Controlling – Veränderungen durch IFRS
Inhaltsübersicht
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1. Überblick
Deutsche Unternehmen gehen zunehmend dazu über, ihre Abschlüsse nach Internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IAS/IFRS) zu erstellen (Leitfaden zur Umstellung auf IAS). Für Controller ist dieses Thema schon deshalb bedeutsam, weil die Gründe und Entwicklungen, die die gesetzliche oder freiwillige Umstellung vorantreiben, vielfach in besonderer Maße zum Aufgabenbereich und Arbeitsalltag vieler Controllers gehören.
So ruft bereits die Festlegung der Projektleitung und des Projektteams zur IFRS-Überleitung den Controller in die Verantwortung (Projekt-Controlling). Zudem kann die Abstimmung des Konsolidierungskreises in größeren Unternehmen das Berichtswesen und Beteiligungscontrolling das Controlling tangieren (Bereichscontrolling, Beteiligungs-Controlling). Dies, zumal es zwischen HGB und IFRS z.T. beträchtliche Abweichungen bestehen. Für jeden Bilanzierungs- und Bewertungsunterschied (IAS – Bewertungsansätze) sind Vereinbarungen zur Informationsbeschaffung (Information, Informationsbedarf) zu treffen und Verantwortlichkeiten zu definieren.
Daran schließt sich die Festlegung der Zuständigkeiten für die Bilanzierungs- und Bewertungsanpassungen an. Hierbei geht es vor allem um methodische Richtungsentscheidungen: Entweder wird die Anpassung der Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede auf der Ebene der zu konsolidierenden Tochtergesellschaften vorgenommen und an die Konzernzentrale weitergeleitet, oder sie wird von der Muttergesellschaft auf der Basis ergänzender Informationen durch die Tochtergesellschaften selbst durchgeführt (Konzerne, Konzernrechnungslegung).
Soll in einem dualen Abschluss den IFRS/IAS- und den HGB-Vorschriften gleichzeitig Rechnung getragen werden, so sind die handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte so auszuüben, dass die gewählten Methoden auch den internationalen Standards entsprechen (Leitfaden zur Umstellung auf IAS). Aus handelsrechtlicher Sicht ergeben sich dabei drei zentrale Fragestellungen:
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Lässt sich ein IFRS/IAS-konformer Abschluss durch eine – gegebenenfalls geänderte – Ausübung der handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte erstellen?
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Ist die Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden im Sinne der IFRS/IAS-Anforderungen handelsrechtlich zulässig?
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Wie sind die Umbewertungseffekte zu behandeln?
In der Praxis hat es sich bewährt, die einzelnen Abschlusspositionen dahingehend zu analysieren, ob eine IFRS/IAS-Adaption erreicht werden kann oder eine Inkompatibilität vorliegt. So lässt sich zum Beispiel der Bewertungsmaßstab der Vorräte unter Ausnutzung der gegebenen Spielräume zwischen HGB und IFRS/IAS in Übereinstimmung bringen (Bewertung des Vorratsvermögens nach IAS, Bewertungsvereinfachungsverfahren nach IAS), sofern kein Einfluss des Steuerrechts entgegensteht.
Demgegenüber lassen sich die Vorgaben zu Forschungs- und Entwicklungskosten (Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte nach IAS) oder Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährung häufig nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Insgesamt kann man bei der erstmaligen Aufstellung eines IFRS/IAS-Abschlusses – aus deutscher Sicht – von einem wesentlichen Anpassungsbedarf ausgehen. Dessen konkrete Ausgestaltung hängt jedoch von den Gegebenheiten im jeweiligen Unternehmen ab.
2. Einfluss von IFRS auf Controllinginstrumente und Controllingaktivitäten.
Die Umstellung von Controlling und Rechnungswesens auf IFRS ist zugleich ein großes Kommunikationsthema, denn die Regelung der Informations- und Kommunikationspolitik nach innen und außen bekommt eine erfolgskritische Bedeutung (Information, Informationsbedarf, Informationsbewertung, IuK-Kosten). So hat zum Beispiel das CESR (Committee of European Securities Regulators) gegenüber der EU-Kommission Empfehlungen zur Anwendung der IFRS/IAS in Emissionsprospekten ausgesprochen. Bezüglich des Ausweises historischer Finanzinformationen wurde beispielsweise vorgeschlagen, IFRS/IAS-Erstanwendern im Zusammenhang mit den EU-Prospektrichtlinien wesentliche Erleichterungen einzuräumen.
Darüber hinaus hat das CESR in einer Empfehlung Vorschläge unterbreitet, wie börsennotierte Unternehmen in der EU ihren Shareholdern die IFRS-Überleitung kommunizieren sollten. Darin empfiehlt das Gremiums den nationalen Regulierern u. a., von den Firmen eine möglichst frühzeitige Ankündigung und Erläuterung der möglichen Umstellungseffekte einzufordern.
2.1 Allgemeine Auswirkungen
Mit dem Wechsel auf Internationale Rechnungslegungsstandards verändert sich der Charakter des externen Rechnungswesens insgesamt. Da Kapitalflussrechnungen, Segmentergebnisrechnungen und eine GuV nach Umsatzkostenverfahren steuerungsrelevante Daten abbilden rückt es deutlich näher an die Planungs- und Steuerungsaufgaben heran. Damit ergibt sich die Frage, ob und wieweit das externe Rechnungswesen nach der Umstellung auf IFRS/IAS unter Controllingaspekten geeignet und steuerungsrelevant ist.
In der Regel bildet ein Berichtswesen nach IFRS/IAS das wirtschaftliche Geschehen im Unternehmen zutreffender und realitätsnäher ab als dies bei der HGB-Publizität der Fall war. Es bietet sich daher geradezu an, auch das interne Berichtswesen auf Grundlage der internationalen Standards zu führen.
Hinweis:
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Ist-Daten – die zumindest auf Konzernebene nach IFRS/IAS erstellt werden müssen – nur Plandaten gegenübergestellt werden können, die ebenfalls auf IFRS/IAS basieren. Zwar ist es prinzipiell möglich, in einem ersten Schritt zunächst nur die Planung auf IFRS/IAS umzustellen, sodass zumindest auf Konzernebene sichergestellt ist, dass Plan- und Ist-Daten konsistent sind. In diesem Fall würde jedoch innerhalb der einzelnen einbezogenen Unternehmen eine Berichterstattung für die einzelnen Kostenstellen, Sparten, Geschäftsbereiche oder Umsatzverantwortlichkeiten auf Basis des HGB erfolgen, die dann für die Konzernmutter nach IFRS/IAS überführt werden.
Innerhalb der Unternehmen ergibt sich damit ein Bruch zwischen interner HGB- und externer IFRS/IAS-Berichterstattung. Da in Konzernen im Allgemeinen monatlich zu berichten ist, müssten die Gesellschaften jährlich zwölfmal eine Überleitung ihrer primären handelsrechtlichen Buchführung auf IFRS/IAS machen.
2.2 Problemfeld: Segmentberichterstattung
Ein besonderes Problem stellt allerdings die Segmentberichterstattung dar. Neben einigen anderen Problemen ist besonders zu kritisieren, dass Segmentergebnisse auf Vollkostenbasis vorgesehen sind (Kostenrechnung – Grundbegriffe, Vollkostenrechnung, Kostenrechnungssysteme). Dabei sind die Fehler, die von der Vollkostenrechnung erzeugt werden, spätestens seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hinlänglich bekannt.
Controller müssen daher nach dem Grundsatz „Was nach außen kommuniziert wird, muss auch nach innen gesteuert werden“ überprüfen, ob ihre Instrumente einer Änderung bedürfen. Auch ist abzuwägen, in welchem Maße sich Änderungen in punkto Informationspolitik und Kapitalmarktinformationen ergeben. Häufig sind diverse Anpassungen notwendig.
2.3 Auswirkungen auf das operative Geschäft
Schließlich ist die Anpassung an IFRS/IAS keineswegs auf das Rechnungswesen begrenzt, sondern erfordert eine neue Bewertung einzelner Geschäftsvorfälle auf operativer Ebene. So wird man zum Beispiel bei zukünftigen Leasingverträgen die Kategorisierung nach IFRS/IAS berücksichtigen und die bilanziellen Auswirkungen frühzeitig bedenken müssen (Bewertung von Leasingverhältnissen nach IAS, Leasingarten und Zurechnungsvorschriften nach IAS). Daher sollten Unternehmen prüfen, ob sie bereits angedachte Reformvorhaben aus Anlass der IFRS/IAS-Überleitung umsetzen bzw. verschiedene Aufgaben miteinander verbinden können.
3. Auswirkungen von IFRS auf Aufgabe und Rolle der Controller
Es gibt in der einschlägigen Controllingforschung unterschiedliche Annahmen über den Einfluss und die Gestaltbarkeit von Veränderungen. Eine der prominentesten findet sich in einer Längsschnittstudie der Controlleraufgaben, die am Center for Controlling and Management (CCM) der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) unter Leitung von Prof. Dr. Jürgen Weber durchgeführt wurde. Danach passen sich die Controlleraufgaben in einem ersten Erklärungsansatz quasi mechanistisch an veränderte Situationsbedingungen an. Einer zweiten Sichtweise zufolge sind Controlleraufgaben das Ergebnis eines organisatorischen Gestaltungsprozesses.
Beide Erklärungsansätze gehen von verhaltenswissenschaftlichen Überlegungen aus, die eine Gestaltbarkeit der Controlleraufgaben vornehmen, indem sie die begrenzten Eigenschaften von Akteuren und deren informal geprägte Interaktionsbeziehungen berücksichtigen.
In der Tat spricht einiges dafür, dass der breite Einzug von IFRS in die Unternehmenspraxis diese Forschungsergebnisse bestätigen wird. Vor allem wird es darauf ankommen, welche neuen Aufgabenzusammenhänge sich herausbilden und wie die Controller ihre Aufgabenwahrnehmung verstehen und proaktiv gestalten. Viele Controller werden sich unzweifelhaft viel intensiver und aufgeschlossener gegenüber Theorie und Praxis des externen Rechnungswesen öffnen zeigen müssen.(1)
Controller müssen sich schon deshalb diesem Umstellungsprozess stellen, weil im Zuge der Weiterentwicklung der IAS/IFRS viele Veränderungen geplant sind, die Controller unmittelbar berühren, so zum Beispiel die Berichtsinstrumente oder die Überlegungen zur Neugestaltung der GuV. Auch die Finanzkommunikation erhält mit den IAS/IFRS eine vollkommen neue Ausrichtung.
Vor diesem Hintergrund geht es für Controller zunächst einmal darum, IFRS/IAS kennen zu lernen und – soweit controllingrelevant – zu beherrschen. Wer nicht weiß, wie die Standards „funktionieren“, kann nicht mitreden und auch nicht mitgestalten. Ferner kommt es darauf an, die bisherigen Erfolgsrechnungen und Controlling-Instrumente hinsichtlich der Frage, was sie beim Management wirklich bewirken, kritisch zu überprüfen. Überdies sollten Controller – als dritte Handlungsnotwendigkeit – stärker auf die Manager als interne Kunden eingehen.
Trotzdem sollte jedoch nicht vergessen werden, dass man allein mit den IAS/IFRS kein Unternehmen steuern kann. Auch zukünftig sind bewährte betriebswirtschaftliche Instrumente wie die Deckungsbeitragsrechnung oder die Produktkostenkalkulation unverzichtbare Instrumente.
Deckungsbeitragsrechnung
IAS/IFRS
Anmerkung 1:
In einer aktuellen empirischen Erhebung zur universitären Ausbildung wurde in einer Abfrage der wichtigsten Instrumente, die den Studenten vermittelt werden, die Konzernrechnungslegung mit nur einem Prozent genannt. Auf die Frage, was Absolventen der Controllingausbildung unbedingt können sollten, hielten nur vier Prozent der Befragten den Punkt „Sensibilisierung Rechnungslegung“ für bedeutsam. In der Tat lassen solche Ergebnisse und die in der Praxis zu beobachtenden fachlichen und mentalen Barrieren auf einen beträchtlichen Nachholbedarf in Sachen Internationaler Rechnungslegung schließen. Dies gilt überdies auch für die Controlling-Literatur, die die IFRS/IAS bislang nur vereinzelt aufgreift.