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Steuerstraftat – Zuständigkeit

Normen

§§ 386 – 388 AO

Information

Bei den Steuerstraftaten findet sich:

  • die funktionelle Zuständigkeit nach § 386 AO,

  • die sachliche Zuständigkeit gem. § 387 AO sowie

  • die örtliche Zuständigkeit i.S.d. § 388 AO.

1. Zuständigkeit der Finanzbehörden bei Steuerstraftaten, § 386 AO

Ist im regulären Strafverfahren die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsbehörde, so übertragt § 386 AO die Ermittlungsbefugnis für das Steuerstrafverfahren auf die Finanzbehörde. In Ausübung dieser Ermittlungskompetenz nimmt die Finanzbehörde die Stellung der Polizei im allgemeinen Strafverfahren ein, ergänzt um einzelne weitere, für das Steuerstrafverfahren notwendige Befugnisse.

Die Finanzbehörde führt das Ermittlungsverfahren gem.§ 386 Abs. 2 AO in eigener Zuständigkeit ohne die Staatsanwaltschaft durch, wenn die Tat:

  • ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt oder

  • zugleich andere Strafgesetze verletzt werden, deren Verletzung jedoch Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen.

Diese besondere Ermittlungskompetenz des§ 386 Abs. 2 AO steht der Finanzbehörde in folgenden Fällen nicht zu:

  • Verletzung anderer Strafgesetze – auf die sich die selbstständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörden nicht erstreckt – innerhalb des einheitlichen Lebensvorgangs, der den Gegenstand der Untersuchung bildet (§ 264 StPO),

  • Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls gegen den Beschuldigten wegen der Tat,

  • Übernahme der Strafsache durch die Staatsanwaltschaft vor dem Abschluss der Ermittlungen gem. § 386 Abs. 4 S. 2 AO.

Die Finanzbehörde hat die Strafsache an die Staatsanwaltschaft gem. § 386 Abs. 4 Satz 1 AO abzugeben, wenn

  • die Anordnung der Untersuchungshaft (§§ 112, 113 StPO) geboten erscheint;

  • die Strafsache besondere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten aufweist;

  • der Beschuldigte außer einer Steuerstraftat oder einer ihr gleichgestellten Tat noch eine andere (prozessual selbstständige) Straftat begangen hat und die Taten in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden;

  • eine Freiheitsstrafe zu erwarten ist, die nicht im Strafbefehlsverfahren geahndet werden kann;

  • gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages und der gesetzgebenden Körperschaften der Länder, Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen, Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges eines NATO-Staates oder deren Angehörige sowie gegen Jugendliche, Heranwachsende bzw. vermindert Schuldfähige ermittelt wird;

  • ein Amtsträger der Finanzverwaltung der Beteiligung einer Steuerstraftat verdächtig ist.

2. Sachlich zuständige Finanzbehörde, § 387 AO

Die Finanzbehörde, welche die betroffene Steuer verwaltet, ist gem.§ 387 Abs. 1 AOsachlich für das Strafverfahren zuständig. Damit ist nicht jede Finanzbehörde zur Verfolgung jeder Steuerstraf- oder -bußgeldsache befugt. Eine Steuer ist dann im Sinne des Gesetzes betroffen, wenn sie verkürzt worden ist bzw. verkürzt werden sollte. Finanzbehörde i.S.d § 387 Abs. 1 AO ist nicht immer gleichzusetzen mit der für das Besteuerungsverfahren zuständigen und damit örtlich zuständigen Finanzbehörde i.S.d.§ 388 AO. § 387 AO bestimmt lediglich die Finanzbehörde der Art nach für sachlich zuständig.

Abweichend von § 387 Abs. 1 AO bestimmt Absatz 2, dass die Zuständigkeit durch Rechtsverordnung auf eine Finanzbehörde für den Bereich mehrerer Finanzbehörden übertragen werden kann. Hierzu müssen als besondere Zweckmäßigkeitsgründe entweder besondere Wirtschafts- und Verkehrsverhältnisse gegeben sein oder ein besonderer Aufbau der Verwaltungsbehörden bzw. andere örtliche Bedürfnisse vorliegen.

Dies ist zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen durch die Verordnung über die Bestimmung der Bezirke der Finanzämter für Konzernbetriebsprüfung, der Finanzämter für Betriebsprüfung der Land- und Forstwirtschaft, der Finanzämter für Großbetriebsprüfung, der Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung vom 12.09.1986 erfolgt. Zum 01.10.1986 wurden für Zwecke der Steuerstrafsachen und Steuerfahndung eigenständige Finanzämter mit eigener Zuständigkeit in der Funktion der Eingriffsverwaltung gegründet, das sog. Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (- STRAFA-FA -).

Hinweis:

Zwar überträgt § 387 AO die sachliche Zuständigkeit auf eine eigens durch Rechtsverordnung gegründete Eingriffsbehörde, jedoch bleibt gem. § 399 Abs. 2 S. 1 AO das Recht und die Pflicht der in diesem Bereich zusammengefassten Finanzbehörden unberührt, bei dem Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhindern. Sie können auch Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung anordnen.

Beispiel:

Während einer laufenden Betriebsprüfung treten steuerstrafrechtlich relevante Prüfungsfeststellungen auf, die den Betriebsprüfer vom Festsetzungsfinanzamt i.S.d. § 17 ff. AO dazu veranlassen, das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 397 AO einzuleiten.

3. Örtlich zuständige Finanzbehörde, § 388 AO

Sind mehrere Behörden funktionell und sachlich für Zwecke der Steuerstrafsachen und Steuerfahndung zuständig, so bestimmt § 388 AO die für die Verfolgung der Steuerstraftat örtlich zuständige Ermittlungsbehörde.

Demnach ist die Finanzbehörde örtlich zuständig,

  • in deren Bezirk die Steuerstraftat begangen worden ist, sog. Finanzbehörde des Tatorts (§ 388 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative AO);

    Die Straftat ist gem. § 9 StGB an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Demnach ist der Tatort bei der unrichtigen oder unvollständigen Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.d § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dort, wo der Beschuldigte die Steuererklärung/-anmeldung dem Finanzamt übermittelt. Bei der Nichtabgabe einer Steuererklärung/-anmeldung ist der Sitz des Finanzamts, bei dem sie abgegeben hätte werden müssen, der Tatort.

  • in deren Bezirk die Steuerstraftat entdeckt worden ist, sog. Finanzbehörde des Orts der Entdeckung (§ 388 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative AO)

    Eine Steuerstraftat ist dann entdeckt, wenn der Amtsträger einer Behörde i.S.d. § 7 AO mindestens einen Teil des wirklichen Tatgeschehens oder der Tatfolgen unmittelbar selbst wahrgenommen oder von einer anderen Behörde bzw. einem anderen Gericht erfahren hat. Demnach kann eine Privatperson eine Steuerstraftat nicht entdecken. Nach überwiegender Meinung muss der Täter für die Entdeckung der Tat noch nicht bekannt sein.

  • die zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens für die Abgabenangelegenheiten zuständig ist (§ 388 Abs. 1 Nr. 2 AO);

    Die Zuständigkeit eines Finanzamts für die Abgabenangelegenheit richtet sich nach § 16 AO für die sachliche und §§ 17 ff. AO für die örtliche Zuständigkeit.

  • in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens seinen Wohnsitz hat (§ 388 Abs. 1 Nr. 3 AO)

    Für den Wohnsitzbegriff ist nicht der§ 8 AO anzuwenden, sondern vielmehr der allgemeine Wohnsitzbegriff des BGB.

Alle genannten Anknüpfungspunkten für die örtliche Zuständigkeit stehen gleichwertig nebeneinander. Sollte eine Bestimmung nach § 388 Abs. 1 AO nicht möglich sein, so überträgt sich die örtliche Zuständigkeit

  • nach § 388 Abs. 2 S. 1 AO auf die Finanzbehörde in deren Bezirk der neue Wohnsitz liegt, wenn sich der Wohnsitz des Beschuldigten nach Einleitung des Strafverfahrens geändert hat;

  • nach § 388 Abs. 2 S. 2 AO auf die Finanzbehördedie für die Abgabenangelegenheit neu zuständig geworden ist, wenn sich die Zuständigkeit der Finanzbehörde für die Abgabenangelegenheit nach Einleitung des Strafverfahrens geändert hat;

  • nach § 388 Abs. 3 AO auf die für den gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständige Finanzbehörde, falls der Beschuldigte im räumlichen Geltungsbereich der Abgabenordnung keinen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO hat.

Hinweis:

Die Handlung einer örtlich unzuständigen Ermittlungsbehörde macht die Maßnahme nicht unwirksam (BFH, 02.07.1980 – I R 74/77, BStBl II 1980, 684).

Gem.§ 389 AO ist für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach § 388 AO zur Zuständigkeit verschiedener Finanzbehörden gehören würden, jede dieser Finanzbehörden zuständig. Unter den Begriff des Zusammenhangs i.S.d. § 3 StPO ist zu zählen, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

Ergeben sich nach den §§ 387 bis 389 AOmehrere zuständige Finanzbehörden, so soll gem. § 390 Abs. 1 AO abschließend die Behörde zuständig sein, die wegen der Tat zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat. Ist ein Zuständigkeitswechsel abweichend von diesem Grundsatz sachdienlich, so kann die eigentlich zuständige Finanzbehörde eine andere zuständige Finanzbehörde um Übernahme der Strafsache ersuchen. In Zweifelsfällen sollte vor der Abgabe eine Verständigung zwischen den beteiligten Finanzbehörden angestrebt werden ( Nr. 25 AStBV (St) 2014). Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Aufsichtsbehörde der ersuchten Finanzbehörde. Auf Bußgeldverfahren ist § 390 AO erst mit Überleitung in das Strafverfahren anzuwenden.

Gerichtlich ist für das Ermittlungsverfahren bei der Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung gem. § 162 Abs. 1 S. 1 StPO, § 46 OWiG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die ermittelnde Finanzbehörde oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat.

Siehe auch

SteuerstraftatSteuerstrafverfahrenSteuerhinterziehung

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