wirksamen Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht ein. Dieser Sperrgrund wurde mit der Neufassung des Selbstanzeigerechts mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28.04.2011 (BGBl 2011 I Nr. 19, 676 ff.) mit Wirkung vom 03.05.2011 (Tag nach der Verkündung) neu eingeführt.

Gemäß § 196 AO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der steuerlichen Außenprüfung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung mit Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 AO).

Das Erscheinen des Amtsträgers ist für den Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO unbedeutend und findet sich weiterhin als gesonderter Ausschlusstatbestand im § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO. Es wird allein auf die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung abgestellt. Die Vorschrift bewirkt eine erhebliche Vorverlegung des Zeitpunkts des Ausschlusses der strafbefreienden Wirkung und wird für Fälle der Außenprüfung nunmehr den Regelfall des Sperrgrundes darstellen. Der Ausschlusstatbestand „mit Erscheinen des Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung“ rückt damit in den Hintergrund.

In der Regel wurde die Prüfungsanordnung nach § 196 AO im Besteuerungsverfahren bislang mit einfachem Brief zugestellt. Bei der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung mit einfachem Brief ist die Bekanntgabefiktion des § 122 AO zu beachten, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Übermittlung im Inland). Bestreitet der selbstanzeigewillige Steuerpflichtige aus gutem Grunde nun die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung in diesen Fällen, so trägt die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren die Beweislast für den tatsächlichen Zugang. Da die Bekanntgabefiktion grundsätzlich zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt, muss die Finanzbehörde, wenn sie den den tatsächlichen Zugang der Prüfungsanordnung für den Eintritt des Ausschlusstatbestandes nachweisen will, die Prüfungsanordnung demnächst wohl zunehmend mit Postzustellungsurkunde dem Steuerpflichtigen zustellen. Dies erscheint jedoch wegen der damit verbundenen Kosten in Anbetracht der Vielzahl der Außenprüfungsfälle wenig praktikabel und wird sich wohl auf den Fall beschränken, dass eine Prüfungsanordnung nach erstmaligen Bestreiten des Zugangs mit einfachen Brief erneut bekannt gegeben werden soll. Telefonische Terminabsprachen oder formlose Kontaktaufnahmen der Außenprüfungstellen stellen keine Prüfungsanordnung im Sinne des § 196 AO dar und sind weiterhin möglich, ohne eine Sperrwirkung für die Selbstanzeige auszulösen.

Hinweis:

Bei steuerlich beratenen Steuerpflichtigen, die dem steuerlichen Vertreter eine entsprechene Empfangsvollmacht erteilt haben, erfolgt der Nachweis des tatsächlichen Zugangs über den Eintrag im Posteingangsbuch des steuerlichen Vertreters.

Die Bekanntgabe ist nicht nur maßgeblich für den Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung, sondern vielmehr auch für den Umfang der Sperrwirkung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes entfaltet der Ausschlusstatbestand seine Sperrwirkung für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart sobald auch nur eine der nicht strafverfolgungsverjährten Steuerstraftaten Gegenstand der Prüfungsanordnung ist.

Beispiel:

An den Steuerpflichtigen ergeht eine Prüfungsanordnung wegen Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011. Nach Eingang der Prüfungsanordnung erstattet der Steuerpflichtige eine Selbstanzeige für die Einkommensteuer der Jahre 2008 bis 2010 und offenbart, dass er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wissentlich die Werbungskosten überhöht angegeben hat. Die Steuererklärung für 2009 ist zutreffend.

Die Prüfungsanordnung entfaltet für den gesamten Zeitraum der unverjährten Steuerstraftaten eine Sperrwirkung für die Selbstanzeige, da bei einer Steuerstraftat eine Prüfungsanordnung ergangen ist. Die Sperrwirkung betrifft also auch die Einkommensteuererklärungen 2008 und 2009.

Beispiel:

Dem Steuerpflichtigen geht eine Prüfunsganordnung wegen Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 2010 bis 2012 zu. Nach Eingang der Prüfungsanordnung offenbart der Steuerpflichtige seine bislang unversteuerten Zinseinnahmen aus dem Ausland für die Veranlagungszeiträume 2008 und 2009. Der im Ausland angelegte Kapitalstamm stammt aus unversteuerten Betriebseinnahmen. Die Steuererklärungen für den Prüfungszeitraum 2010 bis 2012 sind jedoch vollständig und fristgerecht eingereicht worden.

Die Selbstanzeige für die unverjährten Steuerstraftaten der Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 ist bei Vorliegen der übrigen positiven Wirsamkeitsvoraussetzungen wirksam. Die strafbefreiende Wirkung wird auch nicht durch den Zugang der Prüfungsanordnung ausgeschlossen, da die Steuererklärungen des Prüfungszeitraumes vollständig korrekt waren.

Nach herrschender Meinung führt eine fehlerhafte Prüfungsanordnung nicht zur Unwirksamkeit im Sinne des § 371 Abs. 2 AO, d.h. die Sperrwirkung greift in diesen Fällen nicht. Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Sperrwirkung der bekannt gegebenen Prüfungsanordnung für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart eintritt, wenn auch nur eine unverjährte Steuerstraftat in der Prüfungsanordnung genannt ist. Somit darf eine formell oder materiell rechtswidrige Prüfungsanordnung diese umfassende Sperrwirkung nicht auslösen. Ob sich die Finanzverwaltung dieser Sichtweise anschließt, bleibt abzuwarten.

Zugunsten des selbstanzeigewilligen Steuerpflichtigen sieht die Finanzbehörde den Abschluss der Außenprüfung, für die die Prüfungsanordnung ergangen ist, als Ende der Sperrwirkung an, sodass dann für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Veranlagungszeiträume wieder die Möglichkeit der Selbstanzeige gegeben ist. Dies erscheint insbesondere in Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers, den selbstanzeigewilligen Steuerpflichtigen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu bewegen und in Hinblick auf die Sicherung des Steueraufkommens mehr als angezeigt.

Der Adressat der Prüfunganordnung ist maßgeblich für den persönlichen Umfang der Selbstanzeige. Es tritt nur gegenüber dem Steuerpflichtigen die Sperrwirkung ein, der auch in der Prüfungsanordnung genannt ist.

Beispiel:

Ist Adressat einer Prüfungsanordnung eine Personengesellschaft, so kann jeder ihrer Gesellschafter bezüglich seiner persönlichen Steuer grundsätzlich auch noch nach Erscheinen des Prüfers Selbstanzeige erstatten. Das gilt auch für die persönlichen Steuern des Geschäftsführers einer GmbH, sofern eine Steuerprüfung bei der GmbH stattfindet.

Wird die Prüfungsanordnung erweitert, so gilt insoweit die auslösende Sperrwirkung für die Steuerarten und Veranlagungszeiträume der Erweiterung auch erst mit Bekanntgabe der erweiterten Prüfungsanordnung.

3. Bekanntgabe eines eingeleiteten Steuerstrafverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO)

Eine Strafbefreiung kann gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO dann nicht mehr gewährt werden, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.

Dem Vermerk über die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens kommt somit für den Eintritt der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO besondere Bedeutung zu.

Ein Steuerstrafverfahren ist gemäß § 397 Abs. 1 AO eingeleitet, sobald die Finanzbehörde, Polizei, Staatsanwaltschaft, Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (insbesondere Steuerfahndung) oder der Strafrichter eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Dies gilt gemäß § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO entsprechend auch für die Einleitung des Bußgeldverfahrens. Wegen der Einzelheiten siehe Steuerstrafverfahren – Einleitung. Die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ist unter Angabe der betreffenden Steuerarten und -zeiträume gemäß § 397 Abs. 2 AO unverzüglich in den Strafakten festzulegen. Hieraus ergibt sich der sachliche und zeitliche Auslöser der Sperrwirkung.

Die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ist erfolgt, wenn dem Tatbeteiligten (Täter und/oder Teilnehmer) durch amtliche Mitteilung eröffnet worden ist, dass die Strafverfolgungsbehörde gegen ihn strafrechtlich vorgeht. Für die Bekanntgabe, die erst die Sperrwirkung auslöst, bedarf es keiner bestimmten Form. Sie kann aus diesem Grunde schriftlich oder mündlich erfolgen. Aus Beweisgründen wird sie in Verfahren der Straf- und Bußgeldsachenstelle jedoch zumeist schriftlich in der Regel mit Postzustellungsurkunde erfolgen. Hat die Straf- und Bußgeldsachenstelle die Steuerfahndung mit der Aufklärung des Sachverhalts beauftragt, so wird die Bekanntgabe in der Regel im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme mündlich mit einer ordnungsgemäßen Belehrung im Strafverfahren erfolgen. Dies wird sodann in Form eines Aktenvermerks unter Angabe des Datums und der Uhrzeit in der Akte vermerkt.

Die Bekanntgabe kann auch dem Vertreter des Tatbeteiligten gegenüber erfolgen. Zu den Vertretern zählen die gesetzlichen Vertreter im Sinne der §§ 34, 35 AO sowie die gewillkürten Vertreter nach §§ 80, 81 AO. Eine rechtsgeschäftliche Vollmacht ist nicht erforderlich. Aus diesem Grunde wird die Sperrwirkung auch durch die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an Personen ohne besondere Vertretungsvollmacht, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Täter Mitteilungen entgegen nehmen können und hierzu auch bereit sind, ausgelöst. Maßgebend ist also, ob der Vertreter zur Sphäre des Täters gehört und unter gewöhnlichen Umständen damit gerechnet werden kann, dass die mündliche oder schriftliche Einleitung an den Täter weitergeleitet wird.

Die Straffreiheit nach § 371 AO ist nur gegenüber dem Tatbeteiligten (Täter und/oder Teilnehmer) ausgeschlossen, dem als Tatbeteiligten die Einleitung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens wegen der Steuerstraftat auch tatsächlich bekannt gegeben worden ist. Sonstige Tatbeteiligte können somit weiterhin Straffreiheit mit einer ansonsten wirksamen Selbstanzeige erlangen.

Hinweis:

Ausgeschiedene oder außerhalb des Unternehmens stehende Mitarbeiter sind nicht an einer Selbstanzeige gehindert. Bei der Durchsuchung einer Bank wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung bislang unbekannter Bankkunden soll für die Bankmitarbeiter, obwohl die Bankkunden namentlich noch nicht bekannt sind, keine Selbstanzeigemöglichkeit mehr bestehen.

Der Sperrgrund tritt nach dem Wortlaut des Gesetzes für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart ein, sobald für eine der offenbarten unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist. Das bisherige einschränkende Tatbestandsmerkmal wegen der Tat ist entfallen. Somit entfaltet die Selbstanzeige für alle offenbarten Steuerstraftaten einer Steuerart keine strafbefreiende Wirkung mehr. Steuerstraftat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ist nach dem materiellen Tatbegriff im Sinne des § 370 AO bzw. der Handlung im Sinne des § 378 AO zu bestimmen. Dies sind regelmäßig die Abgabe unrichtiger bzw. unvollständiger Steuererklärungen und/oder die pflichtwidrige Nichtabgabe von Steuererklärungen. Somit stellt die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung für einen Veranlagungszeitraum eine Tat in Bezug auf alle in ihr enthaltenen Angaben dar. Ebenso stellt die Nichtabgabe einer Steuererklärung für einen Veranlagungszeitraum eine Tat hinsichtlich aller eigentlich zu erklärenden Angaben dieses Veranlagungszeitraums dar. Folglich entscheidet über den Strafausschluss nicht eine einzelne Einkunftsart sondern vielmehr die gesamte unrichtige Steuererklärung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Selbstanzeige dann nicht mehr erstattet werden kann, wenn für eine bestimmte Steuerart und für einen bestimmten Veranlagungszeitraum eine auf bestimmten Vorgängen beruhende unzutreffende Steuererklärung abgegeben und ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet und bekanntgegeben worden ist. Die Einleitung braucht dabei die betreffende Steuerart und den betreffenden Veranlagungszeitraum nicht zu betreffen.

Die Sperrwirkung erstreckt sich nur auf den der Einleitung zugrunde liegenden Sachverhalt innerhalb des oben genannten Tatbegriffs im Sinne des § 370 AO bzw. die Handlung im Sinne des § 378 AO. Sie bezieht sich nicht auf die rechtliche Einordnung als Straftat oder Bußgeldtatbestand.

Hinweis:

Nach Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, weil sich z.B. keine Steuerverkürzung ergeben hat oder sich der Anfangsverdacht im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht bestätigt hat, lebt die Möglichkeit der Selbstanzeige hinsichtlich der nicht aufgedeckten Tat wieder auf.

4. Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c 1. Alternative AO)

Eine ansonsten wirksame Selbstanzeige führt gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1c 1. Alternative AO dann nicht zur Straffreiheit, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist.

Dieser Sperrgrund ist zeitlich dem Sperrgrund mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nachgelagert und stellt nach der Neuregelung des Selbstanzeigerechts nun den Ausnahmefall des Ausschlusstatbestandes dar. In der Praxis erhält der Sperrgrund immer dann Bedeutung, wenn die Bekanntgabe der Prüfungsordnung nicht nachgewiesen werden kann und der Amtsräger zur steuerlichen Prüfung bereits erschienen ist. Ferner hat der Sperrgrund seine Bedeutung, wenn der Amtströger zu einer steuerlichen Prüfung erscheinen ist, für die keine Prüfungsanordnung im Sinne des § 196 AO vorgeschrieben ist (z.B. bei der Umsatzssteuer-Nachschau gemäß § 27b UStG, der Lohnsteuer-Nachschau im Sinne des § 42g EStG oder den sogenannten Vorfeldermittlungen im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO).

Wer Amtsträger der Finanzbehörde ist, ergibt sich aus § 7 AO. Dies sind in der Regel alle Beamten oder Angestellten, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung für die Finanzbehörden wahrnehmen. Hierunter fallen:

  • Amts-Betriebsprüfer oder Prüfer der Groß- und Konzernbetriebsprüfung,

  • Umsatzsteuer-Sonderprüfer,

  • Lohnsteueraußenprüfer,

  • Zoll- und Steuerfahndungsbeamte sowie

  • Bearbeiter der Straf- und Bußgeldsachenstelle.

Hinweis:

Der Staatsanwalt und die Polizei stellen keine Amtsträger der Finanzbehörde im Sinne des § 7 AO dar. Sie können somit auch nicht zur steuerlichen Prüfung erscheinen.

Der Amtsträger ist immer dann im Sinne des Gesetzes zur steuerlichen Prüfung erschienen, wenn er physisch am Ort der beabsichtigten steuerlichen Prüfung, mithin der persönlichen Sphäre des zu Prüfenden, eingetroffen ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er die Büro- oder Praxisräume betreten hat.

Die widersprechenden Ansichten in der Literatur, ob bei einer visuellen Wahrnehmung des Amtsträgers vor dem Betriebsgelände bereits eine Sperrwirkung eingetreten ist oder ob dem Amtsträger doch noch auf der Straße vor dem Prüfungsort (z.B. vor der Haustür oder vor dem Betriebseingang) eine berichtigte Erklärung im Rahmen einer wirksamen Selbstanzeige übergeben werden kann, haben in der Praxis wenig Bedeutung. Da die bloße Ankündigung einer steuerlichen Prüfung per Schreiben oder per fernmündlicher Unterredung nicht für den Eintritt der Sperrwirkung im Sinne von § 371 Abs. 2 AO ausreicht, wird sich der Selbstanzeigewillige in dem Zeitraum vom Eingang der Prüfungsanordnung bis zum Prüfungsbeginn zusammen mit seinem steuerlichen Berater die positiven wie negativen Aspekte der Selbstanzeige überlegt haben. Wenn dann eine Selbstanzeige erstattet werden soll, wird er diese rechtzeitig vor Prüfungsbeginn schriftlich bei dem örtlich und sachlich zuständigen Finanzamt einreichen. Dies sollte jedoch sodann mit einem Hinweis auf die bevorstehende steuerliche Prüfung erfolgen, damit der Außenprüfer vom Sachverhalt Kenntnis erlangt.

Hinweis:

Für den Eintritt der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO ist es unerheblich, ob die Prüfung an einem anderen Ort, z.B. beim Steuerberater oder in den Räumen des Finanzamts, durchgeführt wird und der Prüfer dort zur steuerlichen Prüfung erscheint. Eine Prüfung an Amtsstelle erfolgt immer dann, wenn dem Steuerpflichtigen und seinem steuerlichen Vertreter keine geeigneten Geschäfts- und Büroräume für eine steuerliche Prüfung zur Verfügung stehen. In diesen Fällen wird der Prüfer zur steuerlichen Prüfung erscheinen, wenn die zur Prüfung angeforderten Unterlagen dem steuerlichen Prüfer zur Prüfung überbracht werden.

Sollte der Amtsträger in der Absicht beim Steuerpflichtigen erscheinen, dort zu prüfen, und trifft er den Steuerpflichtigen entgegen der getroffenen Vereinbarung nicht an, so ist die Sperrwirkung gleichwohl eingetreten. Für den Eintritt ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige oder der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen persönlich anwesend ist oder nicht; ebenso unerheblich ist es, ob dem Amtsträger am Ort der Prüfung geöffnet wird oder nicht. Die vorherige Anmeldung zur steuerlichen Prüfung ist keine Voraussetzung für den Eintritt der Sperrwirkung.

Der Amtsträger muss zur steuerlichen Prüfung erschienen sein. Er erscheint nicht zu einer steuerlichen Prüfung, wenn lediglich der Prüfungsbeginn persönlich abgesprochen werden soll, z.B. wenn der Amtsträger wegen Rückfragen bezüglich einer anderen steuerlichen Prüfung mit dem steuerlichen Berater spricht, der auch für diesen Steuerfall ein Mandat besitzt. Ferner tritt die Sperrwirkung noch nicht ein, wenn der Steuerpflichtige nur als Zeuge gehört oder ein Auskunftsersuchen vom Steuerpflichtigen beantwortet werden soll.

Steuerliche Prüfungen im Sinne des § 371 Abs. 2 AO sind im weitesten Sinne die Außenprüfungen im Sinne des § 193 AO. Es zählen jedoch auch alle weiteren Maßnahmen zur Erfassung und Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen dazu. Die Umsatzsteuernachschau nach § 27b UStG oder die Lohnsteuer-Nachschau im Sinne des § 42g EStG zählen ebenso wie eine einfache Nachschau nach § 88 AO zu den steuerlichen Prüfungen des § 371 Abs. 2 AO.

Hinweis:

Die neuerdings in der Vollstreckungspraxis immer häufiger vorkommenden Liquiditätsprüfungen zählen nicht zu den steuerlichen Prüfungen im Sinne des § 371 Abs. 2 AO, da sie allein die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerschuldners im Visier haben. Auch eine Richtsatzprüfung stellt keine steuerliche Prüfung für den Eintritt der Sperrwirkung dar.

Vorfeldermittlungen im Sinne des § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle stellen ebenfalls eine steuerlich Prüfung dar und können die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c 1. Alternative AO auslösen.

Die Sperwirkung des Erscheinens zur steuerlichen Prüfung erfasst nicht nur solche Steuerstraftaten, die vom Ermittlungswillen des erschienenen Amtsträgers erfasst sind. Es werden vielmehr auch solche Taten erfasst, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang ist nach Auffassung des BGH immer dann gegeben, wenn bei normalem Gang des Ermittlungsverfahrens erwartet werden kann, dass die bisher verschwiegenen Einkünfte ohnehin in die Überprüfung einbezogen würden (BGH 20.05.2010 – 1 StR 577/09, wistra 2010, 304). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn

  • bei gleicher Steuerart nur weitere Veranlagungszeiträume betroffen sind,

  • zusätzlich zu den nacherklärten Einkünften (Zinsen, Mieteinnahmen) auch die Herkunft des Kapitalstamms (unversteuerte Betriebseinnhamen, erbschafts- und schenkungssteuerliche Sachverhalte) oder

  • Wechselwirkungen zwischen den Steuerarten bestehen ( bei der Einkommensteuer gewinnerhöhende Betriebseinnahmen und bei der Umsatzsteuer steuerpflichtige Lieferungen/Leistungen).

Nach Abschluss der steuerlichen Prüfung lebt die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige wieder auf. Damit ist eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart wieder möglich, wenn die Steuerstraftaten bei der steuerlichen Prüfung nicht aufgedeckt und die Änderungsbescheide nach der steuerlichen Prüfung versandt und dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben worden sind. Für den Fall, dass die steuerliche Prüfung nicht zu einem steuerlichen Mehrergebnis geführt hat, lebt die Selbstanzeigemöglichkeit erst dann wieder auf, wenn dem Steuerpflichtigen gemäß § 202 Abs. 1 S. 3 AO mitgeteilt wird, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat. Die Schlussbesprechung gemäß § 201 AO führt nicht zum Ende einer steuerlichen Prüfung und somit nicht zum Ende der Sperrwirkung.

5. Erscheinen zur Ermittlung von Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c 2. Alternative AO)

Die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ansonsten wirksame Selbstanzeige führt dann nicht zur Straffreiheit, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist.

Der Amtsträger im Sinne des § 7 AO erscheint dann zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit, wenn er einem konkreten Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO nachgeht. In der Praxis erfolgt hierzu eine Durchsuchungsmaßnahme der Strafermittlungsbehörde, in diesem Falle durch die Bediensteten der Steuerfahndungsstelle. Diese erscheinen zur Ermittlung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit am Ermittlungsort und geben dem Beschuldigten des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auch die Einleitung des Strafverfahrens bekannt, sodass hier in der Regel die Sperrgründe aus § 371 Abs. 2 Nr. 1a 2. Alternative AO und § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nebeneinander vorliegen.

Die Amtsträger müssen zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit des Steuerpflichtigen erscheinen. Die Sperrwirkung aus § 371 Abs. 2 Nr. 1a 2. Alternative AO tritt nicht ein, wenn in Verbindung mit Steuerverkürzungen Dritter ermittelt wird.

Nach der Rechtsprechung tritt eine Sperrwirkung für solche Sachverhalte nicht ein, die zu dem Zeitpunkt der Ermittlungsmaßnahme, zu dem der Amtsträger zur Ermittlung erschienen ist, weder von dem Ermittlungswillen des Amtsträgers erfasst waren noch mit den bisherigen Ermittlungen in engem sachlichen Zusammenhang standen. Grundlage zur Bestimmung des Umfangs der Sperrwirkung ist der gesamte Inhalt der steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten und nicht nur der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses (BGH, 05.04.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219).

6. Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO)

Die mit der Selbstanzeige offenbarte Steuerstraftat wird gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO dann nicht straffrei, wenn eine der offenbarten unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder teilweise bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

Nach dem Wortlaut des Gestzes führt bereits die Entdeckung einer der offenbarten unverjährten Steuerstraftaten im Sinne des § 371 Abs. 1 AO im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige zur Unwirksamkeit der gesamten Selbstanzeige. Somit umfasst die Sperrwirkung auch die anderen offenbarten Steuerstraftaten, für die noch keine Tatentdeckung vorliegt. Dies führt unter anderem zum Ausschluss der früher häufig vorzufindenden Teilselbstanzeigen.

Der zur Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens führende Anfangsverdacht stellt keine Tatentdeckung im Sinne des Gesetzes dar. Die bloße Verdachtsschöpfung ist somit nicht ausreichend. Ebenfalls nicht ausreichend ist die bloße Gefahr sowie die hohe Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung. Für eine Tatentdeckung, die zum Eintritt des Sperrgrundes für eine straffreie Selbstanzeige führt, bedarf es wesentlich mehr. Für ein Entdecken muss zumindest ein Teil des wirklichen Tatgeschehens oder der Tatfolgen unmittelbar von dem die Tat Entdeckenden selbst wahrgenommen werden.

Bei vorläufiger Tatbewertung muss die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher sein als die Wahrscheinlichkeit eines Freispruches. Nach übereinstimmender Meinung muss ein hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO gegeben sein, der die Eröffnung des Hauptverfahrens zulassen würde. Eine abschließende Ermittlung der Tat ist jedoch nicht notwendig.

Neben der Entdeckung der objektiven Voraussetzungen der Tat müssen auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale und damit das vorsätzliche Verhalten des Tatbeteiligten entdeckt sein.

Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO auch dann eintritt, wenn eine der offenbarten, unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart lediglich bezüglich eines Teils der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale entdeckt worden ist. Eine Teilentdeckung einer dieser Taten ist somit bereits schädlich. Es bleibt jedoch hierfür der Tatbegriff an sich bestehen, nach dem die Abgabe einer unrichtigen/unvollständigen Steuererklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Steuererklärung/-anmeldung für einen Veranlagungszeitraum jeweils eine Tat darstellt.

Hinweis:

Allein aus der Nichtabgabe von Steuererklärungen oder von Voranmeldungen kann nicht auf eine Tatentdeckung geschlossen werden. Das Unterlassen einer Abgabe für sich gesehen genügt also nicht. Es müssen für eine Tatentdeckung die näheren Umstände des Einzelfalles bekannt sein, um eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles vornehmen zu können.

Als Tatentdecker im Sinne des Gesetzes kommt jede Person in Betracht, die bei entsprechender Kenntnis des Steuerstrafrechts das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit feststellen kann. Somit sind ausdrücklich nicht nur Amtsträger nach § 7 AO als Tatentdecker möglich. Privatpersonen kommen dann in Betracht, wenn zumindest damit zu rechnen ist, dass diese ihre Kenntnisse an die zuständige Behörde weiterreichen. Dies ist in der Praxis aber weniger häufig zu finden, da, wie bereits festgestellt, für eine Tatentdeckung auch bei diesem Personenkreis die spezielle Kenntnis über eine höhere Wahrscheinlichkeit der Verurteilung gefordert wird.

Die Frage, ob die Tat einem bestimmten Täter zuzuordnen sein muss, hat die Rechtsprechung dahingehend entschieden, dass die Kenntnis von der Person des Täters nicht erforderlich sein soll. Es reicht aus, wenn sie bestimmbar ist. Wobei sicherlich der Auffassung zu folgen ist, nach der bei einer Verkürzung von Personensteuern die Kenntnis von der Person des Täters an sich erforderlich ist. Das ergibt sich allein schon aus der notwendigen Kenntnis der subjektiven Tatbestandsmerkmale der Steuerverkürzung für die Tatentdeckung.

Praxistipp:

Bei einem Kapitaltransfer ins Ausland stellt die anhand der bei den Banken vorgenommene Identifizierung der Kunden und der erzielten Kapitaleinkünfte noch keine Tatentdeckung dar. Hierzu muss erst der Abgleich mit dem Inhalt der Steuerakte das vorsätzliche Handeln des Steuerpflichtigen in Bezug auf das Nichterklären der ausländischen Kapitaleinkünfte zeigen. Dies ist auch beim Aufgriff eines Steuerpflichtigen an der Grenze durch den Zoll so zu beurteilen, wenn der Zoll feststellt, dass der Steuerpflichtige Gelder im Ausland angelegt hat oder auch größere Mengen an Bargeld mitführt. Auch hier ist die Tat an sich noch nicht entdeckt.

Hinweis:

Kontrollmitteilungen stellen solange keine Tatentdeckung dar, solange nach den Feststellungen der Finanzbehörde nicht feststeht, dass die mitgeteilten Geschäftsvorfälle tatsächlich nicht der Besteuerung unterworfen worden sind. Anders ist der Sachverhalt jedoch zu beurteilen, wenn allein aufgrund der Kontrollmitteilung die Steuerhinterziehung schon feststeht. Hier ist von einer Tatentdeckung auszugehen.

Für den Eintritt des Sperrgrundes nach § 371 Absatz 2 Nr. 2 AO ist es weiterhin erforderlich, dass der Täter entweder positiv von der Entdeckung wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Entdeckung rechnen musste. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen bei verständiger Würdigung aufgrund seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit hinreichende Kenntnisse hatte oder den Schluss auf die Entdeckung seiner Tat hätte ziehen müssen.

Hinweis:

Aktualität gewinnt der Ausschlusstatbestand des Kennenmüssens der Tatentdeckung mit den Presseberichterstattungen seit den ersten Datenankäufen über Datenmaterial deutscher Kapitalanleger bei verschiedenen Bankhäusern im Ausland. Insbesondere die Berichterstattung über die schriftliche Mitteilung der Bankhäuser an ihre Bankkunden, dass die Daten des einzelnen Bankkunden in den angekauften Daten enthalten sind, führt dazu, dass der selbstanzeigewillige Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung rechnen musste. Zumal er ja Kenntnis davon hat, ob er die entsprechenden Kapitaleinkünfte in seiner Steuererklärung erklärt hat oder nicht.

Maßgeblich für die Tatentdeckung ist der Abgleich der (Daten-)Spur mit dem Inhalt der Steuerakte. Hat die Strafverfolgungsbehörde diesen Abgleich durchgeführt und eine Versteuerung nicht erkannt, so ist die Tat entdeckt. Den Zeitpunkt der Tatentdeckung und die Maßnahmen zur Tatentdeckung wird die Strafverfolgungsbehörde aus Gründen des Nachweises aktenkundig machen.

Auch hier gilt der Sperrgrund nur für den Tatbeteiligten, dem die Kenntnis von der Tatentdeckung oder ein mit der Tatentdeckung rechnen müssen nachgewiesen wird.

Ferner ist ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit auch in diesem Fall möglich, wenn zum Beispiel der Tatvorwurf tatsächlich von den Strafverfolgungsbehörden nicht aufgegriffen wird. Es ist jedoch fraglich, wie lange der Selbstanzeigewillige zu warten hat, bis er für eine wirksame Selbstanzeige nicht mehr mit der Aufnahme einer Strafverfolgung zu rechnen hat. Hier ist nach herrschender Meinung auf die Zeitdauer der üblichen Verfahrensabläufe zur Weitergabe, Aufnahme und Verfolgung ähnlich gelagerter straf- und bußgeldrechtlich relevanter Vorgänge abzustellen.

7. Betragsgrenze als Sperrgrund (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO)

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28.04.2011 (BGBl 2011 I Nr. 19, 676 ff.) ist mit Wirkung vom 03.05.2011 (Tag nach der Verkündung) der § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO als Sperrgrund für eine wirksame Selbstanzeige neu eingefügt worden.

Hiernach tritt Straffreiheit nicht ein, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 EUR je Tat übersteigt.

Hinweis:

Die Höhe des Betrages von 50.000 EUR je Tat orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zum Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zur Steuerverkürzung in großem Ausmaß (BGH 02.12.2008 – 1 StR 416/08, wistra 2009, 107).

Für die Beurteilung der Betragssgrenze ist auf die jeweilige materiell-rechtliche Tat abzustellen. Bei einem Überschreiten der Betragsgrenze tritt nach dem Wortlaut des Gesetzes allein für diese Steuerstraftat die Sperrwirkung ein und der Steuerstraftäter erlangt insoweit keine Straffreiheit. Die anderen offenbarten, unverjährten Steuerstraftaten, welche unter der Betragsgrenze von 50.000 EUR je Tat geblieben sind, können bei Vorliegen der übrigen (positiven wie negativen) Tatbestandsvoraussetzungen Straffreiheit im Sinne des § 371 AO erlangen, wenn sie gemäß § 371 Abs. 3 vollständig nachentrichtet worden sind.

Da die Vorschrift auf den Taterfolg der nach § 370 Abs. 1 AO verkürzten Steuer oder den für sich oder einen anderen erlangten nicht gerechtfertigten Steuervorteil abstellt, bleibt der Steuerstraftatbestand des § 370 Abs. 2 AO der versuchten Steuerhinterziehung bei diesem Sperrgrund außen vor.

Auch gilt der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO für eine wirksame Selbstanzeige nur für den selbstanzeigewilligen Täter, Mittäter oder Nebentäter einer Steuerhinterziehung und nicht für den Anstifter oder Gehilfen als Teilnehmer einer Steuerhinterzeihung.

Als Problem bei der Bemessung der 50.000 EUR- Grenze des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO erweist sich in der Praxis die Anwendung des im Steuerstrafrecht geltenden Kompensationsverbotes im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 3 AO, wonach eine Steuerverkürzung im strafrechtlichen Sinne auch dann gegeben ist, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Nach Auffassung der Finanzbehörden bezieht sich die betragsmäßige Wertgrenze des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nicht auf das steuerliche Mehrergebnis, sondern auf den steuerstrafrechtichen Verkürzungsschaden im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 AO. Somit ist das Kompensationsverbot im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 3 AO anzuwenden, auch wenn der steuerliche Schaden dadurch geringer ausfällt und die betragsmäßige Wertgrenze von 50.000 EUR je Steuerstraftat nicht überschritten wird.

Obwohl bei einem Überschreiten der Betragssgrenze von 50.000 EUR je Tat die Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO für diese Tat zu versagen ist, kann aufgrund der neu geschaffenen Einstellungsvorschrift des § 398a AO in diesen besonderen Fällen von einer Strafverfolgung abgesehen werden, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist

  1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und

  2. einen Geldbetrag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.

Zurück
Nach oben