Controlling-Lexikon

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EFQM

1. Überblick

Der Konkurrenzdruck hat sich für viele Unternehmen in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Zur Sicherung bestehender Wettbewerbsvorteile sind daher oft radikale Maßnahmen in der Unternehmensorganisation erforderlich. Eine Möglichkeit, die Organisation zu analysieren und in eine effektive Prozessorganisation zu transformieren, besteht in der Einführung eines prozessorientierten Qualitätsmanagements auf der Basis der Normenreihe ISO 9000 oder des European Foundation for Quality Management Excellence-Modells (EFQM Excellence Modell). Die daraus resultierenden Effizienzgewinne können die Wettbewerbsposition signifikant verbessern.

Bereits Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gewann das Thema „Prozessorientierung“ im Rahmen des Total Quality Managements (TQM) zunehmend an Bedeutung. Dieser ganzheitliche Qualitätsmanagement-Ansatz erreichte kurze Zeit später auch in Deutschland eine große Zahl von Unternehmen. Der TQM-Ansatz führte weg vom überwiegend an Endprüfungen orientierten Qualitätsmanagement (QM) hin zur systematischen Planung, Steuerung und Verbesserung von Unternehmensprozessen.

Abbildung 1: Kundenprozess in einer funktionalen Organisationsstruktur

Der Qualitätsbegriff (Qualitätscontrolling) bezog sich ferner nicht länger nur auf das Produkt beziehungsweise die Produktmerkmale, sondern auf alle Bereiche des Unternehmens, insbesondere auf die kundenfokussierten Prozesse. Darüber hinaus wurde die Prozessorientierung auch zum Primat der Unternehmensleitung.

Es gibt dabei grundsätzlich zwei Wege, um das TQM-Paradigma operationalisierbar und umsetzbar zu machen: Das normenbasierte QM über die Zertifizierung der ISO 9001 oder den Ansatz der European Foundation for Quality Management.

2. Gründe für ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement

Unternehmen waren lange Zeit darauf bedacht, einen möglichst hohen Spezialisierungsgrad zu erreichen. Dieses Ziel führte zu einer starken Funktionalisierung, also zur Bildung von hoch spezialisierten Bereichen, Abteilungen und Stellen (Kostenstellen). Hierdurch war man in der Lage, eng gefasste Aufgaben effektiv und effizient auszuführen. Demgegenüber wurde das Zusammenwirken der unterschiedlichen Stellen durch vielfältige Schnittstellen, also Unterbrechungen im Material- und Informationsfluss gehemmt, sodass eigentlich durchgängige Prozesse zersplittert wurden und lange Warte- und Liegezeiten in Kauf genommen werden mussten. Ferner wurde in der funktionsorientierten Organisationsform den Kundenbedürfnissen zu wenig Beachtung geschenkt.

Ziel des prozessorientierten QM ist es, die Sicht auf die durchgängigen Prozesse von den Zulieferern bis zu den Kunden zu lenken und dabei flache aufbauorganisatorische Hierarchien zu schaffen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur externe, sondern auch interne Kunden am Ende eines Prozesses stehen können (Kaizen).

Um das QM prozessorientiert zu gestalten, sind verschiedene Prozessmodelle entwickelt worden. Die in Europa und in Deutschland am weitesten verbreiteten Prozessmodelle sind zum einen in der Normenreihe ISO 9000 und andererseits im Qualitätsmodell der European Foundation for Quality Management konzeptionell verankert (EFQM). Beide Prozessmodelle basieren auf dem von Deming und Shewart entwickelten PDCA-Zyklus, der besagt, dass die Umsetzung von Prozessen zunächst zu planen, dann zu verwirklichen, zu prüfen und schließlich zu verbessern ist.

3. Das Prozessmodell der European Foundation for Quality Management

Anders als bei der ISO 9001 handelt es sich beim Qualitätsmodell der EFQM nicht um eine Norm, sondern vielmehr um ein Konzept zur Umsetzung des TQM-Paradigmas. Wesentliches Ziel ist es, das Unternehmen zu einer Weltklasse-Leistung, der so genannten Business Excellence, zu führen. Das Modell ist Bewertungsgrundlage für den European Quality Award (EQA) sowie für das deutsche Äquivalent, den Ludwig-Erhard-Preis.

Mit dem Qualitätsmodell der EFQM wird versucht, in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unter Einbindung sämtlicher Mitarbeiter des Unternehmens stetig bessere Ergebnisse zu erzielen. Dementsprechend ist das Excellence Modell als ein Regelkreis, bestehend aus zwei Kriterien-Kategorien, konzipiert. Hier sind zum einen die Befähiger- oder Potenzialkriterien zu nennen, die im Wesentlichen den Ressourceneinsatz, also die Mittel, Wege und Rahmenbedingungen zum Erreichen der Business Excellence, darlegen. Zum anderen sind die Ergebniskriterien, mit denen das Zusammenwirken der Potenzialkriterien bewertet wird, zu nennen. Hierzu gehören neben finanziellen insbesondere nichtfinanzielle Ergebnisse wie zum Beispiel Marktteile, Unternehmensimage oder Time to Market (vgl. Abbildung 2).

Jedes dieser Hauptkriterien enthält bis zu fünf weitere Unterkriterien. Die Prozentzahlen geben die relative Gewichtung der einzelnen Hauptkriterien wider. Hierbei fällt auf, dass einerseits den Unternehmensprozessen die größte Bedeutung auf der Seite der Befähiger zukommt. Demgegenüber dominiert bei den Ergebnis-Kriterien die Kundenfokussierung, da kundenbezogene Ergebnisse mit 20 Prozent die stärkste Gewichtung von allen Hauptkriterien haben.

Abbildung 2: Prozessmodell der EFQM

Zum Anstoß von Innovations-, Lern- und Verbesserungsmaßnahmen hat das Unternehmen zunächst den Status quo seines Leistungslevels zu ermitteln. Hierfür sieht das Excellence Modell den so genannten RADAR-Prozess vor, der aus folgenden Prozessschritten besteht:

  • Results (Ergebnisse)

  • Approach (Ansatz, Vorgehen)

  • Deployment (Umsetzung)

  • Assessment (Überprüfung)

  • Review (Bewertung)

Im Rahmen einer Selbstbewertung werden sämtliche Haupt- und Unterkriterien einer systematischen Messung und Analyse unterzogen. Hierbei geht es insbesondere um die Angemessenheit der verwendeten Methoden, Techniken und Instrumente. Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich konkrete Lern- und Verbesserungspotenziale ableiten.

Bei einem direkten Vergleich der ISO 9001 mit dem EFQM Excellence Modell wird deutlich, dass ein ISO-Zertifikat noch lange keine hinreichende Bedingung zum Erreichen einer Business Excellence ist. Misst man zum Beispiel die Anforderungen der ISO 9001 an den Kriterien des EFQM Excellence Modells, so erreichen zertifizierte Unternehmen nur etwa 200 bis 300 Punkte von 1000 möglichen. Demgegenüber bringen es die Spitzen-Performer, also jene Unternehmen, die den EQA oder den Ludwig-Erhard-Preis gewonnen haben, auf etwa 800 bis 900 Punkte.

Insofern eignet sich eine Zertifizierung gemäß der ISO 9001 aber als Grundlage für eine Weiterentwicklung des prozessorientierten QM in Richtung Excellence Modell der EFQM.

4. Die Selbstbewertung

Sowohl die Normenreihe ISO 9000 als auch das EFQM Excellence Modell wollen einen Regelkreis für ständige (Prozess-)Verbesserungen und Optimierungen der Prozesse implementieren. Ein Prozess wird dann als optimal bezeichnet, wenn er

  • möglichst keine Schleifen, Fehler, Liege-, Prüf- und Kontrollzeiten enthält,

  • sich ausschließlich auf die wertschöpfenden Aktivitäten erstreckt und

  • alle Nebenprozesse eliminiert.

Darüber hinaus sollten alle zum Prozessablauf benötigten Informationen vorliegen und Parallelarbeiten weitestgehend vermieden werden.

In der Normenreihe ISO 9000 werden zur Umsetzung des Verbesserungsprozesses das interne Audit und im EFQM Excellence Modell das Instrument der Selbstbewertung vorgeschlagen. Bei der Selbstbewertung geht es darum, in regelmäßigen Abständen die im Kriterienkatalog festgelegten Maßnahmen und Ergebnisse im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu bewerten. Dabei wird die Bewertung von den oberen Führungskräften unter Anleitung geschulter und erfahrener Assessoren und Moderatoren in mehrtägigen Workshops vorgenommen.

Abbildung 3: Regelkreis und Beispiel einer Selbstbewertung

Die Ermittlung der zu vergebenden Punktezahlen wird für die einzelnen Unterkriterien auf der Befähigerseite in funktions- und hierarchieübergreifenden Assessoren-Teams in einer Eigeneinschätzung vorgenommen. Demgegenüber gilt es auf der Seite der Ergebnis-Kriterien empirisch relevante Daten bezüglich der Einstellungen, der Motivation und Zufriedenheit der Stakeholders nachzuweisen. Dies führt zu der Notwendigkeit, in Mitarbeiter- und Kundenbefragungen relevante Daten zu ermitteln, die für die Selbstbewertung aufbereitet werden.

Abbildung 3 zeigt den Regelkreis des Vorgehens und ein beispielhaftes Ergebnis einer Selbstbewertung. Das Beispiel zeigt, dass von 1000 möglichen Punkten (jeweils 500 Punkte bei den Befähigern und Ergebnis-Kriterien) nur 470 erreicht werden. Geringe Werte werden vor allem bei den Kriterien „Mitarbeiterorientierung“ und „Mitarbeiterzufriedenheit“ und „Schlüsselergebnisse“ erreicht. Daher ergeben sich hier auch die zentralen Ansatzpunkte für Verbesserungen.

Die Resultate einer Selbstbewertung können im Rahmen des Benchmarking für Vergleiche mit anderen Unternehmen oder Unternehmensteilen herangezogen werden (Benchmarking). Sie eignen sich sowohl für systematische Verbesserungen als auch zur Festlegung neuer Meilensteine (Zielgrößen) im QM. Am Ende der Selbstbewertung steht eine strukturierte Aufstellung von Stärken und Verbesserungspotenzialen des Unternehmens.

5. Umsetzung des prozessorientierten Qualitätsmanagements

Für die Umsetzung der Prozessorientierung im Rahmen der ISO 9001 oder des Excellence Modells der EFQM bietet sich folgendes Vorgehen an:

  • Implementierung einer Prozessorganisation

  • Steuerung und Optimierung der Prozesse

Als erstes geht es darum, in einem funktional organisierten Unternehmen eine Prozessorganisation zu implementieren. Besonderes Gewicht ist dabei auf ein hohe Prozessstrukturtransparenz zu legen, also auf eine klare und nachvollziehbare Darstellung sämtlicher Unternehmensprozesse zu achten. Hierzu wird in einem ersten Schritt eine unternehmensspezifische Prozesslandkarte erstellt, in der sämtliche Kern-, Führungs- und unterstützenden Prozesse erfasst und in einem Strukturdiagramm dargestellt werden. Jeder Prozess hat einen messbaren Input und Output (vgl. Abbildung 4).

Im nächsten Schritt werden die Prozesse modelliert und gegeneinander abgegrenzt. Sämtliche bestehenden Arbeitsweisen und Praktiken werden dabei grundsätzlich überdacht. Durch entsprechende Schnittstellenregelungen wird dabei das Zusammenwirken der Prozesse eindeutig dargelegt. In jedem Fall sollten Prozessredundanzen und -überlagerungen vermieden werden. Zu jedem Prozess sollte ein Prozesseigner gehören, der die Verantwortung für den Ablauf und das Ergebnis des Prozesses wahrnimmt.

Die Prozesse sind schließlich von den Prozessbeteiligten zu detaillieren und zu dokumentieren. Hierbei ist die Erstellung von Ablaufplänen hilfreich. Die Darstellung der Prozesse sollte anhand der in der ISO 9001 geforderten Verfahrens- und Arbeitsanweisungen erfolgen. Die Dokumentation kann nicht nur gegenüber Kunden und der Öffentlichkeit zur Kommunikation genutzt werden, sondern hilft allen Mitarbeitern bei deren Einarbeitung.

Abbildung 4: Prozesslandkarte

6. Zusammenfassung

Betriebliche Beispiele belegen, dass allein durch eine radikale Umgestaltung von Prozessen nicht selten Kosteneinsparungen von 30 Prozent und mehr realisiert werden können. Auf der Grundlage der für jedes Prozessziel entwickelten Kennzahlen lassen sich Prozesse messen und analysieren. Aufgedeckte Schwachstellen bilden die zentralen Ansatzpunkte für Prozessoptimierungen.

Wichtige Hinweise zur Prozesssteuerung und -verbesserung können aus der Prozesskostenrechnung, dem Target Costing, aus Prozessbenchmarking-Studien (Benchmarking) und aus Kundenbefragungen und -zufriedenheitsanalysen hergeleitet werden.

Anstrengungen zur Prozessoptimierung sind darauf zu richten, die Nutzleistung eines Prozesses zu erhöhen sowie die Stütz-, Blind- und Fehlleistung zu minimieren. Zur Realisierung von Prozessverbesserungen lassen sich die bekannten Qualitätstechniken wie zum Beispiel die statistische Prozesskontrolle, die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) oder das Quality Function Deployment einsetzen.

Siehe auch

Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)KaizenQuality Function DeploymentQualitätscontrolling

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