Entgeltabrechnung

1. Überblick

Bereits vor zwanzig Jahren wurde nicht selten behauptet, dass die Entgeltabrechnung kein Alleinstellungsmerkmal eines personalwirtschaftlichen DV-Systems mehr sei, sondern dass weiter gehende, personalwirtschaftliche Funktionen die wichtigsten Unterscheidungskriterien zwischen den verschiedenen Systemen liefern.

Dies klang zwar plausibel, dennoch hatten die Konkurrenten des nahezu uneingeschränkten Marktführers PAISY einige Probleme, das auch zu beweisen.

Selbst heute hängt die Aussage, ob ein System „abrechnen kann“, weitestgehend von den Ansprüchen des Nutzers ab. Selbstverständlich kann jedes Programm, welches aus einem Bruttobetrag nach den aktuellen deutschen Steuer- und Sozialversicherungsregeln einen Nettobetrag ermittelt, eine Abrechnung erstellen.

Fraglich ist nur, was dabei für die Sachbearbeitung, also die Entgeltabrechner, an manuellen Tätigkeiten übrig bleibt. Diesbezüglich kommt es insbesondere auf den gesamten Funktionsumfang des eingesetzten Systems an. Was leistet das Abrechnungssystem z.B., wenn das Management bei Kurzarbeit den außertariflichen Angestellten einen Nettoausgleich zahlen will? Oder kann das System personelle Einzelentscheidungen einige Monate rückwirkend – wie z.B. häufig im öffentlichen Dienst der Fall – abbilden?

Besonders problematisch ist aus abrechnungstechnischer Sicht insbesondere der Baulohn (Bauhauptgewerbe), der als weitaus schwierigste Abrechnungsform in der Bundesrepublik angesehen wird. Sofern die abzurechnenden Stunden (Leistungsstunden, Ausfallstunden, Urlaubs-/Krankheitsstunden) vorgegeben werden, so folgt eine komplizierte Bewertung und Bezahlung dieser Zeiten.

Allerdings sind zuvor diverse Zeitkonten (Monatslohn, Jahresarbeitszeit, Urlaubsanspruch etc.) abzugleichen und die tatsächlich zu bezahlenden Zeiten und die Faktoren dazu zu ermitteln. Dies wird von den Sachbearbeitern auch heute noch von Hand ermittelt, denn Zeitwirtschaftssysteme versagen hier meist, da am Bau in der Regel nicht gestempelt wird. Darüber hinaus hängen die Nebenkosten wie Heimfahrten und Auslösung von den Zeiten auf der jeweiligen Einsatzbaustelle ab.

Aus Sicht der Praxis ist vor diesem Hintergrund für ein modernes, leistungsfähiges Abrechnungssystem weit mehr zu fordern als nur eine Brutto-/Nettorechnung für vorgegebene steuer- und sozialversicherungspflichtige Auszahlungsbeträge. Insbesondere sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

  • Zu gewährleisten ist insbesondere eine einfache, abrechnungsbezogene Eingabemöglichkeit für Zeitdaten und die Führung von Zeitkonten wie Urlaubsanspruch bzw. Überwachung von Zeiträumen wie Entgeltfortzahlungsansprüche.

  • Bruttowerte müssen sich in Abhängigkeit von Zeit- und Einsatzfaktoren entsprechend den geltenden tariflichen und betrieblichen Regeln leicht und nachvollziehbar ermitteln lassen.

  • Das System muss über Komponenten zur Ermittlung von Leistungslöhnen (Akkorde, Prämien) bzw. ergebnisorientierter Entgeltermittlung (Prämien, Boni) verfügen.

  • Die Daten müssen an die Finanzbuchhaltung übergeben werden können. Dies bedeutet nicht, dass die Entgeltabrechnung Bestandteil der Finanzbuchhaltung sein muss. Für die Übergabe der Ergebnisse der Entgeltabrechnung an die Finanzbuchhaltung ist keineswegs eine Integration erforderlich. Eine solche Integration wäre in der Praxis sogar eher hinderlich.

  • Die Personalabrechnung hat die Kostenrechnung bzw. das Personalkostencontrolling zu unterstützen. Gleiches gilt für das Melde- und Berichtswesen.

    Sind die gesetzlichen Anforderungen an das Meldewesen noch weitestgehend definiert und lassen sich daher eingrenzen (Steueranmeldungen, DEÜV, Landes- und Bundesamtsstatistikten), so ist das Berichtswesen im Personalbereich eher von den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens abhängig und damit alles andere als standardisiert.

Wie die Verfolgung des Softwareangebots über die letzten zwanzig Jahre zeigt, ist die Erfüllung dieser Anforderungen offenbar alles andere als trivial. Manche potente Anbieter sind faktisch oder praktisch wieder verschwunden (Krupp SPA, IPAS).

Selbst überaus potente „Global Player“ mussten zugeben, sich bezüglich der damit verbundenen Schwierigkeiten verschätzt zu haben, und ihre Freigabetermine für die Abrechnungsmodule mehrfach verschieben (z. B. PeopleSoft-Entgeltabrechnung). Sogar der Branchengigant SAP benötigte über ein Jahrzehnt, um ein wirklich leistungsfähiges Abrechnungssystem anbieten zu können.

2. Personalinformationssysteme mit integrierter Entgeltabrechnung

Man wird davon ausgehen müssen, dass die Zukunft den integrierten Lösungen aus personalwirtschaftlichem System und Entgeltabrechnungssystem gehört. Da Datenbestände, die nicht laufend benutzt und überprüft werden, leicht zu „Datenfriedhöfen“ werden können, ist eine Integration von Entgeltabrechnung und HR-Managementsystem (Human Resource Accounting) schon deshalb vorteilhaft, weil durch Entgeltabrechnung ein großer Teil der Mitarbeiterdaten laufend durch die Mitarbeiter selbst und durch die Abrechnungsabteilung überprüft werden.

Auch innerhalb eines solchen Systems sind aber die gleichen Anforderungen an die Entgeltabrechnung zu stellen wie in allen bisherigen Insellösungen. Die Zuverlässigkeit muss sehr hoch und die Fehlerhäufigkeit minimal sein. Damit stehen die Forderungen nach einem ausreichenden Funktionsumfang und hoher Sicherheit praktisch gleichrangig nebeneinander.

2.1 Funktionsumfang des Abrechnungssystems

Prinzipiell hängt die geforderte Leistungsfähigkeit des Abrechnungssystems vom Anspruchsniveau des Benutzers ab. Dieses richtet sich unter anderem nach Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit, Unternehmensphilosophie, Rationalisierungsdruck, Organisation, Arbeitsstrukturen usw..

Dabei sind auch gesetzliche Regelungen zu berücksichtigen. Diese können sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Entgeltabrechnung haben, etwa wenn bestimmte Formen von Arbeitsverträgen vorherrschen. So wird z. B. in der Dienstleistungsbranche häufig mit Aushilfskräften und kurzen, befristeten Verträgen gearbeitet, sodass Fragen der Abgrenzung der Sozialversicherungszeiträume und der Art der Beitragspflicht von größerer Bedeutung sind als in anderen Branchen.

Die produzierenden Bereiche der Wirtschaft haben demgegenüber ihre Schwerpunkte auf differenzierten Mehrarbeitsregelungen oder der Gestaltungsmöglichkeit anspruchsvoller Abrechnungsprozesse.

Es reicht keinesfalls aus, wenn ein Unternehmen sein spezifisches Abrechnungsverfahren ein für alle Mal festlegt und es damit bewenden lässt. Aufgrund der häufigen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Veränderungen ist der Einsatz von Standardsoftware für die Entgeltabrechnung heute kaum noch zu umgehen.

Nur noch sehr große Organisationen – wie z.B. der Öffentliche Dienst – leisten sich den Luxus von Eigenentwicklungen. Solche Entscheidungen beruhen in der Regel auch nicht auf ökonomischen Überlegungen. Vielmehr handelt es sich um Durchsetzungsprobleme in einem schwierigen Umfeld, da sich eine kostspielige Erfüllung aller Anwenderwünsche mit einer Eigenentwicklung leichter realisieren lässt.

Demgegenüber besteht die herausragende Eigenschaft eines leistungsfähigen Standard-Abrechnungssystems in der flexiblen Anpassung an ein weites Spektrum von Anwendungen in allen Branchen auf der Basis einer ausgefeilten Parametrisierungstechnik. So lässt sich die Spannweite der Parametrisierungsmöglichkeiten von leistungsfähigen Systemen an folgenden Beispielen verdeutlichen:

Die Entwicklungen innerhalb der einzelnen Branchen und die Gestaltungsbedürfnisse innerhalb von Unternehmen und Organisationen stellen oftmals hohe Anforderungen an Abrechnungssysteme, die kurzfristig realisiert werden müssen. Als Beispiel soll hier an die Einführung des Monatslohnes in der Metallindustrie, den ETV in der Chemie oder die verschiedenen Steuerreformen erinnert werden. Häufig sind solche Anpassungen in den Kernprogrammen zwar realisiert. Individuelle Anpassungen müssen aber zum Beispiel bei begrenzt steuerpflichtigen Zuschlägen, Belegschaftseinkäufen oder Direktversicherungen möglich sein.

2.2 Erfassung und Bereitstellung von Abrechnungsdaten

Abrechnungssysteme sind heute in der Regel keine „stand-alone Programme“, deren Eingaben vollständig von den Benutzern gesammelt, erstellt und erfasst werden. Eine Vereinfachung der Arbeiten bei gleichzeitiger Steigerung des Gesamtnutzens auch für benachbarte Aufgabengebiete lässt sich auch hier nur durch die Vernetzung in den Informationsströmen des Unternehmens oder der Organisation erzielen. Dementsprechend wird auch die Verantwortung für die in das Abrechnungssystem einfließenden Daten mehr und mehr verteilt.

Der Meister oder Schichtführer zeichnet verantwortlich für die Leistungslöhne, die über eine Schnittstelle in die Abrechnung einfließen, ohne dass jede Zahl noch einmal einzeln geprüft wird. Gleiches gilt für Zeitwirtschaftsdaten, Kantinendaten und Reisekostenabrechnung, Belegschaftseinkäufe und Mieten. Diesbezüglich ist von modernen Abrechnungssystemen z. B. Folgendes zu leisten:

  • Selbstverständlich ist heute eine „Abwesenheitszeitverwaltung“ für Urlaubs- und Krankheitstage zwingender Bestandteil des Abrechnungssystems. Bei einem modernen Zeitwirtschaftssystem geht es aber um mehr, insbesondere um die Anwesenheitszeitverwaltung mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf die Entgeltabrechnung, wie etwa

    • die Bezahlung von Zuschlägen für Schichtdienste (Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit) oder Mehrarbeit (bis zwei Stunden, über zwei Stunden, auch Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit),

    • das Führen von Zeitkonten, die Unterstützung der Betriebsabrechnung (z.B. auftragsbezogene Leistungszeiten),

    • die Lieferung von Zeitdaten für die Leistungslohnabrechnung (Akkorde, Prämien) etc.

      Dabei sind die Schnittstellen für die Datenüberleitung keineswegs als Einbahnstraße zu sehen, da auch eine rückwirkende Korrekturmöglichkeit (Rückrechenfähigkeit) möglich sein muss.

  • Bereits heute lassen sich Akkorde, Prämien und Boni mit allen leistungsfähigen Abrechnungssystemen abbilden. Aktuell geht es dabei nicht mehr – wie im klassischen Stückakkord – nur um Mengen in der Produktion. Heute spielen vielmehr die Ergebnisse insgesamt – vom erzielten Umsatz über Maschinenauslastung bis zu Fehler- und Reklamationshäufigkeiten (Servicekosten) – eine Rolle für die Festsetzung der Vergütungen.

    Die benötigten Daten müssen entsprechend dieser Vielfalt oftmals bei den Arbeitsprozessen selbst erzeugt und für die Abrechnung bereitgestellt werden. Das Abrechnungsverfahren muss daher über geeignete Inputschnittstellen verfügen.

  • In vielen Unternehmen sind Zusatzleistungen, wie z.B. für Kantinenabrechnungen, Belegschaftsverkäufe, Versicherungen, Mieten für Wohnungen etc. zu berücksichtigen. Nicht selten ist auch die Reisekostenabrechnung an die Entgeltabrechnung anzubinden. Hierbei geht es nicht nur darum, die Beträge auszuzahlen, sondern auch darum, die über den Freibeträgen liegenden Aufwandserstattungen zu versteuern. Hierfür sind Daten aus den Vorsystemen erforderlich.

2.3 Die Erfassung weiterer Daten

Heute müssen alle wesentlichen Unternehmensdaten den weiteren Managementsystemen (Management Information System, Management Support System, Executive Information System, Decision Support System) zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Daten der Abrechnungssysteme, denn in fast allen Unternehmen ist der Produktionsfaktor „Personal“ von herausragender Bedeutung.

Ein solcher Integrationsgedanke ist für die Entgeltabrechnung allerdings kaum realisiert worden. Im Vergleich zur Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung sind bei der Entgeltabrechnung die Anforderungen an Software, Wartung und Benutzer zu unterschiedlich, als dass die Integration wirklich Vorteile ergäbe. Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall, da kaum jemand das Rechnungswesen des gesamten Unternehmens gefährden will, wenn die Bundesregierung im Dezember eine Neuregelung für Januar beschließt und kurzfristig ein neues Release notwendig wird. Aus diesem Grund empfiehlt sogar einer der größten Vertreter des Integrationsgedankens in Deutschland, die SAP, die Entgeltabrechnung separat zu installieren und zu fahren.

Moderne Abrechnungssysteme liefern daher Schnittstellen, mit denen eigene Verarbeitungsschritte zwischengeschaltet werden können, die es erlauben, den Arbeitsprozess der Einbuchung von Personalkosten in die Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung (Finanzbuchhaltung) vollständig von dem der Entgeltabrechnung zu trennen. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die korrekte Ermittlung der Entgeltabrechnungsbeträge eine andere Aufgabe ist als die korrekte Verbuchung in der Buchhaltung.

So stellt z.B. PAISY Schnittstellen zur wiederholten Erstellung von Buchungssätzen zur Verfügung, die keine Auswirkung auf die bereits fertig erstellte – und auch gezahlte – Entgeltabrechnung haben. Diese Anforderung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die diesbezüglichen Buchungen und deren Kontrollen zumeist einige Tage nach der eigentlichen Entgeltabrechnung durchgeführt werden.

Die Daten aus der Entgeltabrechnung werden sowohl für das interne Berichtssystem als auch zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen benötigt. So sind z.B. in einschlägigen Werken (wie z.B. dem datakontext Verlag) Hunderte von Berichten, Meldungen und Bescheinigungen aufgelistet und beschrieben, die zur Erfüllung der verschiedenen Anforderungen erforderlich sind.

Unter Berücksichtigung der hausinternen Anforderungen des Managements summieren sich diese Berichte alles in allem auf viele hundert. Bei näherer Untersuchung wird zwar häufig deutlich, dass keineswegs alle der intern erstellten Auswertungen tatsächlich auch benötigt werden, aber der Aufwand für eine Überprüfung und Bereinigung ist sehr hoch und oftmals gegen Widerstände zu erbringen, mit denen die Besitzstände solcher Art verteidigt werden.

Dieses Problem wird am einfachsten durch Einsatz eines Reporting-Moduls gelöst, das die gewünschten Auswertungen anpassungsfähig mit überschaubarem Aufwand zu liefern vermag. Bei Einsatz leistungsfähiger Module lassen sich die gewünschten Auswertungen von den Anfordernden selbst realisieren (OLAP).

Bereits Standardauswertungen enthalten alle erforderlichen Dokumente, für die im Unternehmen eine Aufbewahrungspflicht besteht. Will man hier einen aufwendig organisierten Papierfriedhof oder eine entsprechende Mikroficheverwaltung vermeiden, muss das Abrechnungssystem an ein elektronisches Archivierungssystem angekoppelt werden.

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