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Selbstanzeige – Absehen von Strafverfolgung

Normen

§ 398a AO

§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO

Information

1. Allgemeines

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28.04.2011 (BGBl 2011 I Nr. 19, 676 ff.) ist mit Wirkung vom 03.05.2011 (Tag nach der Verkündung) die neue Einstellungsvorschrift des § 398a AO in die Abgabenordnung eingefügt worden.

Hiernach wird in den Fällen der Steuerhinterziehung des § 370 AO, in denen Straffreiheit bei einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR übersteigt (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO), von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist

  1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und

  2. einen Geldbetrag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuern zugunsten der Staatskasse zahlt.

§ 398a AO ist als Fortsetzungsvorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO anzusehen.

Der Sperrgrund der Betragsgrenze in Höhe von 50.000 EUR je Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 AO schließt zunächst die Straffreiheit der einzelnen Tat nach § 371 AO aus, wenn diese Betragsgrenze überstiegen wird. Die neu eingefügte Einstellungsvorschrift soll jedoch den Anreiz zur Offenbarung auch für Steuerverkürzungen in großem Ausmaß erhalten und gleichzeitig den Grundsätzen des BGH zur Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO (BGH, 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71) Rechnung tragen.

Der Gesetzgeber setzt mit der Änderung des Selbstanzeigerechts durch Einfügung des neuen Sperrgrundes der Betragsgrenze gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO unter gleichzeitiger Einführung der neuen Einstellungsvorschrift des § 398a AO zum Absehen von einer Strafverfolgung in besonderen Fällen sein Ziel um, die Strafbefreiung nur noch in leichteren Fällen der Steuerhinterziehung ohne Sonderleistung zu erlangen.

In den Fällen des Überschreitens der Betragsgrenze von 50.000 EUR erlangt der Erstatter der Selbstanzeige zwar keine persönliche Strafbefreiung, unter den Voraussetzungen des § 398a AO wird jedoch kraft Gesetzes auf eine weitere Strafverfolgung verzichtet. Für diesen Verzicht bedarf es keiner Ausübung eines einzelfallbezogenen Ermessens im Sinne des § 5 AO.

Die Vorschrift des § 398a AO setzt zunächst das Vorliegen der positiven Tatbestandsvoraussetzung der Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO voraus. Sodann darf kein weiterer Sperrgrund im Sinne des § 371 Abs. 2 AO (negative Tatbestandsvoraussetzung) als der Sperrgrund der Betragsgrenze nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO den persönlichen Strafaufhebungsgrund ausschließen. Erst dann besteht für die Finanzverwaltung die Möglichkeit, den Täter als Selbstanzeigenerstatter unter angemessener Fristsetzung aufzufordern, die aus der jeweiligen Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern und einen Zuschlag in Höhe von 5 v.H. auf den Hinterziehungsbetrag zugunsten der Staatskasse zu entrichten. Erst mit vollständiger Entrichtung des Hinterziehungsbetrages sowie des Zuschlags wird kraft Gestzes von der Strafverfolgung abgesehen.

Hinweis:

Maßgeblich für die Berechnung der Sonderleistung nach § 398a AO ist die jeweilige Steuerstraftat nach Steuerart und Besteuerungszeitraum.

§ 398a AO ist der Einstellungsvorschrift des § 153a StPO nachempfunden. Im Gegensatz zu dieser strafprozessualen Einstellungsvorschrift führt ein Absehen von der Strafverfolgung gemäß § 398a AO nicht zu einem Strafklageverbrauch. Es handelt sich vielmehr um eine freiwillige Zahlung. Die Sonderleistung stellt keine Strafe dar.

Da die Einstellungsvorschrift nach dem Wortlaut des Gesetzes an die Steuerverkürzung und damit an den Verkürzungserfolg anknüpft, ist der persönliche Aufhebungsgrund nicht auf den gemäß § 370 Abs. 2 AO strafbaren Versuch der Steuerverkürzung anzuwenden.

Zwar bestimmt die Regelung des § 398a AO keinen richterlichen Vorbehalt für die Strafaufhebung, jedoch legt der BGH in geeigneten Fällen eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Staatsanwaltschaft nahe (BGH 20.05.2010 – 1 StR 577/09, wistra 2010, 304; ebenso Nr. 22 Abs. 2 S. 2 AStBV (St) 2014).

2. Täter

Nach dem Wortlaut des Gesetzes gelten die Einstellungsvoraussetzungen des § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO allein für den Täter einer Steuerstraftat.

Der Begriff des Täters bestimmt sich hierbei nach § 25 StGB. Demnach kann allein folgender Personenkreis in den Anwendungsbereich des § 398a AO kommen:

  1. a)

    Täter einer Steuerhinterziehung (§ 25 Abs. 1 StGB)

  2. b)

    Mittäter einer Steuerhinterziehung (§ 25 Abs. 2 StGB)

Der Kreis der Teilnehmer an einer Tat, nämlich

  • der Anstifter (Teilnahmehandlung im Sinne des § 26 StGB),

  • der Gehilfe (Teilnahmehandlung im Sinne des § 27 StGB),

kann zum einen nicht unter den Personenkreis des Sperrgrundes der Betragsgrenze im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO fallen, da diese lediglich Teilnehmer an der Tat eines anderen sind und zum anderen die Anforderungen des § 398a AO für die Teilnehmer an der Tat insoweit nicht maßgeblich sind, da die aus der Tat erlangte Steuerverkürzung nicht zu ihren Gunsten erfolgte.

Sind an der offenbarten Steuerstraftat, welche die Betragsgrenze übersteigt, mehrere Täter beteiligt, so trifft jeden Tatbeteiligten die Zahlungsverpflichtung aus § 398a Nr. 1 und 2 AO. Jeder Tatbeteiligte hat insofern die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern zu entrichten. Die Sonderleistung von 5 v.H. bemisst sich jedoch nach dem gemeinsam hinterzogenen Betrag. Nach Auffassung der Finanzverwaltung hat jeder Tatbeteiligte (Täter und Mittäter) die Sonderleistung jeweils in voller Höhe zu entrichten. § 398a AO stellt nach der Auffassung des Gesetzgebers einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar.

Der Täter hat die Sonderleistung im Sinne des § 398a Nr. 2 AO auch dann zu leisten, wenn der Täter nicht zu eigenen Gunsten, sondern zu Gunsten eines anderen Steuerpflichtigen (z.B. der Geschäftsführer zugunsten der GmbH) handelte. Das gilt selbst dann, wenn der Täter nicht zur Zahlung der Steuernachforderung verpflichtet sein sollte.

3. Bemessungsgrundlage für die Sonderleistung

Die Sonderleistung im Sinne des § 398a Nr. 2 AO bemisst sich nach strafrechtlichen Gesichtspunkten im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 AO anhand der hinterzogenen Steuer.

Insbesondere ist das sogenannte Kompensationsverbot im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 3 AO zu beachten. Steuern sind in diesen Fällen namentlich im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 und 2 AO auch dann verkürzt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Es besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes somit kein Handlungsspielraum für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.

Beispiel:

Der Steuerpflichtige als Anzeigenerstatter hat aus der Nichtversteuerung von Betriebseinnahmen 100.000 EUR an Umsatzsteuer verkürzt. Um die Betriebseinnahmen zu erzielen, hat er ebenfalls Waren „schwarz“ gekauft und Rechnungen mit Vorsteuerbeträgen in Höhe von 90.000 EUR nicht angegeben.

Unter Beachtung des Kompensationsverbotes beträgt die Umsatzsteuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 4 AO für den Besteuerungszeitraum 100.000 EUR, obwohl steuerlich/wirtschaftlich nur 10.000 EUR zu zahlen sind. Die Sonderleistung im Sinne des § 398a AO bemisst sich demnach mit 5 v.H. von 100.000 EUR und beträgt somit 5.000 EUR.

Es gilt ferner zu beachten, dass sich bei Steuerstraftaten im Bereich der Umsatzsteuer-Voranmeldungen als Steuerverkürzung auf Zeit die hinterzogene Steuer nicht mehr nach dem Verspätungsschaden bemisst, sondern auch nach dem tatbestandsmäßigen Erfolg und somit nach dem Nominalbetrag (BGH, 17.03.2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221).

Beispiel:

Der Steuerpflichtige gibt pflichtwidrig erheblich verspätet nach Ablauf des 10. auf den Voranmeldungszeitraum folgenden Tag eine inhaltlich vollständige Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einer angemeldeten Steuer in Höhe von 100.000 EUR und einer Vorsteuer in Höhe von 90.000 EUR ab.

Die verspätete Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung stellt eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO dar. Die hinterzogene Steuer im Sinne des § 370 Abs. 4 AO beträgt unter Beachtung des Kompensationsverbotes für die Tat 100.000 EUR. Der Sperrgrund der Betragsgrenze nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO verhindert somit die strafbefreinde Wirkung der Selbstanzeige. Die Sonderleistung im Sinne des § 398a AO bemisst sich demnach mit 5 v.H. von 100.000 EUR und beträgt somit 5.000 EUR. Dass es sich hierbei um eine Steuerverkürzung auf Zeit mit relativ geringfügigen verschuldeten Auswirkungen auf die Tat (Zinsschaden für die Zeit der verspäteten Abgabe) handelt, ist im Rahmen der Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB zu würdigen

Zu den nachzuentrichtenden Beträgen im Sinne des § 398a Nr. 1 AO zählt allein die verkürzte Steuer im Sinne des § 370 Abs. 1 AO. Zinsen oder sonstige steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 3 AO zählen nicht dazu.

4. Steuerliche Abzugsfähigkeit der Sonderleistung

Da die Sonderleistung nach § 398a Nr. 2 AO der strafprozessualen Einstellungsvorschrift des § 153a StPO nachempfunden ist, ist nach herrschender Meinung auch die Entscheidung des BFH zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der Geldauflage nach § 153a StPO anzuwenden (BFH, 22.07.2008 – VI R 47/06, BFHE 222, 448). Nach dieser Entscheidung sind entsprechende Auflagen gemäß § 12 Nr. 4 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG nicht abziehbar, „soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen“. Bei der Einstellungsvorschrift wird der durch die Tat verursachte Verkürzungsschaden bereits durch die Nachentrichtungsverpflichtung im Sinne des § 398a Nr. 1 AO wieder gut gemacht. Die Sonderleistung im Sinne des § 398a Nr. 2 AO geht somit über die Wiedergutmachung des Verkürzungsschadens hinaus und ist demnach ebenfalls steuerlich nicht abzugsfähig.

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