Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht zu dem mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 im Rahmen der Neuordnung des Reisekostenrechts neu eingefügten Satz 3 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes Stellung genommen.
Danach erfordert das Vorliegen eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte nunmehr neben dem bisherigen Merkmal „Innehaben einer Wohnung“ zusätzlich eine „finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ (des Haupthausstandes).
Diese Gesetzesverschärfung steht im Zusammenhang mit einer zuvor ergangenen bürgerfreundlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – und richtet sich ausweislich der Gesetzesbegründung gegen die steuerliche Anerkennung einer doppelten Hausführung in Fällen, in denen ledige Arbeitnehmer außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte – ggf. zusammen mit Geschwistern – eine unentgeltlich überlassene Wohnung oder ein Zimmer im Haus der Eltern bewohnen (sog. Mehrgenerationenhaushalte).
Eine solche Konstellation lag im Streitfall zugrunde. Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte im Streitjahr in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 Euro (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 Euro) sowie einen Betrag von 550 Euro (Beteiligung an der Fenstererneuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstandes in Höhe von 1.410 Euro getätigt hatte.
Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltführung ab, weil eine erforderliche Beteiligung an der laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden könne. Die Beteiligung an der Fenstererneuerung sei im Übrigen nicht verpflichtend gewesen.
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist dem entgegengetreten und hat der Klage stattgegeben. Dabei hat sich der Senat mit allen in der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Meinungen zu den neuen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der „finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ ausführlich auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kann mithin eine Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Danach sind – wie im Streitfall – auch einmalige oder außergewöhnliche Kostenbeiträge anzurechnen. Auf den Zahlungszeitpunkt – Anfang, Mitte oder Ende des Jahres – kommt es nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls nicht an. Die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen erfüllen danach das Merkmal der „finanziellen“ Beteiligung nicht. Im Ergebnis konnte der 9. Senat feststellen, dass sich der Kläger aber oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H., und damit erkennbar nicht unzureichend, an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten beteiligt hatte. Das beklagte Finanzamt hat mittlerweile die zugelassene Revision eingelegt. Diese ist unter dem Az. VI R 39/19 beim BFH anhängig.
Die entschiedenen Rechtsfragen dürften aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fallkonstellationen erhebliche praktische Relevanz haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 v.H. aller Haushalte in Deutschland sog. Mehrpersonenhaushalte mit zwei Generationen.
(FG Niedersachsen, Meldung vom 15.1.2020 zu Urteil vom 18.9.2019 – 9 K 209/18; BFH-Az. VI R 39/19)