Forderungsmanagement – Phasen
Inhaltsübersicht
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1. Überblick
Forderungsmanagement bezeichnet zunächst den planvollen Umgang mit Forderungen des Unternehmens. In einem weiten Verständnis umfasst der Begriff sämtliche Aufgaben, die bei der Forderungsentstehung und der Forderungsbearbeitung anfallen.
Im Rahmen der Forderungsentstehung geht es primär um Risikovermeidung bzw. Risikobegrenzung von Forderungsausfällen. Demgegenüber steht bei der Forderungsbearbeitung die Erfassung und Durchsetzung von Forderungen aufgrund einer Leistungsbeziehung im Fokus, weshalb man sie auch als Forderungsmanagement i. e. S. bezeichnet. Für die hier dargestellte weitere Fassung des Forderungsmanagements sind insbesondere finanzwirtschaftliche Gründe ausschlaggebend:
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Das Forderungsmanagement dient der Gewährleistung der unternehmerischen Liquidität durch Sicherung von Zahlungseingängen und Vermeidung von Zahlungszielüberschreitungen.
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Es führt zu einer Reduzierung der Kapitalbindung in Form von Kundenkrediten.
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Zinsverluste und Rentabilitätseinbußen aufgrund von Wertberichtigungen und Abschreibungen infolge von Forderungsausfällen lassen sich weitestgehend vermeiden.
Mit den kundengerichteten Maßnahmen des Forderungsmanagements werden überdies Kundenbeziehungen tangiert. Daher müssen zugleich auch Ziele in Bezug auf das Kundenbeziehungsmanagement verfolgt werden, etwa
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der Erhalt bzw. die Sicherung von langfristig ökonomisch attraktiven Kundenbeziehungen und
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damit verbunden die Maximierung zukünftiger Umsatz- und Deckungsbeitragspotenziale sowie
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die Sicherung von Kundenzufriedenheit.
Zwischen den eher kurzfristigen finanzwirtschaftlichen Zielen und den eher langfristigen kundenbezogenen Zielen besteht tendenziell ein Zielkonflikt. So macht eine Minimierung von Forderungsausfällen eine restriktive Bonitätsprüfung und eine schnelle Beendigung der Geschäftsbeziehung mit säumigen Schuldnern erforderlich. Demgegenüber sind für eine Deckungsbeitragsmaximierung in der Regel auch größere Risiken bei der Akquisition neuer Kunden und ein großzügiger Umgang mit offenen Forderungen in Kauf zu nehmen. Dieser Zielkonflikt muss so gemanagt werden, dass das Unternehmen seinen langfristigen Gewinn insgesamt maximieren kann.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, umfasst das Forderungsmanagement im weiteren Sinne sechs Phasen: Bonitätsprüfung, Vertragsgestaltung, Rechnungsstellung, Zahlungsabwicklung, Mahnen und Inkasso und schließlich Informationsmanagement. Hierbei lässt sich grob zwischen präventivem und reaktivem Forderungsmanagement unterscheiden.
Inhalt des präventiven Forderungsmanagements ist zum einen die Gestaltung hinsichtlich der Bonitätsrisiken durch eine systematische Bonitätsprüfung und ein effektives Vertragsmanagement. Ferner beinhaltet dieser Bereich die Phase der Rechnungsstellung. Das reaktive Forderungsmanagement ist zeitlich nachgelagert und umfasst die Phasen Zahlungsabwicklung, Mahnung und Inkasso sowie das Informationsmanagement und Berichtswesen im Unternehmen.
2. Die verschiedenen Phasen beim Forderungsmanagement
2.1 Bonitätsprüfung
Die Bonitätsprüfung bildet im Rahmen des präventiven Forderungsmanagements das erste Element, mit dessen Hilfe Risiken des Zahlungsausfalls und der Zahlungsverzögerung von potenziellen, aber auch von existierenden Kunden eingeschätzt werden. Basis dieses Prozesses ist die Formulierung von Bonitätsanforderungen, deren konkrete Ausgestaltung die im Unternehmen vorherrschende Risikoeinstellung widerspiegeln sollte.
Die Bonitätsprüfung hat diesbezüglich zwei Teilaufgaben zu erfüllen:
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Feststellung des Bonitätsrisikos
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Festlegung einer maximalen Kredithöhe
Im ersten Fall geht es vor allem darum, Kunden mit hohem Termin- oder Ausfallrisiko möglichst frühzeitig zu identifizieren. Auf dieser Grundlage kann dann die Aufnahme der Geschäftsbeziehung ggf. abgelehnt oder die Bedingungen einer Bestellung entsprechend angepasst werden. Bei dieser Entscheidung sind im Wesentlichen der Kundenrisiko-Score, die Forderungshöhe und die Kundenprämie zu berücksichtigen.
Entscheidend für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen ist der Kundenrisiko-Score, der das Ausfallrisiko des Kunden zum Ausdruck bringt. Hierzu wird untersucht, welche Kundenmerkmale mit welcher Wahrscheinlichkeit Prädikatoren für den Forderungsausfall sind. Außerdem sollten Informationen von Auskunfteien (z. B. Schufa) genutzt werden, da diese Rückschlüsse auf die Bonität eines potenziellen Kunden zulassen.
Zur Bestimmung des Ausfallrisikos muss die Ausfallwahrscheinlichkeit, die im Kundenrisiko-Score zum Ausdruck kommt, mit der zu erwartenden Forderungshöhe multipliziert werden. Dies macht eine Einschätzung über die Höhe der zukünftigen Forderungen bzw. über das maximale Kreditvolumen erforderlich.
Wenn Unternehmen neben den Werbeaufwendungen i. e. S auch Kundenprämien zur Neukundengewinnung einsetzen, etwa indem ein Kunde bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags noch ein Handy erhält, erhöht dies den kundenspezifischen Verlust bei einem Forderungsausfall.
Ermittlung des Gesamtrisikos
K + Σ Ai * Fi < CLTV
K = Kosten der Kundenprämie
Ai = Wahrscheinlichkeit des Ausfalls der Forderung i
Fi = Höhe der Forderung i
CLTV = erwarteter Customer Lifetime Value
Das Gesamtrisiko des Kunden ergibt sich schließlich aus der in voriger Abbildung dargestellten Beziehung zwischen Kundenrisiko-Score, Forderungshöhe und Kundenprämie. Diesem Risiko ist der wahrscheinlich erzielbare Gewinn über die Gesamtdauer der Geschäftsbeziehung – der sogenannte Customer Lifetime Value (CLTV) – gegenüberzustellen. Hierzu werden die Lebensdauer der Kundenbeziehung und die in diesem Zeitraum erzielbaren Deckungsbeiträge geschätzt. Der Kunde wird akzeptiert, wenn die gesamten wahrscheinlichen Ausfallkosten geringer sind als der wahrscheinliche Customer Lifetime Value. Als Ergebnis dieser Betrachtung lassen sich die Kunden in die Segmente
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attraktive Kunden, bei denen das Risiko kleiner ist als der erwartete CLTV,
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risikoneutrale Kunden, deren Risiko sehr nahe am erwarteten CLTV liegt,
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riskante Kunden, die aufgrund vorhandener Informationen ein sehr hohes Ausfallrisiko zeigen, und
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unerwünschte Kunden, die mögliche Betrugsmerkmale aufweisen,
einteilen. Für diese verschiedenen Segmente sind auf der Basis des festgestellten Bonitätsrisikos Entscheidungen über die entsprechenden Kreditlimits zu fällen. Für attraktive Kunden sind somit höhere Kreditlinien einzuräumen als für risikoneutrale Kunden. Bei riskanten Kunden wird man in der Regel von der Einräumung von Zahlungszielen absehen und ggf. auf Vorkasse bestehen.
2.2 Vertragsgestaltung
Die Vertragsgestaltung ist das wohl kostengünstigste Instrument, um einem möglichen Zahlungsverzug und Forderungsausfall entgegenzuwirken, da sich durch eine intelligente Formulierung des Vertragstextes viele Gründe für eine nicht rechtzeitige Zahlung ausschließen lassen. Zu nennen sind hier die Kreditsicherungsmittel wie der Eigentumsvorbehalt, die Sicherungszession, die Sicherungsübereignung, die Grundschuld oder die Hypothek sowie Zahlungsbedingungen.
2.3 Rechnungsstellung
Hat das eigene Unternehmen seine Leistungen vertragsgemäß erbracht, ist eine zeitnahe Rechnungsstellung von hoher Relevanz. Gerade diese Phase des reaktiven Forderungsmanagements wird in vielen kleinen und mittelständischen Betrieben jedoch recht nachlässig gehandhabt. Dies ist schon deswegen bedauerlich, weil hierin ein vom Unternehmen selbst verschuldeter und somit vermeidbarer Grund für die lange Dauer bis zum Zahlungseingang zu sehen ist.
Da Reklamationen die Hauptursache für lange Zahlungszeiträume sind, ist es darüber hinaus von Bedeutung, dass die Rechnungsstellung korrekt und vollständig vorgenommen wird. Maßnahmen hierfür können zum Beispiel
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die Vorgabe strenger Definitionen der Rechnungsposten,
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die Durchführung gezielter Schulungen und
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eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Vertrieb und Abrechnungsabteilung sein.
Speziell bei komplexen Rechnungen mit einer Vielzahl von Positionen kann es ferner sinnvoll sein, eine Aufsplittung in mehrere Teilrechnungen vorzunehmen. Da es bei komplexen Rechnungen aufgrund langer Prüfungszeiten durch den Kunden häufig zu starken Zahlungsverzögerungen kommen kann, werden die durch das Erstellen mehrerer Rechnungen entstehenden Mehrkosten durch den eingesparten Zinsaufwand häufig mehr als kompensiert.
2.4 Zahlungsabwicklung
Gegenstand der Zahlungsabwicklung ist in erster Linie die Risikoüberwachung. Zahlungseingänge sind kontinuierlich zu prüfen und die Risikobeurteilungen der Kunden auf Basis neuer Informationen gegebenenfalls anzupassen.
Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen gibt es in dieser Phase des Forderungsmanagements noch erhebliches Optimierungspotenzial. Bedingt durch Arbeitsüberlastung der zuständigen Mitarbeiter werden Zahlungseingänge oft nur sporadisch und in zu langen Zeitabständen kontrolliert. Diesem Verhalten begegnen viele Schuldner mit Zahlungsverschleppung. Bei den betroffenen Unternehmen resultieren aus dieser Nachlässigkeit hohe Folgekosten und eine überdurchschnittlich hohe Forderungsausfallquote.
Dabei stehen gerade in dieser Phase des reaktiven Forderungsmanagements umfassende, einfache und kostengünstige Systeme zu Arbeitserleichterung zur Verfügung, wie zum Beispiel „Aging-Listen“, die die Rechnungen nach Fälligkeitsdatum geordnet aufführen.
2.5 Mahnen & Inkasso
In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen werden Mahnen und Inkasso als schwierige Angelegenheit angesehen. Wie eingangs erwähnt, besteht tendenziell zwischen den Wünschen nach einem zügigen Zahlungseingang und nach einer guten Geschäftsbeziehung ein Zielkonflikt. Insbesondere bei sensiblen Geschäftsbeziehungen und strategisch wichtigen Großkunden werden Forderungen daher häufig nur unzureichend bearbeitet und nicht nachdrücklich genug eingefordert.
Dennoch ist es in dieser Phase des Forderungsmanagements besonders wichtig, die Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, die Schritte des Mahnens und Inkassos jedoch bei jedem Kunden konsequent anzuwenden. Gerade die Forderungen an Großkunden machen in der Regel einen bedeutenden Anteil am gesamten Forderungsvolumen aus und sind – zumindest bei kumuliertem Auftreten von Zahlungsverzögerungen und Forderungsausfällen – in der Lage, das Unternehmen in eine existenzbedrohliche Lage zu manövrieren.
Um verschiedene Kunden schnell, aber trotzdem individuell anzusprechen, besteht beispielsweise die Möglichkeit, nach Kundenklassen differenzierte Mahnstrategien zu entwickeln. Diese sind der strategischen Bedeutsamkeit der Geschäftsbeziehung zum Beispiel hinsichtlich
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der Anzahl der Mahnungen,
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der Schärfe des Tons,
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des zeitlichen Mahnungsturnus und
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der Folgemaßnahmen
anzupassen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, im Unternehmen verbindliche Verhaltensregeln einzuführen, aus denen das konkrete Vorgehen im Verzugsfall hervorgeht und die konkrete Maßnahmen vorschreiben.
Debitorenlaufzeiten lassen sich auch dadurch effektiv verkürzen, dass das Forderungsmanagement aktiv auf die säumigen Zahler zugeht. Eine Möglichkeit, um auch in KMU die hierzu nötigen zeitlichen und personellen Kapazitäten zu schaffen, besteht in einer effizienteren Gestaltung der administrativen Abläufe. Hierzu reichen oft einfache organisatorische Maßnahmen wie die Bündelung einzelner Tätigkeiten, das Aufstellen verbindlicher und einheitlicher Regeln sowie die Bereitstellung von Hilfsmitteln, wie z. B.
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das automatische Erstellen von Mahnschreiben,
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die Dokumentation von Kontakten und
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die Schaffung entsprechender Kommunikationsgrundlagen innerhalb des Unternehmens.
2.6 Informationsmanagement und Berichtswesen
Ein effektives Informationsmanagement ist im Wesentlichen mit den beiden folgenden Vorteilen verbunden: Es gibt zum einen Aufschluss über den aktuellen Zustand des Debitorenmanagements im Unternehmen und die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen. Zum anderen lässt sich das Kundenportfolio hinsichtlich Risiko und Potenzial-Dimension auf einem aktuellen Stand dokumentieren.
Im Rahmen des Forderungsmanagements ist auch das Berichtswesen nicht zu vernachlässigen, welches die Aufgabe hat, die Lage des Unternehmens hinsichtlich des aktuellen Forderungsstands darzustellen und mögliche Risiken aufzuzeigen. Wie differenziert ein solches Berichtswesen sein sollte, hängt insbesondere von der Unternehmensgröße, der Anzahl und Größe der Kunden und dem Forderungsvolumen ab. Allerdings ist es schon bei Unternehmen von relativ überschaubarer Größe durchaus angebracht, einen grundlegenden Bericht einzuführen, der über die aktuelle Höhe des Forderungsbestands und der Forderungsausfälle sowie über deren zeitliche Entwicklung informiert. Bei größeren Unternehmen ist es darüber hinaus sinnvoll, Kennzahlen einzuführen, aus denen der aktuelle Zustand des Debitorenmanagements hervorgeht. Als typische Kennzahlen für das Forderungsmanagement bieten sich zum Beispiel die Debitorenlaufzeit (Days Sales Outstanding), der Anteil überfälliger Forderungen oder die Forderungsausfallrate an.
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