Der 1. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hatte sich mit dem Zeitpunkt des Beginns einer Außenprüfung auseinanderzusetzen.
Die Klägerin reichte ihre Umsatzsteuererklärung 2015 im Jahr 2016 beim beklagten Finanzamt ein. Nachdem im Dezember 2020 bereits mit einer Außenprüfung für die Umsatzsteuer 2016 bis 2018 begonnen worden war, erweiterte der Prüfer den Prüfungszeitraum mit Schreiben vom 15.12.2020 (Eingang laut Kanzleistempel des Prozessbevollmächtigten am 21.12.2020) auf die Umsatzsteuer 2015. Als voraussichtlicher Prüfungsbeginn war der 21.12.2020 angegeben.
Mit Fax vom 18.12.2020, das auf die Erweiterung der Betriebsprüfung Bezug nahm, forderte der Prüfer bestimmte Unterlagen für 2015, wie Eingangs-/Ausgangsrechnungen, elektronische FiBu-Daten etc., an. Zudem bat er um die Beantwortung mehrerer, ausführlich formulierter Fragen für den Zeitraum 2016 bis 2018. Eine Frage betraf dabei die Errichtung und die Veräußerung von Bauten auf einem in 2015 erworbenen Grundstück.
Nach Abschluss der Betriebsprüfung im Jahr 2021 erließ der Beklagte einen geänderten Umsatzsteuerbescheid. Dagegen wandte die Klägerin ein, der Umsatzsteuerbescheid 2015 habe nicht geändert werden dürfen, da die reguläre Festsetzungsfrist am 31.12.2020 abgelaufen sei. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO greife nicht. Reine Vorbereitungshandlungen wie die Versendung einer Prüfungsanordnung bzw. die Anforderung allgemeiner Unterlagen mit Schreiben vom 18.12.2020 führten noch nicht zu einer Ablaufhemmung. Zudem seien in zeitlicher Hinsicht vor dem in der Prüfungsanordnung angegebenen Prüfungsbeginn, dem 21.12.2021, durchgeführte Tätigkeiten lediglich als Prüfungsvorbereitungen zu bewerten. Nach dem 21.12.2021 bis zum Jahresende seien aber keine Prüfungshandlungen vorgenommen worden.
Mit Urteil vom 08.07.2022 bejahte der 1. Senat dagegen eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist wegen der am 18.12.2020 begonnenen Außenprüfung. Die ergänzende Prüfungsanordnung vom 15.12.2020 und die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen vom 18.12.2020 wertete das Gericht als Beginn der Außenprüfung für die Umsatzsteuer 2015. Das Vorlageersuchen habe konkrete Ermittlungsmaßnahmen auch für das Jahr 2015 zum Inhalt gehabt und stelle insoweit eine Prüfungshandlung dar, die über eine bloße Vorbereitungshandlung hinausgehe.
Für eine Prüfungshandlung sei nicht erforderlich, dass der Prüfer auf einen bestimmten Einzelsachverhalt bezogene Unterlagen anfordere oder Fragen stelle. Anhaltspunkte für bloße Scheinhandlungen, die lediglich den Zweck verfolgten, die Ablaufhemmung herbeizuführen, konnte der Senat nicht ersehen. Unschädlich sei ferner, dass die tatsächliche Bekanntgabe der ergänzenden Prüfungsanordnung der Prüfungshandlung nachfolgte, denn für die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen, dass die Prüfung mit der Anforderung der Unterlagen am 18.12.2020 bereits begonnen habe.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat gegen das Urteil eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. V B 75/22 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.
FG Düsseldorf, Mitteilung vom 16.09.2022 zum Urteil 1 K 472/22 U vom 08.07.2022 (nrkr – BFH-Az.: V B 75/22)