Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht die Verpflichtung, unverzinsliche Betriebsschulden mit 5,5 % abzuzinsen, für Wirtschaftsjahre bis einschließlich 2010 als verfassungsgemäß an. Mit Urteil vom 22.05.2019 – X R 19/17 hat er zudem einer nachträglich vereinbarten Verzinsung die steuerliche Anerkennung versagt.
Die Klägerin erhielt im Jahr 2010 für ihren Gewerbebetrieb von einem Bekannten ein langfristiges und zunächst nicht zu verzinsendes Darlehen über ca. 250.000 Euro. Während einer Außenprüfung, in der es um eine bilanzielle Gewinnerhöhung aufgrund der fehlenden Verzinsung ging, legten die Vertragspartner eine ab dem 01.01.2012 beginnende Verzinsung von jährlich 2 % fest. Später hoben sie den ursprünglichen Darlehensvertrag auf und vereinbarten rückwirkend ab 2010 eine Darlehensgewährung zu 1 % Zins. Das Finanzgericht (FG), das das Darlehen steuerlich dem Grunde nach anerkannte, ließ die nachträglich getroffenen Verzinsungsabreden bilanziell unberücksichtigt, so dass sich für das Streitjahr ein einkommen- und gewerbesteuerpflichtiger Abzinsungsgewinn ergab.
Der BFH bestätigte im Revisionsverfahren insoweit die Entscheidung der Vorinstanz. Durch das Abzinsungsgebot für unverzinsliche Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werde steuerlich berücksichtigt, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung weniger belaste als eine sofortige Leistungspflicht und mangels Gegenleistung für den Zahlungsaufschub nicht mit dem Nenn-, sondern dem geringeren Barwert zu passivieren sei. Zeitlich nach dem jeweiligen Bilanzstichtag getroffene Zinsabreden könnten – selbst wenn sie zivilrechtlich rückwirkend erfolgten – wegen des bilanzsteuerrechtlichen Stichtagsprinzips sowie des allgemeinen steuerlichen Rückwirkungsverbots erst für künftige Wirtschaftsjahre berücksichtigt werden.
Die von den Klägern gerügte Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG teilte der BFH für das Streitjahr nicht. Jedenfalls im Jahr 2010 habe sich das niedrigere Marktzinsniveau noch nicht derart strukturell verfestigt, dass es dem Gesetzgeber nicht noch zuzubilligen gewesen wäre, aus Vereinfachungsgründen an dem statischen Abzinsungssatz von 5,5 % festzuhalten. Der vergleichsweise heranzuziehende Zins am Fremdkapitalmarkt habe Ende des Jahres 2010 noch knapp unter 4 % gelegen.
Der BFH konnte in der Sache nicht abschließend selbst entscheiden und hat daher den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zu einem weiteren, von einem Schwager der Klägerin gewährten Darlehen hat das FG im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob dieses im Hinblick auf die Anforderungen an Angehörigenverträge überhaupt dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist.
(BFH, Pressemitteilung Nr. 65 vom 10.10.2019 zu Urteil vom 22.5.2019 – X R 19/17)