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Verbindliche Auskunft

Normen

§ 89 Abs. 2 AO

Information

1. Allgemeines

Um im steuerlichen Bereich zukunftssicher zu disponieren, muss die vorgesehene Maßnahme steuerrechtlich abgesichert werden. Dies ist nur mit einer Auskunft des Finanzamts möglich, an die es auch später gebunden ist. Hierfür gibt es nachfolgende Möglichkeiten.

  1. Anrufungsauskunft für Lohnsteuerfragen (§ 42e EStG) oder

  2. verbindliche Zusage nach einer Außenprüfung (§ 204 AO)

  3. verbindliche Auskunft über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten gem. § 89 Abs. 2 AO.

Nach den Steuergesetzen muss

  1. das Betriebsstättenfinanzamt für den Lohnsteuerabzug eine Anrufungsauskunft erteilen. Anfragen können sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Die Auskunft des Finanzamts im einzelnen Fall ist nur für das Lohnsteuerabzugsverfahren bindend. Das Wohnsitzfinanzamt kann im Veranlagungsverfahren hiervon abweichen.

  2. das für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen zuständige Finanzamt nach einer Außenprüfung auf Antrag eine verbindliche Zusage erteilen. Diese ist für die Besteuerung bindend, wenn sich der spätere Lebenssachverhalt mit dem dargestellten und geprüften Sachverhalt deckt.

2. Gesetzliche Grundlage für verbindliche Auskunft

Das Finanzamt ist generell verpflichtet, die nach den jeweiligen Gesetzen entstandenen Steueransprüchen festzusetzen und zu erheben. Ebenfalls muss es die für den Steueranspruch maßgebenden Besteuerungsgrundlagen feststellen (Art. 20 Abs. 3 GG; BVerfG, 12.02.1969 – 1 BvR 687/62; BStBl II 1969, 364). Die über lange Zeit nur im Rahmen einer Verwaltungsanweisung geregelte verbindliche Auskunft hat in § 89 Abs. 2 AO eine gesetzliche Grundlage erhalten. Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können danach auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.

Der BFH hat entschieden, dass kein Anspruch auf einen bestimmten rechtmäßigen Inhalt einer verbindlichen Auskunft besteht. Das Finanzgericht prüft den Inhalt einer erteilten verbindlichen Auskunft nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des – zutreffend erfassten – zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist (BFH, 29.02.2012 – IX R 11/11).

3. Zuständiges Finanzamt

Die verbindliche Auskunft ist nicht generell beim derzeitigen Wohnsitz- bzw. Betriebsstättenfinanzamt zu stellen. Zuständig ist das Finanzamt, das für den dargestellten Sachverhalt voraussichtlicht zuständig wird. Auch wenn ein Antragsteller bisher steuerlich noch nicht geführt wird, ist der Antrag beim später zuständigen Finanzamt zu stellen.

Hierbei kommen z.B. in Betracht

  1. Aufnahme einer Tätigkeit mit gleichzeitigem Wohnsitzwechsel

  2. der Wohnsitz wird beibehalten, der Sachverhalt wird bei einem anderen Finanzamt verwirklicht (Fall der gesonderten Gewinnfeststellung).

In beiden Fällen müssen sich die betroffenen Finanzämter (Wohnsitzfinanzamt/Betriebsstättenfinanzamt) untereinander abstimmen und eine einheitliche Meinung vertreten. Besonders bei länderübergreifenden Zuständigkeiten können so Meinungsverschiedenheiten vermieden werden.

Hinweis:

Wechselt die Zuständigkeit zu einem anderen Finanzamt, ist die verbindliche Auskunft auch für das neue Finanzamt bindend.

Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 AO keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist/wird.

4. Formelle Voraussetzungen

Das Bundesministerium der Finanzen ist ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. Am 08.12.2007 ist hierzu die Steuer-Auskunftsverordnung (St AuskV) in Kraft getreten, in der

  • Form und Inhalt des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 1 St AuskV) und

  • die Bindung einer verbindlichen Auskunft (§ 2 StAuskV)

erläutert werden (BGBl. I 2007, 2783).

Die StAuskV gilt für alle verbindlichen Auskünfte, die ab Inkrafttreten des § 89 Abs. 2 AO (12.06.2006) erteilt worden sind. Für verbindliche Auskünfte, die bis zum 11.06.2006 erteilt wurden, kommen weiterhin die Regelungen der Nummer 4 und 5 des BMF- Schreibens vom 29.12.2003 zur Anwendung (AEAO zu § 89, Nr. 5 bzw. BMF-Schreiben, 19.12.2007 – IV A 4 – S 0224/07/0008).

5. Form und Inhalt

Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist schriftlich zu stellen und hat zu enthalten:

  1. die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, bei natürlichen Personen: Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt; bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen: Sitz oder Ort der Geschäftsleitung; soweit vorhanden Steuernummer),

  2. eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts,

  3. die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers,

  4. eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers,

  5. die Formulierung konkreter Rechtsfragen,

  6. die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen der in § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO genannten Finanzbehörden (Finanzämter oder Bundeszentralamt für Steuern) eine verbindliche Auskunft beantragt wurde, sowie

  7. die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.

Bezieht sich die verbindliche Auskunft auf einen Sachverhalt, der mehreren Personen steuerlich zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO), kann die Auskunft nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden. Die Beteiligten sollen einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, der ermächtigt ist, für sie alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen.

Soll der dem Antrag zugrunde liegende Sachverhalt durch eine Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse verwirklicht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existiert, kann der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft auch durch einen Dritten gestellt werden, sofern er ebenfalls ein eigenes berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung darlegen kann. In diesem Fall sind die o.g. Angaben auch hinsichtlich der Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse zu machen, die den der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalt verwirklichen soll.

Damit der Sachverhalt rechtlich beurteilt werden kann, müssen alle erforderlichen Angaben gemacht werden. Das Finanzamt ist aber berechtigt, den Antrag abzulehnen, falls es selbst noch Ermittlungen durchführen muss (BFH, 03.08.2001 – VIII B 121/00; BFH/NV 2002, 181). Bei unvollständigen Anträgen, insbesondere bei erkennbar unvollständiger Sachverhaltsdarstellung kann das Finanzamt dem Antragsteller Gelegenheit geben, die fehlenden Angaben nachzuholen bzw. zu ergänzen. Erfolgt hierauf keine Resonanz, wird die Erteilung der Auskunft abgelehnt. Auf keinen Fall darf das Finanzamt ungeklärte Sachverhalte durch eine Außenprüfung ermitteln lassen (OFD München, 23.01.2004 – S 0430 – 3 St 312).

6. Keine Auskunft, wenn der Sachverhalt abgeschlossen wurde

Ist der dargestellte Sachverhalt bereits abgeschlossen, lehnt das Finanzamt eine verbindliche Auskunft generell ab. Die Rechtsfragen werden ausschließlich im Veranlagungs- bzw. im Feststellungsverfahren beurteilt. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige auf Grund der beantragten Auskunft keine Dispositionen mehr treffen.

Eine Auskunft wird vom Finanzamt ebenfalls abgelehnt, wenn der Sachverhalt nach der Antragstellung aber vor der Auskunft des Finanzamts abgeschlossen wurde. Auch hier sind weitere Dispositionsmöglichkeiten ausgeschlossen.

Praxistipp:

Unschädlich sind lediglich bereits eingeleitete unbedeutende oder leicht umkehrbare Vorbereitungsmaßnahmen.

7. Bindungswirkung

Die von der nach § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO zuständigen Finanzbehörde erteilte verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung des Antragstellers oder für die Besteuerung der Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die den Sachverhalt verwirklicht hat, bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. Die verbindliche Auskunft ist nicht bindend, wenn sie zuungunsten des Steuerpflichtigen dem geltenden Recht widerspricht.

Die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft entfällt ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden. Wurde der Sacherverhalt vor Erteilung der verbindlichen Auskunft bereits abgeschlossen, tritt für das Finanzamt keine Bindungswirkung ein (BFH, 19.11.1985 – VIII R 25/85; BStBl II 1986, 520 und BFH, 11.12.1987 – III R 168/86; BStBl II 1988, 232).

Unbeschadet der §§ 129 bis 131 AO kann eine verbindliche Auskunft mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft unrichtig war.

8. Ablehnung des Antrags

Das Finanzamt kann den Antrag auf verbindliche Auskunft ablehnen. Hierzu ist es berechtigt, wenn durch den Antrag die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht z.B.

  1. Prüfung von Steuersparmodellen,

  2. Feststellung der Grenzpunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder

  3. Feststellung der Grenzpunkte für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters oder wenn zu dem Rechtsproblem eine

  4. gesetzliche Regelung

  5. höchstrichterliche Entscheidung oder

  6. Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.

9. Rechtsbehelf

Es ist zu berücksichtigen, dass es sich entgegen der früheren Rechtsauffassung bei der verbindlichen Auskunft um einen Verwaltungsakt handelt, gegen den der Einspruch gegeben ist (AEAO zu § 89, Nr. 3.7). Weiter ist zu beachten, dass es sich grundsätzlich jeweils um einen Antrag auf verbindliche Auskunft handelt, soweit ein Steuerpflichtiger betroffen ist, unabhängig davon, wieviele Steuerarten und ggf. zugehörige gesonderte Feststellungserfordernisse der Antrag betrifft (AEAO zu § 89, Nr. 4.1.3.).

Dem Finanzamt vorgesetzte Finanzbehörden (Oberfinanzdirektion, Landes- oder Bundesfinanzministerium) dürfen wegen sachlicher Unzuständigkeit keine verbindliche Auskunft erteilen (Finanzgericht Baden Württemberg, 21.02.1990 – V K 98/89; EFG 1990, 454). Die vorgesetzten Finanzbehörden können dennoch das Finanzamt anweisen, eine bestimmte Rechtsauffassung in der Auskunft zu vertreten.

Praxistipp:

Bindungswirkung besteht nur bei Auskünften durch ein Finanzamt. Wurden aufgrund einer verbindlichen Auskunft der vorgesetzten Finanzbehörde Dispositionen getroffen, besteht im Rahmen der Amtshaftung ein Schadensersatzanspruch.

10. Gebühren

Mit dem Jahressteuergesetz 2007 wurde für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr eingeführt (§ 89 Abs. 3 bis 5 AO). Näheres hierzu finden Sie in dem Stichwort Verbindliche Auskunft – Gebühr.

Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat eine Bagatellgrenze eingeführt. Ab dem 04.11.2011 fallen bei einem Gegenstandswert von weniger als 10.000 EUR keine Gebühren mehr an. Das gilt auch, wenn kein Gegenstandswert bestimmbar ist und die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden beträgt.

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