Zerlegung – Sonderfälle

Normen

§§ 28 ff. GewStG

Abschn. 75 ff. GewStR

Information

1. Grundsätzliches

Der allgemeine Zerlegugnsmaßstab des § 29 GewStG kann in einigen Fällen nicht angewendet werden bzw. führt zu unbilligen Ergbnissen. Daher sehen die §§ 30 und 33 GewStG abweichende Zerlegungsregeln vor. Es ist nach einem anderen Zerlegungsmaßstab zu suchen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt als die Verteilung der Arbeitslöhne.

2. Mehrgemeindliche Betriebsstätte (§ 30 GewStG)

Erstreckt sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden (s. dazu R 30.1 GewStR 2009), hat das Finanzamt bei der Zerlegung ein weites Ermessen. § 29 GewStG ist in diesem Fall nicht anwendbar. Das Finanzamt hat daher unter Berücksichtigung der Lage der örtlichen Verhältnisse und der durch die Betriebstätte verursachten Gemeindelasten einen möglichst gerechten Aufteilungsschlüssel zu finden. Dies sollte im Benehmen mit den beteiligten Gemeinden und dem steuerpflichtigen Gewerbebetrieb wegen der unterschiedlichen Hebesätze geschehen.

3. Zerlegung in besonderen Fällen nach § 33 GewStG

3.1 Allgemeines

Auch unter Zugrundelegung des Maßstabes des § 29 GewStG (Zerlegung nach den gezahlten Arbeitslöhnen) können sich unzutreffende Ergebnisse ergeben. Sind diese „offenbar unbillig“ hat das Finanzamt einen Zerlegungsmaßstab anzuwenden, der „die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt“. Darauf hat das Finanzamt hinzuweisen. § 33 Abs. 2 GewStG sieht vor, dass bei einer Einigung zwischen den Gemeinden und dem Steuerschuldner über die Zerlegung der Steuermessbetrag nach dieser Einigung zu zerlegen ist. Ein Rechtsbehelfsverzicht ist nach Auffassung der Verwaltung mit dieser Einigung allerdings nicht verbunden (H 33.1, „Vereinbarter Zerlegungsmaßstab – Einigung aller beteiligten Gemeinden mit dem Steuerschuldner“, GewStH 2009).

Der gesetzliche Maßstab des § 29 GewStG ist nur dann von vornherein ungeeignet, wenn die Zerlegung wegen des Fehlens jeglicher Arbeitslöhne (in allen Betriebsstätten) nicht vorgenommen werden kann (BFH, 07.12.1994, I K 1/93, BStBl II 1995, 175).

Beispiel:

Bei Betreibern von Windkraftanlagen erhalten bei einer Zerlegung nach Arbeitslöhnen die Standortgemeinden u.U. keinen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag, wenn keine Arbeitnehmer am Ort der Windkraftanlage beschäftigt werden. Insbesondere Windparks werden in der Rechtsform von Organgesellschaften betrieben, während die Verwaltung und Organisation der Windkraftanlagen durch einen außerhalb der Standortgemeinde ansässigen Organträger stattfindet. Die Wartung und Reparatur der komplizierten elektrischen und mechanischen Windkraftanlagen wird in der Regel durch externe Fachfirmen durchgeführt, sodass in den Standortgemeinden keine Arbeitslöhne anfallen.

Lösung:
a) Mehrgemeindliche Betriebsstätte i.S.d. § 30 GewStG?
§ 30 GewStG dürfte ausscheiden. Für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte müssten die auf verschiedenen Gemeindegebieten liegenden Anlagen eine geschlossene wirtschaftliche Betriebliche Einheit bilden. Die Verbindung der einzelnen Anlagen durch das Stromnetz begründet diesen Zusammenhang nicht. Mit der Einspeisung in das Stromnetz ist die Aufgabe des Elektrizitätserzeugers abgeschlossen (FG Niedersachsen, 16.02.2006 – 6 K 457/04).

b) Unbilligkeit i.S.d. § 33 GewStG?
Fraglich ist, ob es als unbillig i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG erscheint, die Standortgemeinden der Windkraftanlagen nicht am Gewerbeertrag zu beteiligen. Bei dem Begriff der „Unbilligkeit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ein unbilliges Ergebnis liegt vor, wenn es einem oder mehreren Beteiligten bei objektiver Beurteilung nicht zugemutet werden kann, das nach den §§ 28 ff. GewStG ermittelte Ergebnis hinzunehmen (BFH, 24.07.1969 – IV B 125/64, BStBl II 1969, 688). Die Ungereimtheit muss ein erhebliches Gewicht haben sowie eindeutig und auffällig sein (BFH, 26.08.1987 – I R 376/83, BStBl II 1988, 201). Infolge der Besonderheiten des Einzelfalls muss ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Anteil der den einzelnen Gemeinden erwachsenden Lasten und dem ihnen zugewiesenen Zerlegungsanteil bestehen (BFH, 09.10.1975 – IV R 114/73, BStBl II 1976, 123). Dieses Missverhältnis muss offenbar sein, also für jeden mit der Sache befassten Dritten auf der Hand liegen und des Weiteren für die Gewerbesteuerzerlegung atypisch sein (BFH, 26.08.1987 – I R 376/83, BStBl II 1988, 201).

Macht eine Gemeinde, auf deren Gebiet eine Windkraftanlage unterhalten wird, die von einem in einer anderen Gemeinde ansässigen Unternehmen betrieben wird, ohne dort Arbeitnehmer zu beschäftigen, im Verfahren der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags des Betreibers geltend, der allgemeine Zerlegungsmaßstab des § 29 GewStG sei nicht anzuwenden, da die mit der Errichtung und dem Betrieb der Anlage regelmäßig verbundenen Schwertransporte und dadurch ausgelösten Schäden am gemeindlichen Straßen- und Wegenetz zu einem offenbar unbilligen Ergebnis i.S. von § 33 Abs. 1 GewStG führten, obliegt ihr eine konkrete Darlegung des Umfangs und der Intensität der Schwertransporte und der daraus im Erhebungszeitraum resultierenden Schäden.

Die Finanzverwaltung bejahte bei Zugrundelegung des § 29 GewStG (Aufteilung nach Arbeitslöhnen) die Anwendung des § 33 GewStG, da regelmäßig an den Standorten der Windkraftanlagen keine Arbeitslöhne gezahlt werden (OFD Düsseldorf, 15.03.2004 – G 1450 A – St 142). Als Zerlegungsmaßstab sollten in diesen Fällen zu 50 % die Arbeitslöhne und zu 50 % das Anlagevermögen nach Steuerbilanzwerten zugrunde gelegt werden. Frühere Vereinbarungen mit abweichenden Zerlegungsmaßstäben könnten weiter geführt werden.

Negative Auswirkungen der Windkraftanlage auf das Orts- und Landschaftsbild, auf den Wert von Wohngrundstücken und auf den Tourismus in der Standortgemeinde begründen allerdings nach der BFH-Rechtsprechung keinen von § 29 GewStG abweichenden Zerlegungsmaßstab (BFH, 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl II 2007, 836).
Nach der Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt ist das Urteil über den Einzelfall hinaus anzuwenden. Es muss daher ggf. mit erheblichen gewerbesteuerlichen Mehrbelastungen gerechnet werden, da der Gewerbesteuerhebesatz der Geschäftsführungsgemeinde häufig erheblich über dem der Standortgemeinde liegt.

Eine unterbliebene Zerlegung mangels angefallener Arbeitslöhne in den Betriebsstättengemeinden stellt keinen atypischen Fall i.S.d. § 33 GewStG dar (BFH, 05.10.1965, I B 387/62 U, BStBl III 1965, 668).

Beispiel:

Einrichtungen zur Messung von Lärmemissionen eines Verkehrsflughafens stellen zwar nach Auffassung des BFH eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO dar. Sie „dienen“ auch dem Unternehmen. Wegen des fehlenden räumlichen Zusammenhangs wurde aber eine mehrgemeindliche Betriebsstätte verneint, wenn eine Verbindung mit den Lärmmessstationen (Datenübertragung) nur über allgemeine Kommunikationsleitungen besteht. Ein Anteil an der GewSt der betroffenen Gemeinden wurde auch deshalb verneint, da in den Messstationen keine Arbeitnehmer beschäftigt wurden, nach deren Löhnen eine Zerlegung hätte erfolgen können. Auch für einen abweichenden Zerlegungsschlüssel infolge anderweit „offenbar unbilligen“ Ergebnisses (§ 33 GewStG) erkannte der BFH keinen Grund (BFH, 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl II 2010, 492, BFH/NV 2010, 753).

3.2 Besonderer Aufteilungsmaßstab für Windenergieanlagenbetreiber ab 2009

Aufgrund der dargestellten Schwierigkeiten wurde durch das JStG 2009 in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG speziell für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Windenergie ein besonderer Zerlegungsmaßstab eingeführt. Die Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrags erfolgt danach zu 70 % nach dem Sachanlagevermögen und zu 30 % nach den Arbeitslöhnen. Der Gesetzgeber reagierte damit auf das Urteil des BFH vom 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl II 2007, 836, in welchem für eine Zerlegung ausschließlich auf die Arbeitslöhne abgestellt wurde. Ab 2009 können nun auch die Gemeinden, in denen die Windräder stehen, aber oft kaum Arbeitslöhne anfallen, einen Teil der anfallenden Gewerbesteuer vereinnahmen (§ 29 Abs. 1 GewStG). Der Vorteil der Neuregelung besteht für die Unternehmen in der ausreichenden Planungs- und Rechtssicherheit.

Hinweis:

Eine Besonderheit ist bei Windparks zu beachten, die in der Rechtsform der GmbH & Co KG betrieben werden und bei denen weder die Kommanditgesellschaft noch der Komplementär eigene Mitarbeiter haben. Nach § 31 Abs. 5 GewStG ist bei Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben werden, für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) ein Betrag von insgesamt 25.000 EUR anzusetzen. Die Komplementär-GmbH gilt insoweit auch als Mitunternehmerin, für die bei der Zerlegung nach Arbeitslöhnen 25.000 EUR zu berücksichtigen sind. Dies gilt unabhängig davon, dass es sich um eine juristische Person handelt und diese selbst keine Mitarbeiter beschäftigt. Im Ergebnis würde damit der Gewerbesteuermessbetrag zu 70 % auf die Standortgemeinde und zu 30 % auf die Geschäftsführungsgemeinde entfallen. Damit besteht in Zukunft weiterhin das Risiko, dass ein Teil des Gewerbesteuermessbetrages auf die ggf. höher besteuernde Geschäftsführungsgemeinde entfällt. Dies gilt nach § 7 Satz 2 GewStG ggf. auch für einen gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsgewinn bei Verkauf der Anteile an einen Investor.

Praxistipp:

Besondere Aufmerksamkeit ist den Altfällen zu widmen, insbesondere, wenn Anteile an einer Betreibergesellschaft, die meistens in der Form der GmbH & Co KG geführt wird, erworben werden sollen. Wurde keine Vereinbarung mit den Gemeinden nach § 33 Abs. 2 GewStG geschlossen, die auch 2009 oder später weiter gilt, muss damit gerechnet werden, dass bis 2008 die volle Besteuerung durch die Geschäftsführungsgemeinde greift.

Im Rahmen von Kaufverträgen über Anteile an der Betreibergesellschaft sollte dies nach vorheriger genauer Untersuchung ggf. durch Steuerklauseln abgedeckt werden.

Soweit steuerliches Abschreibungspotential vorhanden ist (z.B. Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7g EStG) sollte dieses genutzt werden, um dem Risiko einer höheren Gewerbebesteuerung aufgrund einer nachteiligen Gewerbesteuerzerlegung zu entgehen.

3.3 Erweiterung auf solare Strahlung sowie auf Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien (Jahressteuergesetz 2013)

Nach dem JStG 2013 war die Ausweitung der bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags von Windkraftanlagenbetreibern bestehenden Sonderregelung auf solare Strahlungsenergie sowie auf alle Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG) vorgesehen. Die Neuregelung sollte nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2013 anzuwenden sein. Für die Erhebungszeiträume 2013 – 2022 war bei Betrieben, die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus solarer Strahlungsenergie betreiben, eine Übergangsregelung vorgesehen. Der Übergangszeitraum sollte am 31.12.2021 enden.

Der Bundestag hatte das Jahressteuergesetz 2013 am 25.10.2012 beschlossen. Am 23.11.2012 versagte der Bundesrat seine Zustimmung zum Gesetz. Daraufhin rief die Bundesregierung am 28.11. den Vermittlungsausschuss an. In namentlicher Abstimmung hat der Bundestag am 17.01.2013 den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 12.12.2012 (17/11844) zum Jahressteuergesetz 2013 abgelehnt. Damit kann das Gesetz nicht in Kraft treten.

4. Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG

Aufgrund des ungeklärten Aufteilungsmaßstabs ist die Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG, an der die erhebungsberechtigten Gemeinden und der Steuerpflichtige beteiligt sein müssen, vorzuziehen. Sie dürfte auch noch rückwirkend bis zur Bestandskraft des Zerlegungsbescheids möglich sein. Sie ist bindend für das Finanzamt (R 33.1 Abs. 2 GewStR 2009). Im Zerlegungsbescheid hat das Finanzamt auf die Anwendung des § 33 GewStG hinzuweisen.

Die Bindungswirkung ist „unbedingt“, d.h. die Gewerbesteuerzerlegung ist auch dann nach Maßgabe der Einigung vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 30 bzw. § 33 GewStG nicht erfüllt sind. Entgegen H 33.1, „Vereinbarter Zerlegungsmaßstab – Einigung aller beteiligten Gemeinden mit dem Steuerschuldner“, GewStH 2009 muss die Einigung auch für den Steuerpflichtigen Bindungswirkung haben, es sei denn, er trägt mit seinem Einspruch vor, dass der daraufhin ergangene Bescheid nicht der Einigung entspricht.

5. Zerlegung bei Gebietsänderungen

Kommt es z.B. zu einem Zusammenschluss von zwei Gemeinden, galten bisher oft unterschiedliche Hebesätze in den früher selbstständigen Kommunen. Deshalb kann die jeweilige Landesregierung für eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen (§ 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG). Die Fortgeltung des gemeindlichen Hebesatzrechtes würde ins Leere laufen, wenn nicht auch die Zerlegungsregelungen (§§ 28 ff. GewStG) für diesen Fall weiter gelten würden. Dies wird durch § 16 Abs. 4 Satz 4 GewStG sichergestellt, indem angeordnet wird, dass an die Stelle mehrerer Gemeinden die Gebietsteile der Gemeinde mit verschiedenen Hebesätzen treten.

Siehe auch

BetriebsstätteZerlegung

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