Produktionsterminierung
Die zeitliche Koordinierung aller Teilprozesse und Phasen der Auftragsabwicklung gehört zu den schwierigsten Problemen der Produktionsplanung. Besondere Einflüsse gehen dabei von Störungen bei der Prozessrealisation, Materialzufuhr usw. aus, da sich die zeitlichen Abläufe auf schwer vorhersehbare Weise verändern können. Betriebswirtschaftliche Planungsmodelle stehen für diesen Problemkomplex nicht zur Verfügung. Die zu erfassenden dynamischen Vorgänge mit zum Teil minimaler zeitlicher Ausdehnung können mithilfe statischer Modellansätze nicht bzw. nur zu sehr groben Näherungslösungen verarbeitet werden.
Da industrielle Produktionsanlagen steigende Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sowie vielfach besondere Maßnahmen bei der Umstellung und Ingangsetzung (Einfahrvorgänge, Probeläufe u. a.) erfordern, sind für diese Nebenprozesse besondere Teilzeiten vorzusehen. Sofern Nebentätigkeiten außerhalb der Schichtzeiten durchgeführt werden können, wird die Haupttätigkeitszeit durch die Nebentätigkeiten überhaupt nicht – bzw. bei unvorhergesehenen Betriebsstörungen nur während der Instandsetzungszeiten – beeinflusst. Bei Dreischichtbetrieb könnten diese Arbeiten nur an Ruhetagen wie Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen vorgenommen werden. Bei Zwei- und Einschichtbetrieb kann für diese Nebentätigkeiten zusätzlich auf die schichtfreie Betriebszeit zurückgegriffen werden (Instandhaltungsanalyse, Instandhaltungsstrategie, Instandhaltungskostenplanung).
Inspektions-, Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sowie Umstellungen (Umrüstvorgänge) sind in vielen Betrieben während der Schichtzeiten durchzuführen. Nicht in allen Fällen, aber doch sehr häufig, ist dazu eine Unterbrechung der Haupttätigkeiten erforderlich. Dies gilt insbesondere für Betriebe mit kontinuierlicher Betriebsweise wie z. B. Hochöfen und Energieerzeugungszentralen.
Entsprechend den technologischen Eigenschaften der Fertigungsanlagen und ihrer Verwendung in Produktionsprozessen können Instandhaltung und Instandsetzung weitgehend geplant werden. Hierfür sind spezielle (kostengünstige) Strategien zu entwickeln. Sie bieten zugleich eine Grundlage für die Aufteilung der Betriebszeit in Haupttätigkeitszeiten (Nutzungshauptzeiten), Nebentätigkeitszeiten (Nutzungsnebenzeiten) und Stillstandszeiten.
Anlauf- und Umrüstzeiten als Bestandteile der Nutzungsnebenzeit lassen sich erst dann endgültig bestimmen, wenn die Terminierung der Aufträge abgeschlossen und damit die Produktfolge festgelegt worden ist. Wesentliche Anhaltspunkte bietet dabei die Bestimmung der Losgrößen (Optimale Losgröße) und Produktreihenfolgen im Rahmen der Produktprogrammplanung (Produktionsprogrammplanung).
Hinweis:
Hierzu wurde von der REFA (REFA Bundesverband e.V./Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung ) ein differenziertes Zeitenschema entwickelt, das sich sowohl für die zeitliche Ablaufplanung als auch für Zeitvorgaben im Rahmen von Entlohnungssystemen eignet.
Mit der Planung der Haupt- und Nebentätigkeiten für eine bestimmte Planungsperiode wird erkennbar, welche Zeitspannen der Arbeitssysteme für die eigentliche Produktion zur Verfügung stehen und wann diese Zeitspannen innerhalb der kalenderzeitbestimmten Planungsperiode anfallen. Bei der Zuordnung der Arbeitsverrichtungen auf die verfügbare Betriebszeit der Arbeitssysteme sind der erreichbare Leistungsgrad der Arbeitskräfte sowie die Vorschriften zur Arbeitszeitordnung zu berücksichtigen. Dabei hängt der anzusetzende Leistungsgrad insbesondere vom Anlern- und vom Einübungsgrad ab. Bei der Neueinrichtung von Fließbändern ist z. B. entsprechend dem Verlauf der betriebsindividuellen Lernkurve und je nach Arbeitsumfang bei den Stationen in den ersten Tagen und meist auch Wochen eine längere Taktzeit vorzugeben.
Neben den Leerzeiten der Arbeitssysteme spielen für die Bestimmung von Auftrags- bzw. Sortenfolgen die Umrüstzeiten, Produktwartezeiten und Transportzeiten eine nicht unwesentliche Rolle. Durchlaufen alle Produkte oder Aufträge die Arbeitssysteme in der gleichen Reihenfolge, so kann zur Bestimmung der Produktreihenfolge je Arbeitssystem allein auf die Umrüst- und Leerzeiten der Arbeitssysteme zurückgegriffen werden. Entsprechende Modellansätze lösen dieses Problem bei sehr geringem Problemumfang mit Hilfe von Programmierungsansätzen, bei mittlerem Problemumfang mit kombinatorischen Methoden wie Branch and Bound und begrenzter Enumeration.
Während Branch and Bound auf analytischem Wege zu einer zeitoptimalen Auftragsfolge führt, geht die begrenzte Enumeration von einer heuristischen Näherungslösung aus. In der betrieblichen Praxis kommen jedoch beide Verfahren kaum zum Einsatz, da der Rechenumfang schon bei einer geringen Zahl von Aufträgen und Arbeitssystemen sehr hoch wird und die isolierte Bestimmung der Auftragsreihenfolge nach diesen Zeitkriterien zu viele wirtschaftlich bedeutsame Einflussgrößen unberücksichtigt lässt. Umfassendere Ansätze bieten lediglich Simulationsmodelle, die jedoch für eine Optimumbestimmung nicht geeignet sind.
In der Praxis wird der Produktionsablauf vielmehr mit Hilfe von heuristisch begründeten Prioritätsregeln (wie z. B. Aufträge mit dem höchsten Dringlichkeitsgrad oder der jeweils kürzesten Bearbeitungszeit des Arbeitssystems) geplant (Termin- und Kapazitätsplanung). Entstehen relativ hohe Leerzeiten oder Auftragswartezeiten, wird der Ausgangsplan unter Hinzuziehung weiterer Prioritätsregeln umgeändert. Das Ergebnis dieser Planungsprozesse ist eine schicht- oder wochenweise Maschinenbelegung. Für die kundenorientierten Endaufträge erfolgt dabei meist sowohl eine Rückwärtsterminierung vom angestrebten Auslieferungstermin zurück zu den Bearbeitungsterminen für alle Auftragsteile an den Arbeitssystemen als auch eine Vorwärtsterminierung von möglichen Produktionsbeginnzeitpunkten am Arbeitssystem für das erste Auftragsteil bis zur Fertigstellung des Gesamtauftrages.
Ein besonderes derartiges Terminierungsverfahren für Einzelprodukte ist die Netzplantechnik. Alle Teilvorgänge, die bei Vorwärts- und Rückwärtsterminierung zu gleichen Teilprozess-Beginn- und Endzeitpunkten führen, sind für die Gesamtbearbeitungsdauer des meist komplexen Produktes maßgebend. Die Netzplantechnik ist das leistungsfähigste Verfahren der Auftragsterminierung und der Kapazitätsbelegungsplanung. Allerdings enthält es keinen ökonomischen Optimierungsansatz, sondern macht lediglich die möglichen Prozessfolgen und die zeitlichen Abhängigkeiten und Freiheitsgrade transparent. Immerhin kann auf der Grundlage von Netzplänen die Kostenerfassung (Projektkalkulation) sicherer und genauer durchgeführt werden (Projekt-Controlling, Projektplanung).