Reihengeschäft

Normen

§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG

Abschnitt 3.14 UStAE

Information

Seit Einführung des Binnenmarktes ist die Behandlung von Reihengeschäften innerhalb der EG zu einem Problem geworden, da die deutsche Behandlung dieser Geschäfte von der Bewertung in anderen Mitgliedstaaten abwich. Dies führte dazu, dass eine Lieferung u.U. sowohl in Deutschland als auch in einem anderen Staat der Umsatzsteuer zu unterwerfen war. Zur Lösung dieser Schwierigkeit wurde die deutsche Rechtsauffassung ab dem 01.01.1997 ersatzlos gestrichen und entsprechend der Behandlung in den anderen Mitgliedstaaten neu geregelt. Eine Sonderregelung wurde für das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft in § 25b UStG zusätzlich eingefügt.

Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllen, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft.

Beispiel:

Der Einzelhändler B in Bochum bestellt bei seinem Großhändler G in Frankfurt Ware. Da G diese Ware nicht auf Lager hat, wendet er sich an den Hersteller H in München. Die Ware wird direkt von München nach Bochum befördert.

Lösung:

Solange alle Unternehmer im Inland tätig sind, ergeben sich bei dieser Abwicklung keine wesentlichen Probleme, alle Lieferungen unterliegen der Umsatzsteuer. Anders sieht es aus, wenn die Beteiligten in verschiedenen EG-Staaten oder in Drittstaaten ansässig sind. Handelt es sich um drei Unternehmer, die aus drei EG-Mitgliedstaaten kommen und wird die Ware von einem EG-Mitgliedstaat in einen anderen bewegt, liegt ein Fall des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts vor. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, weil z.B. mehr als drei Unternehmer beteiligt sind oder sie nur aus zwei Mitgliedstaaten kommen, greift die Sonderregelung des § 25b UStG nicht ein.

Allen Reihengeschäften ist gemeinsam, dass die tatsächliche Warenbewegung nur einer Lieferung zugeordnet wird, der so genannten bewegten Lieferung. Alle vorausgehenden oder folgenden Lieferungen sind ruhende Lieferungen. Diese Zuordnung ist entscheidend für die Bestimmung des Orts der Lieferung.

Eine Warenbewegung wird einer Lieferung nach folgenden Grundsätzen zugeordnet:

  • Befördert oder versendet der erste Unternehmer in der Reihe wird die Warenbewegung seiner Lieferung zugerechnet, sie ist die bewegte Lieferung, alle folgenden Lieferungen sind unbewegt;

  • Befördert oder versendet der letzte Unternehmer in der Reihe, wird die Warenbewegung der Lieferung an ihn zugerechnet, alle vorausgehenden Lieferungen sind unbewegt;

  • Befördert oder versendet ein Unternehmer in der Reihe, wird die Warenbewegung der Lieferung an ihn zugerechnet, es sei denn, er weist nach, dass er nicht als Abnehmer sondern als Lieferer tätig geworden ist. Vorausgehende und folgende Lieferungen sind unbewegt. Die Ortsbestimmung bei bewegten Lieferungen bleibt unverändert. Der Ort ist der, an dem sich die Ware zu Beginn der Beförderung oder Versendung befindet. Unbewegte Lieferungen, die der bewegten Lieferung vorangehen, werden dort ausgeführt, wo der Beginn der Beförderung oder Versendung ist. Unbewegte Lieferungen, die der bewegten Lieferung folgen, werden dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.

Beispiel:

Sachverhalt siehe oben

Lösung:

Befördert oder versendet H die Ware nach Bochum, ist die Lieferung von H an G die bewegte Lieferung, Ort der Lieferung ist München. Die Lieferung des G an B erfolgt in Bochum.

Befördert oder versendet B die Ware, ist Ort der Lieferung für beide Lieferungen München, da die Lieferung des G an B bewegt ist und die Lieferung H an G dieser Lieferung vorausgeht.

Befördert oder versendet G die Ware, gilt die Vermutung, dass die Lieferung H an G bewegt ist. G kann aber durch entsprechende Aufzeichnungen oder Belege nachweisen, dass eine andere Zurechnung vorzunehmen ist. Dazu können insbesondere die Lieferbedingungen (z.B. Kauf „ab Werk“, Lieferung „frei Haus“) maßgebend sein. Die Auswirkungen dieser Regelung ergeben sich aus folgendem

Beispiel:

F in Paris bestellt bei G in Frankfurt Waren, die dieser von H in München bezieht. G lässt die Ware durch einen Spediteur von München nach Paris versenden.

Lösung:

Nach der Vermutung ist die Lieferung des H an G die bewegte Lieferung, die dann eine innergemeinschaftliche Lieferung darstellt. Die Lieferung des H ist steuerfrei, wenn G mit seiner französischen USt-IdNr. auftritt. G muss in Frankreich den innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern, seine Lieferung an F ist in Frankreich erfolgt und unterliegt der französischen Umsatzsteuer. G hat somit erhebliche Mehrarbeit, insbesondere muss er in Frankreich einen Fiskalvertreter beauftragen, um seinen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Kann G nachweisen, dass die Versendung seiner Lieferung an den P zuzurechnen ist, wird die Abwicklung für ihn wesentlich einfacher. Die Lieferung des H an G ist in Deutschland erfolgt und unterliegt der deutschen Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug bei G. Die Lieferung an den P stellt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung dar, der Erwerb ist durch den P in Frankreich zu versteuern. G hat keinerlei Kontakt mit den französschen Finanzbehörden.

Beispiel:

G bestellt Waren bei F in Paris für seinen Kunden H in München, ein Spediteur bringt die Ware im Auftrag des G direkt von Paris nach München.

Lösung:

In diesem Fall sollte G nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, die bestehende Vermutung zu entkräften. Im Regelfall ist die Lieferung des F an G die bewegte Lieferung, sie erfüllt die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen steuerfreien Lieferung, G muss in Deutschland den Erwerb besteuern. Die anschließende Lieferung des G an H erfolgt in München und unterliegt der deutschen Umsatzsteuer mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs bei H. Würde die Warenbewegung der Lieferung des G an H zugerechnet, weil G durch entsprechende Unterlagen diesen Bezug nachweist, ist die erste Lieferung in Frankreich unbewegt. P rechnet mit französischer Umsatzsteuer ab. G muss sich wiederum in Frankreich registrieren lassen, ihm wird die französische Umsatzsteuer auf Antrag erstattet, außerdem erbringt er dort eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an H, die Erwerbsbesteuerung ist von H vorzunehmen.

Hinweis:

Aus den unterschiedlichen Lösungen der beiden Beispielsfälle ist zu ersehen, dass es bei Reihengeschäften darauf ankommt, die richtigen Entscheidungen bereits vor der Durchführung der eigentlichen Warenbewegung zu treffen, um späteren unnötigen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten zu vermeiden. Sinnvoll ist es im Regelfall, die Warenbewegung der Lieferung zuzuordnen, die zwischen Lieferer und Abnehmer in den beteiligten Mitgliedstaaten erfolgt. Soweit dies in Ausnahmefällen nicht möglich ist, sollten die beteiligten Unternehmer, wenn es die Zeit erlaubt, sich im Vorfeld über die steuerliche Behandlung verständigen.

Sind an einem Reihengeschäft zusätzlich Unternehmer aus Drittstaaten beteiligt, kann die steuerliche Abwicklung zu weiteren Schwierigkeiten führen.

Beispiel:

G in Frankfurt bestellt Ware bei dem Schweizer Händler S, der muss die Ware beim deutschen Hersteller H in München beschaffen, die Ware wird direkt von München nach Frankfurt transportiert.

Unabhängig davon, wer die Ware befördern oder versenden lässt, sind alle Lieferungen in Deutschland steuerpflichtig. Die jeweiligen Abnehmer können bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Dazu muss sich S in Deutschland steuerlich erfassen lassen, da die Vorsteuererstattung in diesen Fällen nur im Rahmen des normalen Besteuerungsverfahrens möglich ist.

Beispiel:

Der Schweizer S bestellt die Ware nicht bei H in München, sondern bei P in Paris. Der Warentransport erfolgt direkt von Paris nach Frankfurt.

Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch P, tätigt dieser eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an den S, sofern dieser nachweisen kann, dass er in Deutschland der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die nachfolgende Lieferung des S an G ist in Deutschland erfolgt und somit steuerbar und steuerpflichtig. Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch G, ist die Lieferung des P an S in Frankreich steuerbar und steuerpflichtig, die folgende bewegte Lieferung des S an G ist in Frankreich als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, G muss den innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern. Ist die Beförderung oder Versendung durch S erfolgt, ergeben sich die Folgen entsprechend den vorstehenden Alternativen je nach Zuordnung der Warenbewegung.

Hinweis:

Ein Unternehmer in der Reihe, der sowohl als Abnehmer als auch als Lieferer auftritt, muss in beiden Geschäften dieselbe USt-IdNr. verwenden.

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