Wird der Auftrag, Klage zu erheben, in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten nicht bearbeitet und deshalb die Klagefrist versäumt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Dies hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.
Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin eine zurückweisende Einspruchsentscheidung, die am 21. Dezember 2023 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einging. Am Folgetag (Freitag, der 22. Dezember 2023) übermittelte eine Mitarbeiterin der Kanzlei unter ihrer personalisierten E-Mail-Adresse die Einspruchsentscheidung an die Klägerin. Zugleich diktierte der Prozessbevollmächtigte ein Begleitschreiben an die Klägerin, mit dem er auf den Ablauf der Klagefrist am 22. Januar 2024 hinwies und für den Fall, dass ein Auftrag zur Klageerhebung erteilt werden soll, um Nachricht bat. Dieses Schreiben wurde jedoch erst nach den Feiertagen, am 27. Dezember 2023, angefertigt und versandt. Die Klägerin hatte aber bereits am 22. Dezember nach Büroschluss an die personalisierte E-Mail-Adresse der Mitarbeiterin mit den Worten »Moin, bitte Klage einreichen« geantwortet.
Der Prozessbevollmächtigte erhob für Klägerin am 26. Januar 2024 und damit nach Ablauf der Klagefrist Klage und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führte er aus, dass die E-Mail der Klägerin in seinem Büro nicht wahrgenommen worden sei, da seine Mitarbeiterin zwischen den Feiertagen und er selbst in der ersten Kalenderwoche des Jahres 2024 im Urlaub gewesen sei. Die E-Mail habe aus nicht mehr aufklärbaren Gründen den zuständigen Sachbearbeiter in der Kanzlei nicht erreicht.
Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren, da sie die Frist nicht ohne Verschulden versäumt habe.
Zunächst sei der Klägerin ein Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Dieser habe nicht hinreichend dargetan, welche Organisationsmaßnahmen in seiner Kanzlei getroffen worden seien, damit Fristen zuverlässig überwacht und eingehalten werden. Wenn – wie im Streitfall – eine Mitarbeiterin ihre personalisierte E-Mail-Adresse zur Verfügung stelle, sei es erforderlich, Regelungen zur Nutzung und Weiterleitung von E-Mails zu treffen. Ferner hätten Vertretungsregelungen für den Urlaubs- oder Krankheitsfall dargelegt werden müssen. Dass die Kernfrage, warum der Klageauftrag den zuständigen Sachbearbeiter nicht erreicht habe, auch nach Angaben des Prozessvertreters nicht aufklärbar sei, gehe zulasten der Klägerin.
Darüber hinaus sei auch ein eigenes Verschulden der Klägerin nicht auszuschließen. Da sie das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten mit der Bitte um Nachricht, ob Klage erhoben werden soll, erst nach Erteilung ihres Klageauftrags erhalten habe, hätte es einer weiteren Nachfrage bedurft.
FG Münster, Mitteilung vom 16.07.2024 zum Urteil 5 K 150/24 U vom 20.06.2024