Controlling-Lexikon

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Drei-Horizonte-Konzept

1. Überblick

Beim Drei-Horizonte-Konzept handelt es sich um ein empirisch fundiertes Instrument aus dem angloamerikanischen Raum, das ein Unternehmen dazu befähigen soll, durch die Entwicklung eines Geschäftsportfolios ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum zu sichern.

Hierzu werden gleichzeitig und gleichberechtigt Entwicklungsprojekte unterschiedlicher Reifegrade auf drei Wachstumshorizonte gesteuert, die jedes für sich spezifische Anforderungen an das Management und das Controlling stellen:

Derzeitige Kerngeschäftsfelder werden im ersten Wachstumshorizont, künftige Umsatzträger in späten Entwicklungs- und frühen Vermarktungsphasen im zweiten Wachstumshorizont und explorative Forschungsvorhaben im dritten Wachstumshorizont angesiedelt.

In seiner ursprünglichen Form hatte das Drei-Horizonte-Konzept lediglich die Form eines Management-Konzeptes. Dennoch hat es durchaus auch Relevanz im Controllingbereich. So gibt das Drei-Horizonte-Konzept dem Controlling im Rahmen seiner Rationalitätssicherungsfunktion ein Kommunikationsinstrument in die Hand, die strategische Planung des Managements im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit zu analysieren.

Sind nicht auf allen drei Horizonten Erfolg versprechende Initiativen des Managements zu erkennen, gäbe dies Anlass zu einer Hinterfragung durch das Controlling. Darüber hinaus kann das Drei-Horizonte-Konzept dem Controlling eine Anpassung der operativen Steuerung an die Spezifika von Geschäftsfeldern unterschiedlicher Reife erleichtern. So steht z.B. die Profitabilität für das reife Kerngeschäft (Horizont 1) eher im Vordergrund, während diese Erfolgsgröße bei der Markteinführung neuer Produkte zu Gunsten eines raschen Umsatzwachstums an Bedeutung verliert.

2. Das Problem der Umsatzprognose

Im Rahmen der Prognose zukünftiger Umsatzentwicklungen spielen vorlaufende Indikatoren eine wichtige Rolle, da sich mit ihnen sowohl die Chancen als auch die Risiken der zu erwartenden Umsatzdynamik quantifizieren lassen. Für die Beurteilung der Umsatzdynamik eines Unternehmens ist dabei vor allem die Altersstruktur seiner Produktpalette ein entscheidender Faktor.

Diesbezüglich beziehen sich die Informationen, die das Controlling bereitstellen kann, auf zwei unterschiedliche Produktkategorien:

  1. Produkte mit gefestigter Marktposition, die bereits seit einigen Jahren angeboten werden

  2. neue Produkte, deren Markteinführung erst kurze Zeit zurückliegt

Bei bestehenden Produkten ist die Herausforderung des Managements vor allem darin zu sehen, den Produktzyklus (Produktlebenszyklus) zu verlängern und die Wettbewerbsposition gegenüber einer tatsächlichen oder möglichen Konkurrenz zu festigen. Nach den umfangreichen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Vertrieb muss es das Ziel, (Zielsystem) sein, die Profitabilität des Produktes über seine – möglichst lange – Lebensdauer sicherzustellen. Gelingt dies nicht, stellen solche „alternden“ Produkte ein enormes Risiko für die Umsatzdynamik dar.

Beispiel:

In der Pharmaindustrie droht am Ende der Patentfrist (Patente, Schutzrechte) eine Substitution durch Generika, die nicht selten zu Umsatzeinbußen zwischen 70 und 80 Prozent führen kann. Daher ist der Umsatzanteil, der innerhalb von fünf Jahren durch das Auslaufen von Patentfristen bedroht ist, eine sehr wichtige Kennzahl, mit der man dieses Umsatzrisiko beziffern kann.

Während dieser Anteil z.B. bei Novartis mit sieben Prozent relativ gering ist, ist er bei Roche mit etwa 14 Prozent relativ hoch. Bedeutend ist diese Kennzahl sowohl für Investoren als auch für die interne Steuerung. Dem Investor liefert sie einen wichtigen Anhaltspunkt hinsichtlich des zukünftigen Risikopotenzials. Das Management kann Maßnahmen in die Wege leiten, um die drohenden Umsatzeinbußen zu verhindern.

Mehr unter dem Aspekt der Wahrnehmung zukünftiger Chancen wird die Entwicklung neu eingeführter Produkte betrachtet. Bedeutende vorlaufende Indikatoren sind in diesem Zusammenhang der Anteil neuer Produkte am Gesamtumsatz oder der Anteil der Produkte mit wachsendem Umsatz.

Die Messung von umsatzorientierten Größen (und nicht profitabilitätsorientierten Größen) verdeutlicht, dass in der Zeit nach Markteinführung die Gewinnung von Marktanteilen (Marktanteil) und Volumenwachstum im Vordergrund steht, während bei etablierten Produkten eher die Erhöhung der Marge von Bedeutung ist. Auch diesen vom Controlling zu erhebenden Kennzahlen kommt eine Doppelbedeutung zu:

Zum einen bieten sie den Investoren eine Informationsgrundlage zur Einschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung. Zum anderen dienen sie zur Planung, Information und Kontrolle des Managements, das einen hohen Umsatzanteil neuer Produkte anstreben und auf ein ausgeprägtes Volumenwachstum achten sollte.

Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass die hier beschriebenen Indikatoren eine wichtige Funktion erfüllen, indem sie über die voraussichtliche zukünftige Umsatzentwicklung mit ihren Chancen und Risiken informieren, und dies mit einem Vorlauf von einigen Jahren.

Dennoch reichen sie für eine interne Steuerung nicht aus, da sie sich im Wesentlichen auf die Darstellung der Altersstruktur der bestehenden Produktpalette beschränken. Für eine langfristige Planung einer kontinuierlich gefüllten Produktpipeline bietet sich mit dem Drei-Horizonte-Konzept ein interessantes Rahmenkonzept an, das konkrete Anhaltspunkte für das Management zukünftiger Wachstumsträger und strategisch wichtige Informationen für das Controlling liefert.

3. Das Drei-Horizonte-Konzept

Das Drei-Horizonte-Konzept beruht auf einer Studie, die unter 600 Unternehmen weltweit 30 „great growers“ mit einer durchschnittlichen Umsatzwachstumsrate von 23 Prozent und einer durchschnittlichen Gesamtkapitalrendite von 29 Prozent über Zeiträume von in der Regel 10 bis 15 Jahren identifiziert hat.

Die Grundthese besteht darin, dass ein dauerhaftes Wachstum über längere Perioden nur möglich ist, wenn es dem Unternehmen gelingt, schneller neue Geschäftsfelder zu besetzen, als alte Geschäftsfelder an Bedeutung verlieren.

Demnach sollten sich Unternehmen nicht auf Geschäfte beschränken, deren Lebenszyklus (Lebenszyklus-Portfoliomodell) den Fortbestand des Unternehmens zurzeit bestimmt, sondern vorausblickend und basierend auf ihren Kernfähigkeiten eine Pipeline neuer Wachstumsfelder erschließen, um so trotz der Rezession in einzelnen Geschäftsbereichen als Gesamtunternehmen kontinuierlich hohe Wachstumsraten zu erzielen.

Um dieses Ziel zu erreichen ist die Entwicklung eines Geschäftsportfolios erfordert, mit dem gleichzeitig und gleichberechtigt drei „Wachstumshorizonte“ gesteuert werden können (vgl. Abbildung oben):

  • Der erste Wachstumshorizont umfasst das aktuelle Kerngeschäft und schafft die Voraussetzungen für Investitionen in neue Geschäftsfelder. Das Management konzentriert sich im Wesentlichen auf die Erzielung einer hohen operativen Leistungsfähigkeit. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören auf dieser Ebene neben der Festlegung ehrgeiziger operativer Ziele vor allem das Abstoßen von Nicht-Kerngeschäften und der Aufbau einer glaubwürdigen Kapitalmarktkommunikation. Vordringliche Ziele sind die Erhaltung bzw. Erhöhung der Profitabilität sowie die Generierung der für Investitionen verwendbaren Cash Flows (Cash-Flow).

  • Der zweite Wachstumshorizont bezieht sich auf Geschäftsbereiche oder Produkte, die sich in wenigen Jahren zu großen Umsatzträgern entwickeln könnten. Die Herausforderung für das Management liegt dabei vor allem in der Vorbereitung der Markteinführung bzw. der Erhöhung der Marktanteile (Marktanteil) und des Umsatzes in der Frühphase der Vermarktung, da dies in der Regel mit hohen Investitionen in Marketing und Vertrieb verbunden ist.

  • Im dritten Wachstumshorizont muss es dem Management insbesondere darum gehen, eine breite Palette von tragfähigen Optionen zu schaffen, mit denen auf zukünftige Marktentwicklungen oder technologische Entwicklungen reagiert werden kann. Grundsätzlich kommen hierfür z. B. Pilotprojekte, Minderheitsbeteiligungen, Allianzen (Stategische Allianzen) oder Kooperationen mit der Wissenschaft in Frage. Ziel ist es, das Risiko zu minimieren, technologische Entwicklungen zu verpassen und gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten.

4. Einsatzmöglichkeiten für das Controlling

Das Drei-Horizonte-Konzept ist zwar in erster Linie kein Controlling-Konzept, dennoch ergeben sich daraus aber wichtige Implikationen für die finanzielle Steuerung und damit das operative Controlling. Allerdings rücken selbst die Urheber dieses Konzepts von der Maximalforderung ab, für jeden der drei Wachstumshorizonte eigene Systeme für Planung und Performancemessung einzurichten.

Vielmehr lässt sich feststellen, dass es derzeit kein bekanntes Beispiel für eine durchgängige Ausrichtung des Controlling auf die drei Horizonte gibt. Der Nutzen für das Controlling ist daher stärker konzeptioneller Art, indem das Konzept die notwendigen Schwerpunkte innerhalb der Horizonte sichtbar macht und damit die Anwendung der Controlling-Instrumente betriebswirtschaftlich fundierter erfolgen kann.

So hat das Controlling im ersten Wachstumshorizont vor allem den Wertbeitrag jedes einzelnen Geschäftsfeldes rigoros zu untersuchen, die operative Planung an ehrgeizigen Zielen auszurichten und die Einhaltung von Return on invested capital (ROIC) oder Cash-Flow-Zielen strikt zu kontrollieren.

Demgegenüber verschiebt sich der Tätigkeitsbereich im zweiten Wachstumshorizont eher zu einer kritischen Prüfung von vorgelegten Business Plänen (Business Plan). Die diesbezüglich gemachten Annahmen sind kritisch zu hinterfragen und mögliche Rationalitätsdefizite (z. B. infolge von Gruppendynamik, Opportunismus) aufzudecken. In dieser Phase dürfen notwendige Investitionen in Marketing und Marktanteilsausbau nicht durch die Anwendung von „Horizont-1-Messgrößen“ wie z. B. ROIC oder auch Economic Value Added (EVA) verhindert werden. Als Messgrößen kommen dagegen z. B. der Marktanteilszuwachs oder die Bruttomarge in Betracht.

Im dritten Wachstumshorizont sind die Initiativen wegen ihres experimentellen Charakters dem Controlling tendenziell nur schwer zugänglich. Außerdem könnte eine zu starke Kontrolle den erforderlichen Kreativitätsfreiraum zu sehr einengen. Das Controlling ist aber in jedem Fall bei der Aushandlung von Forschungskooperationen und Minderheitsbeteiligungen wegen des Methoden-Know-hows zur Bewertung dieser Engagements einzubeziehen (Akquisitionsplanung, Due Diligence).

5. Die Suche noch Wachstumsstrategien

Man kann das Drei-Horizonte-Konzept durchaus als Antwort auf das dringende Bedürfnis nach einem kommunikationsfähigen Rahmenkonzept für die Sicherung eines langfristigen Unternehmenswachstums verstehen. Von 1990 bis 2000 haben nur zehn Prozent der börsennotierten US-Unternehmen über acht oder mehr Jahre ein prozentuales Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich erzielt. Berücksichtigt man ferner, dass ein beträchtlicher Teil dieses Wachstums durch Akquisitionen, internationale Expansionen oder Preissteigerung erzielt wurde, kommt man automatisch zu der Frage, wie man Wachstumsmöglichkeiten identifizieren kann.

Für eine solche systematische Identifikation von Expansionspfaden schlagen die Autoren des Drei-Horizonte-Konzepts eine traditionelle Vorgehensweise vor. Danach sind sieben „Freiheitsgrade“ nacheinander auf ihre Attraktivität für Wachstumsinitiativen zu untersuchen. Die Steigerung des Umsatzes soll entweder durch

  • Verkauf der existierenden Produkte an die bestehende Kundschaft,

  • Ausweitung der Zielgruppen,

  • Erweiterung der Produktpalette,

  • Innovationen der Vertriebsstruktur,

  • geografische Expansion,

  • Änderung der Industriestruktur (Aufkauf von Wettbewerbern) oder

  • Expansion in neue Märkte erreicht werden.

In dieser Allgemeinheit verspricht dieser Vorschlag allerdings nur durch die Systematisierung des Suchprozesses einen Nutzen. Demgegenüber präzisiert ein zweiter Vorschlag die Möglichkeiten von Großunternehmen, neues Wachstum mit bestehenden Ressourcen zu erzielen. Danach müssen sich die Unternehmen zunächst von einer produktzentrischen Wachstumsstrategie lösen und untersuchen, wie sie ihr Nutzenversprechen (Kundenproblemanalyse) gegenüber ihren Kunden erweitern können, um deren Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu verbessern.

So könnte z. B. ein Industriegüterhersteller für seine Kunden einen höheren Nutzen schaffen, wenn er den Support bzw. die Instandhaltung (Instandhaltungsanalyse, -kosten, -strategie) seiner Maschinen durch Fernwartungsinstrumente verbessert oder Produktionsgarantien übernimmt, um das Ausfallrisiko des Kunden zu vermindern (Produktionsrisiken).

Anschließend sind in einem zweiten Schritt die bereits bestehenden Kernkompetenzen, so genannte „hidden assets“, des Unternehmens zu identifizieren, die man zur Bereitstellung derartiger neuer Angebote einsetzen kann. Solche „hidden assets“ bewirken nicht selten eine intensive Interaktion mit den Kunden und eine große Verbreitung des eigenen Produkts (so genanntes „installed base“).

Der besondere Vorteil von „hidden assets“ liegt vor allem in der geringen Grenzkostenbelastung (Kostenrechnung, Variable Kosten) und der Vermeidung von Kannibalisierungseffekten, die bei produktbezogenem Wachstum häufiger vorkommen. Für ein solches Vorgehen spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass sich „hidden assets“ durch ihre intensive Nutzung (z. B. Verwendung von Kundeninformationen) tendenziell verbessern und an Wert gewinnen.

Zu den Kernbereichen der „hidden assets“ zählen demnach die Kundenbeziehungen, Vorteile der strategischen Positionierung, Netzwerke und Informationsvorteile.

Als Basis für neue Wachstumsinitiativen, die zu einer Ausgestaltung der drei Wachstumshorizonte beitragen können, kommt prinzipiell jeder dieser schon vorhandenen immateriellen Vermögensgegenstände in Betracht. Daher ist das Drei-Horizonte-Konzept in seiner Bedeutung auch nicht auf forschungsintensive Industrien beschränkt, sondern ist als Instrument zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen auch anderen Industrien anwendbar.

6. Zusammenfassung

Das Controlling ist nicht zuletzt auch für die Existenz bzw. Entwicklung eines langfristig tragbaren Wachstumskonzepts verantwortlich. Mit dem Drei-Horizonte-Konzept steht dem Controlling ein anschauliches und kommunikationsfähiges Managementinstrument zur Verfügung, das in zweifacher Hinsicht genutzt werden sollte.

  1. Zum einen ist mit diesem Konzept eine Prüfung der strategischen Planung auf ihre Wachstumsorientierung und damit auch auf ihre Zukunftsfähigkeit hin möglich. Damit gibt es Antworten auf die Frage, ob das Unternehmen auf einem guten Weg ist, schrumpfende Geschäftsfelder mit neuen Wachstumssegmenten zu ersetzen. Vorlaufende Indikatoren stellen in diesem Zusammenhang ebenfalls ein hilfreiches Analyseinstrument dar.

  2. Zum zweiten ist mit dem Drei-Horizonte-Konzept eine Anpassung der für die einzelnen Wachstumshorizonte eingesetzten Erfolgsgrößen möglich.

Zur konkreten Ausgestaltung der drei Wachstumshorizonte mit Wachstumsinitiativen kommt z. B. die Nutzung mehrerer Kategorien von „hidden assets“ in Betracht, die eine attraktive Möglichkeit darstellen, bestehende Ressourcen für eine Ausweitung bzw. Modernisierung des Nutzenversprechens gegenüber den Kunden zu verwenden.

Siehe auch

Lebenszyklus-PortfoliomodellPortfolioanalyseProduktlebenszyklus

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