Controlling-Lexikon

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Bestandsplanung

1. Überblick

Es besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass es sich lohnt, über Bestandsoptimierungsmaßnahmen im Bereich der Logistik nicht nur nachzudenken, sondern diese gezielt und konsequent durchzusetzen (Logistik-Controlling, Beschaffungs-Controlling). Das Bestandsmanagement ist dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen bestandsverursachenden Bereichen angewiesen (Bestandsursachen).

Grundlage eines Bestandssenkungs-Programms ist stets eine sorgfältige Analyse der Zusammensetzung der Bestände (Bestandsanalyse). Darauf aufbauend sind die Bestände ebenso sorgfältig zu planen. Es ist ein grober, aber häufig vorkommender Fehler, undifferenziert eine allgemeine Bestandssenkung um einen bestimmten Prozentsatz über alle Artikelpositionen hinweg zu verordnen.

2. Instrumente der Bestandsplanung

2.1 Schwachstellenanalyse

Bei der Schwachstellenanalyse handelt es sich um einen der wichtigsten Bestandteile im Planungsprozess, da hier Problembereiche und Optimierungspotenziale aufgezeigt werden. Vor der Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen müssen die Schwachstellen sorgfältig analysiert und gewichtet werden. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, dass man alle Stellen beziehungsweise Bereiche erfasst, die Einfluss auf Bestands- und Kostenentwicklungen nehmen. Dazu gehören vor allem die Verantwortungsbereiche

  • Vertrieb,

  • Disposition und Fertigungssteuerung,

  • Einkauf,

  • Lager,

  • Distribution sowie

  • Entwicklung und Konstruktion.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Schwachstellenermittlung mit System anzugehen. Sinnvollerweise sollte vorab ein Fragenkonzept für notwendige Interviews erarbeitet werden. Hierzu werden in Abschnitt 3 einige Checklisten vorgestellt.

Zur Eingrenzung des Handlungsbedarfs ist es erforderlich, die Schwachstellen im Hinblick auf folgende Punkte zu beurteilen:

  • Wichtigkeit (zum Beispiel Grad der Kundenzufriedenheit oder Höhe des Deckungsbeitrages)

  • Einsparungs- oder Verbesserungspotenziale

  • Zeitlicher Aufwand für eine vertiefende Untersuchung und Umsetzung

  • Finanzieller Aufwand für eine Umsetzung

Für die weitere Vorgehensweise ist die Konzentration auf das wirklich Wesentliche elementare Voraussetzung.

2.2 Planung von Verbesserungsmöglichkeiten

Nach der Schwachstellenanalyse werden im nächsten Schritt für jede Ursache ein oder mehrere Lösungsansätze aufgezeigt. Hierbei sollte man in Alternativen und Varianten planen und alle Varianten genauestens auf ihre Funktionalität prüfen und bewerten. Können in Einzelfällen keine Lösungsansätze gefunden beziehungsweise situationsbedingt (zum Beispiel aufgrund fehlender Finanzmittel) nicht realisiert werden, ist der Handlungsbedarf festzuschreiben.

Alle Maßnahmen sind in der Regel so eng miteinander verzahnt, dass sehr sorgfältig zu prüfen ist, welche Wirkung jede einzelne auf das Gesamtergebnis haben wird (Komplexitätskosten). Es ist daher von erheblichem Vorteil, wenn im Sinne des logistischen Denkansatzes ein ganzheitlicher Planungsansatz erarbeitet wird (Logistik-Controlling), an dem sich alle „betroffenen“ Bereiche und alle Optimierungsaktivitäten orientieren können. Dies macht aber auch deutlich, dass sich eine umfassende Bestandsoptimierung nicht kurzfristig realisieren lässt. Vielmehr gilt es, vernünftige Prioritäten zu setzen und die einzelnen Maßnahmen sorgfältig zu planen.

2.3 Realisierung und Kontrolle der Maßnahmen

Die beschlossenen Maßnahmen werden nach einem festzulegenden Prioritätenkatalog umgesetzt. In einer zeitlich deutlich späteren Phase ist zu überprüfen, ob die Maßnahmen zu den gewünschten Erfolgen geführt haben. Erweisen sich die Ergebnisse als unbefriedigend, sind die dafür maßgeblichen Ursachen zu ergründen.

3. Checklisten zur Schwachstellenanalyse

Im Rahmen der Schwachstellenanalyse haben Checklisten den Sinn, eine Systematisierung in der Vorgehensweise zu erreichen. Die hier vorgestellten Checklisten können allerdings nur eine grobe Leitlinie bieten und haben keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit.

3.1 Checkliste zum Vertrieb

  1. Wie viele Artikel gibt es je Artikelgruppe?

  2. In welchem Zeitraum schlagen sich die einzelnen Produkte/Produktgruppen um?

  3. Wie hoch ist der Deckungsbeitrag der Produkte oder Produktgruppen?

  4. Ändert sich die Absatzplanung häufig?

  5. Sind bei den jährlichen Absatzmengen periodische Schwankungen zu berücksichtigen?

  6. Welchem Bereich untersteht die Absatzplanung?

  7. Wird die Absatzplanung mit den Kapazitäten der Produktion abgestimmt?

  8. Welche Ziele werden hinsichtlich Sortimentserweiterung verfolgt?

  9. Welche Erwartungen haben die Kunden bezüglich der Lieferzeiten/-mengen?

    • gleich bleibend

    • immer kleinere Mengen

    • immer kürzere Lieferzeiten

    • sonstige (zum Beispiel Just-in-Time)

  10. Besteht bei den Kunden eine Bereitschaft zu längerfristigen Vertragsbindungen mit Bedarfsplanung?

  11. Sind die Kunden zur Einrichtung eines Konsignationslagers bereit?

  12. Lassen sich mithilfe der Forschungs- und Entwicklungsabteilung und durch eine technische Kundenberatung die Absatzchancen und damit die Planung verbessern?

  13. Ist mit bestimmten Kunden eine vertraglich abgesicherte Vorratsproduktion und Just-in-Time-Belieferung möglich?

  14. Welche Erwartungen hat der Vertrieb gegenüber der Fertigung hinsichtlich

    • Flexibilität?

    • Termintreue?

    • Qualitätsniveau?

    • Sonstiges?

Die Abstimmung der Absatzplanung mit allen Schnittstellenbereichen, die Verbesserung des Informationsflusses (Information, Informationsbedarf, Informationsbewertung) mit der Zielrichtung eines durchgängigen und umfassenden Planungs- und Produktionsprozesses sowie Trendinformationen dienen dazu, die nachgelagerten Stellen in der Logistikkette in die Lage zu versetzen, sich frühzeitig an veränderte Marktsituationen und Kundenerwartungen anzupassen.

Auch der Vertrieb ist gefordert, den Kunden logistische Lösungen anzubieten, die für beide Parteien Kostensenkungen und bessere Planungen ermöglichen.

3.2 Checkliste zur Disposition und Fertigungssteuerung

  1. Wird die Absatzplanung mit den Kapazitäten der Produktion abgestimmt?

  2. Welche Konsequenzen werden bei Unstimmigkeiten zwischen Absatz- und Kapazitätsplanung gezogen?

  3. Wann müssen die Kundenspezifikationen zur pünktlichen Planerfüllung spätestens vorliegen?

  4. Sind die Durchlaufzeiten bekannt und werden sie bei der Planung berücksichtigt?

  5. Sind die in den Arbeitsplänen und im EDV-System hinterlegten Fertigungs- und Rüstzeiten beziehungsweise Hubzahlen auf dem aktuellen Stand?

  6. Lassen sich in Zeiten mit Spitzenbedarf Unterlieferanten einschalten?

  7. Sind die Engpassmaschinen bekannt und wurde der Engpass in der Planung berücksichtigt?

  8. Welcher Servicegrad wird je Produkt beziehungsweise Produktgruppe derzeit gefordert beziehungsweise erfüllt?

  9. Welche Reichweiten haben die Bestände?

    • A-Artikel

    • B-Artikel

    • C-Artikel

    • Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe

    • Halbfabrikate

    • Fertigerzeugnisse

    • Handelswaren

  10. Welche Dispositionsverfahren werden eingesetzt?

    • deterministisch (Auflösung aus Plänen/Aufträgen)

    • stochastisch (Errechnung aus Vergangenheitsdaten oder Prognosen)

    • nach „Gefühl“ bzw. „Intuition“

  11. Setzen die Dispositionsverfahren gezielt auf der Grundlage einer ABC/XYZ-Analyse auf?

  12. Mit welchen Methoden wird eine Terminsicherung vorgenommen?

  13. Wie werden Sicherheitsbestände und/oder -zeiten festgelegt?

    • Geschätzt

    • Nach Wertigkeit, Beschaffungszeit etc.

    • Errechnet nach Prognosefehler

  14. Wie werden zurzeit Konsignations- und Fremdlagerbestände überwacht und disponiert?

  15. Sind die im Artikelstamm hinterlegten Bestellmengen und Bestelluntergrenzen gepflegt?

  16. Verfügen die Disponenten über alle benötigten Bestandsinformationen (Kennzahlen)?

  17. Welchem Bereich unterstehen:

    • Disposition?

    • Fertigungsplanung?

    • Fertigungssteuerung?

  18. Ist das Unterstellungsverhältnis sinnvoll oder liegen hier Ursachen für etwaige Probleme im Informationsfluss?

  19. Ist die Disposition auch für die Bestellung und Bestellabwicklung verantwortlich?

Die vorgestellte Checkliste dient vor allem dem Erkennen von Schwachstellen, die eine abgestimmte und zielorientierte Vorratspolitik verhindern. Gerade dieser Komplex bietet erfahrungsgemäß die erfolgversprechendsten Ansatzpunkte zur Bestandsoptimierung. Hierbei geht es vor allem darum, effiziente und flexible Verfahren einzusetzen und die Mengen- und Terminverantwortung schnittstellenfrei zu regeln.

3.3 Checkliste zum Einkauf

  1. Gibt es eine umfassende Übersicht über alle potenziellen Lieferanten?

  2. Werden für Einkaufsartikel gültige Angebote verwaltet?

  3. Sind die im Artikelstamm hinterlegten Wiederbeschaffungszeiten gepflegt?

  4. Nach welchem Verfahren werden Bedarfsanforderungen dem abwickelnden Einkauf beziehungsweise der Disposition übermittelt?

    • Automatisch täglich online am Bildschirm?

    • Durch den täglichen Ausdruck der Anforderungen aus dem System?

    • Durch manuell erstellte Bedarfsmeldungen?

  5. Enthalten die Bestellanforderungen einen Freigabevermerk der Disposition?

  6. Stehen dem Einkauf Informationen zur Verfügung, die auf Variationsmöglichkeiten beim Einkauf hinweisen?

    • Verschiedene Lieferanten?

    • Packungsgrößen?

    • Lieferzeiten?

  7. Welche interne Bearbeitungszeit benötigt der Einkauf?

    • für Anforderungen mit abgespeicherten und lieferbereiten Lieferanten?

    • für Anforderungen, die eine Angebotseinholung erforderlich machen?

    • für Anforderungen mit Abschlussverhandlungen?

    • für Abrufe aus Rahmenvereinbarungen?

  8. Welcher Anteil der Bestellungen wird den Lieferanten per Telefax oder elektronisch zugestellt?

    • automatisch aus dem EDV-System

    • durch Faxen oder ausgedruckte Bestellungen

  9. Können im eingesetzten EDV-System die Bestellungen und Bestellabrufe am Bildschirm im Dialog durch Verknüpfen der Lieferanten-, Material- und Angebots- beziehungsweise Vertragsdaten automatisch erstellt werden?

    • Wie viel Prozent aller Bestellungen?

    • Gründe für die nicht gegebene Möglichkeit beim Rest?

  10. Haben Disposition, Lager und die Vertriebsabwicklung Zugriff auf aktuelle Einkaufsdaten?

  11. Wird überwiegend eingekauft bei:

    • Stammlieferanten?

    • Preisgünstigsten Lieferanten?

    • Partnerlieferanten?

  12. Werden (potenzielle) A-Lieferanten vor Vertragsabschluss hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit überprüft durch

    • Fragebogen?

    • Auditierungen?

  13. Verfügt das EDV-System über ein Modul zur Lieferantenbewertung und permanenten Überprüfung der Qualitäts-, Termin- und Mengenzuverlässigkeit?

  14. Welche Methoden werden praktiziert:

    • Just-in-Time?

    • Konsignationseinkauf?

    • Prüfzertifikat (Qualitätssicherung beim Lieferanten)?

  15. Wie wirken sich technische Änderungen auf laufende Bestellungen aus?

  16. Gibt es Beschaffungsvorgänge, für die sich das eingesetzte EDV-System nicht verwenden lässt?

  17. Welchem Bereich untersteht der Einkauf?

  18. Ist dieses Unterstellungsverhältnis zweckmäßig oder führt es zu Abstimmungsproblemen mit der Disposition?

  19. Ist der Einkauf für die Terminsicherung verantwortlich?

  20. In welchen Teams ist der Einkauf integriert (zum Beispiel mit der Entwicklung, Konstruktion oder Fertigung)?

Eine bedarfsorientierte Einkaufspolitik ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine „schlanke“ Vorratspolitik. Die vorgestellte Checkliste soll vor allem die Frage beantworten, ob alle sich bietenden Beschaffungsvorteile wahrgenommen werden.

Des Weiteren lassen die Antworten auf die gestellten Fragen Rückschlüsse zu, ob die Organisationsform des Einkaufs auf eine höhere Leistungseffizienz ausgerichtet ist.

Ganz bewusst beschäftigen sich einige Fragen mit der Bearbeitungszeit im Einkauf. Werden nicht alle Möglichkeiten zur Automatisierung genutzt, dann schlagen sich 2-3 Wochen Verzögerung in der Einkaufsabwicklung sofort in entsprechend hohen Sicherheitsbeständen nieder.

3.4 Checkliste zum Lager und Materialfluss

  • Gibt es Übersichten oder statistische Auswertungen über die Anzahl der nicht bewegten Artikel

    • im letzten Halbjahr?

    • im letzten Jahr?

    • in den letzten zwei Jahren?

    • im Zeitraum von mehr als zwei Jahren?

  • Wie hoch ist der Lagerumschlag bei einzelnen

    • Lagerbereichen?

    • Warengruppen?

  • Wie lange ist die durchschnittliche Durchlaufzeit vom Zeitpunkt der Warenanlieferung im Wareneingang bis zum Zeitpunkt der Einlagerung?

  • Sind die Artikel vor der Einlagerung noch aus- oder umzupacken?

  • Mit welchem zeitlichen Vorlauf werden die Teile/Baugruppen für die Produktion bereitgestellt?

    • Gibt es ein Hol- oder Bring-Prinzip?

    • Wird eine innerbetriebliche Kanban-Versorgung praktiziert?

  • Ist das Lager geordnet oder chaotisch organisiert?

  • Wird im Lager eine permanente oder stichprobenartige Inventur durchgeführt?

  • Nach welcher Zeit werden erkannte Lagerhüter

    • verkauft?

    • recycelt?

    • verschrottet oder entsorgt?

  • Ist das Lager organisatorisch eine Einheit oder gegliedert in

    • Beschaffungslager?

    • Zwischen- bzw. Montagelager?

    • Fertigwarenlager?

  • Welchem Bereich ist das Lager unterstellt?

Mit seinen physischen und verwaltungstechnischen Aufgaben kann das Lager für die Höhe der Vorräte nicht verantwortlich gemacht werden. Daher zielen die obigen Fragen in erster Linie darauf ab, organisatorische Probleme und Schwachstellen des Material- und Informationsflusses mit dem Ziel festzustellen, die Transparenz zu verbessern und Rationalisierungspotenziale zu erschließen.

3.5 Checkliste zur Entwicklung und Konstruktion

  • Gibt es im Unternehmen eine Normenstelle?

    • Welchem Bereich ist die Normenstelle organisatorisch unterstellt?

    • Welche Kompetenzen hat die Normenstelle?

  • Verfügt die Normenstelle über einen Online-Bildschirmanschluss zur Materialdatenbank und den Materialbeständen?

  • Werden alle Zeichnungen und Stücklisten von der Normenstelle geprüft? Welchen Einfluss hat die Normenstelle auf die Konstruktion?

  • Welche Kompetenzen bestehen, neue Materialien abzuwehren und Standardmaterialien durchzusetzen?

  • Wird darauf geachtet, dass

    • Standardmaterialien vorgeschrieben werden?

    • Mehrverwendungsteile zum Einsatz kommen?

    • in Baukastensystemen konstruiert wird?

    • umweltfreundliche und recyclingfähige Stoffe eingesetzt werden?

  • Wird eine Wertanalyse betrieben

    • Intern?

    • Mit Lieferanten? (Existieren dazu feste Teams oder Regularien für Teamarbeit?)

  • Bestehen Entwicklungspartnerschaften (Simultaneous Engineering)?

  • Werden für die Auswahl von Lieferanten, insbesondere für neues Material, frühzeitig Facheinkäufer eingeschaltet?

Sowohl die Produktentwicklung (Produktplanung) als auch die in der Regel der Konstruktion angegliederte Normenstelle können wesentlich zur Bestandsreduzierung beitragen. Ein funktionierender Änderungsdienst ist eine notwendige Voraussetzung, um den Aufwand vor allem im Lager zu verringern. Darüber hinaus kann die Zusammenarbeit von Einkauf, Logistik und Konstruktion dazu beitragen, die Erzeugnisstruktur derart zu gestalten, dass eine optimale Festlegung der Bevorratungsebenen möglich wird. Die Lieferzeit lässt sich durch kundenanonyme Fertigung und Lagerung erheblich reduzieren, und zwar ohne Bevorratung der gesamten Variantenvielfalt.

Siehe auch

Beschaffungs-ControllingLogistik-ControllingProduktplanung

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