Grundsätzlich muss der Schuldner von Kapitalerträgen Kapitalertragsteuer einbehalten. Sind die Kapitalerträge beim Gläubiger Betriebseinnahmen und wäre die Kapitalertragsteuer aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher als seine gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer, ist der Steuerabzug nicht vorzunehmen. In diesem Fall kann der Gläubiger bei seinem Finanzamt eine Bescheinigung (sog. Dauerüberzahlerbescheinigung) beantragen und seinem Schuldner vorlegen (§ 44a Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG).
Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die Dauerüberzahlerbescheinigung auf die Namen der mittelbar über eine Personengesellschaft am Gläubiger der Kapitalerträge Beteiligten ausgestellt sein darf.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine GmbH & Co. KG ist. Hieran sind wiederum zwei Familienstiftungen beteiligt. Das für die beiden Stiftungen zuständige Finanzamt erteilte diesen auf Antrag Dauerüberzahlerbescheinigungen. Diese legten sie der Klägerin vor, die deshalb auf ihre Gewinnausschüttungen keine Kapitalertragsteuer einbehielt und abführte.
Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin einen Nachforderungsbescheid über die nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer. Die vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen erkannte es dabei nicht an, weil die beiden Stiftungen nicht Gläubiger der Kapitalerträge seien. Dies sei nach dem gebotenen zivilrechtlichen Verständnis vielmehr allein die GmbH & Co. KG.
Das Finanzgericht Münster hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den Kapitalertragsteuerabzug aufgrund der vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen unterlassen dürfen. Der Begriff des Gläubigers der Kapitalerträge im Sinne von § 44a Abs. 5 EStG sei nicht zivilrechtlich, sondern spezifisch steuerrechtlich auszulegen. Es komme nicht darauf an, wem zivilrechtlich der Kapitalertrag zustehe, sondern wer im steuerrechtlichen Sinne Einkünfte erzielt und zu wessen Lasten die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen sei. Bei Personengesellschaften seien dies die an ihr beteiligten Mitunternehmer.
Hierfür spreche auch, dass sich die Norm auf die gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer bezieht. Diese Voraussetzung wäre auf Personengesellschaften nicht anwendbar, da diese nicht einkommensteuerpflichtig seien.
Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wonach ein dauernder Zinsnachteil von Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Geschäfte auf Dauer weniger Steuer zu zahlen hätten, als ihnen in Gestalt des Zinsabschlags auf die Wertpapiererträge als Vorauszahlungen abgezogen wird, vermieden werden solle.
Soweit das Gesetz in § 44a Abs. 4a und 8a EStG Sonderregelungen für Personengesellschaften enthalte, stehe dies dem Ergebnis nicht entgegen. Diese Vorschriften fingierten den Eintritt einer Personengesellschaft in die Position des Gläubigers, was überflüssig wäre, wenn Personengesellschaften ohnehin als Gläubiger von Kapitalerträgen im Sinne von § 44a EStG verstanden würden.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2020 zu Urteil vom 27.11.2019 – 13 K 2902/19)