Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts keinen Veräußerungsvorgang i. S. d. § 23 EStG, sondern einen von dieser Vorschrift nicht erfassten veräußerungsähnlichen Vorgang darstellt.

Der Klägerin wurde im Jahr 2008 im Wege eines Vermächtnisses ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewendet. Im Jahr 2012 überließ sie das Grundstück an eine Kommanditgesellschaft, an der sie selbst als Gesellschafterin beteiligt war. Die Mieteinnahmen stellten Sonderbetriebseinnahmen dar. Nachdem die Klägerin im Jahr 2018 aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einem Wert von 0 Euro in ihr steuerliches Privatvermögen und erfasste die Mieteinnahmen fortan als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im November 2019 verzichtete die Klägerin sodann gegen eine Entschädigungszahlung auf ihr Nießbrauchrecht.

Im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Ablösung des Nießbrauchs zu Einkünften i. S. v. § 23 EStG geführt habe. Die Entnahme des Nießbrauchrechts aus dem Sonderbetriebsvermögen habe zu einer Anschaffung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG geführt, sodass der entgeltliche Verzicht innerhalb der – aufgrund der Nutzung als Einkunftsquelle gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG verlängerten – zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt sei. Die Klägerin vertrat demgegenüber u. a. die Auffassung, dass das Nießbrauchrecht nicht veräußert, sondern – als nicht übertragbares Recht – lediglich abgelöst worden sei.

Der 6. Senat hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das Nießbrauchrecht stelle zwar als ein gegenüber dem Eigentum an der belasteten Sache verselbständigtes, dingliches Nutzungsrecht ein Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Auch seien Nießbrauchrechte einlage- und damit auch entnahmefähig, sodass die Klägerin das Nießbrauchrecht im Jahr 2018 gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG durch Entnahme ins Privatvermögen übernommen habe.

Durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 sei das Nießbrauchrecht jedoch nicht veräußert worden. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen. Eine „Veräußerung“ setze somit nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs, sondern auch einen Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut voraus. Davon abzugrenzen seien sog. veräußerungsähnliche Vorgänge – also die Erbringung eines Entgeltes dafür, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben werde. Da das Nießbrauchrecht gem. § 1059 BGB kraft ausdrücklich gesetzlicher Regelung nicht übertragbar sei, fehle es an einem Rechtsträgerwechsel. Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht führe nicht dazu, dass dieses Wirtschaftsgut an den Grundstückseigentümer (zurück) übertragen werde, sondern zu dessen Erlöschen. Insofern handele es sich um die endgültige Aufgabe eines Vermögenswertes in seiner Substanz und damit um einen veräußerungsähnlichen Vorgang.

Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge seien von § 23 EStG nicht erfasst. Hierfür spreche neben dem Wortlaut auch der Charakter des § 23 EStG, der als Ausnahmevorschrift im Rahmen des Dualismus der Einkunftsarten nur ausgewählte Wertveränderungen des Privatvermögens der Besteuerung unterwerfe. Hätte der Gesetzgeber auch veräußerungsähnliche Vorgänge von § 23 EStG erfasst wissen wollen, hätte er eine entsprechende Erweiterung der Norm vorgenommen. In § 23 EStG fehle jedoch eine entsprechende Vorschrift zu § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, durch die der Veräußerung verschiedene Ersatztatbestände gleichgestellt würden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2024 zum Urteil 6 K 2489/22 E vom 12.12.2023

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