Controlling-Lexikon

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Geschäftsprozessanalyse

1. Überblick

Als Geschäftsprozess (GP) bezeichnet man alle Prozesse der Leistungserstellung (Produktion von Gütern und Dienstleistungen) und der sie begleitenden Prozesse wie Verwaltung und Informationsverarbeitung (Information). Ein internationaler Hauhaltsgerätehersteller könnte seine Geschäftsprozesse z. B. wie folgt definieren:

  • Kundennutzenoptimierungs- und Vermarktungsprozess

  • Produktentstehungs- und Produktherstellungsprozess

  • Auftragsabwicklungsprozess

  • Logistik- und Serviceprozess

  • Unternehmensplanungs- und Controllingprozess

  • Personalentwicklungs- und -motivationsprozess

Eine Geschäftsprozessanalyse (GPA) ist kein Selbstzweck, sondern steht in einem übergeordneten Zusammenhang. Ziel ist eine Neugestaltung des Geschäftsprozesses (Business Process Redesign, Business Process Reengineering), der zum einen auf die Kunden- und Markterfordernisse eingeht (also einen hohen Kundennutzen erzielt) und zum anderen diese Ziele kostengünstig erreicht (also einen hohen Betriebsnutzen erzielt).

2. Abgrenzung des Reengineering von der Reorganisation

Das Business Reengineering ist von der Reorganisation abzugrenzen. Letztere bessert sichtbare Schwachstellen punktuell aus und führt im Endeffekt zu unbefriedigenden Ergebnissen anstatt zu effizienten, durchgängigen Geschäftsprozessen. Demgegenüber handelt es sich beim Business Reengineering um einen ganzheitlichen Ansatz, der von vornherein den gesamten Prozess betrachtet und ihn in allen seinen Teilprozessen neu strukturiert. Das Resultat sind Verbesserungen um Größenordnungen in entscheidenden, heute wichtigen und messbaren Leistungsgrößen in den Bereichen Kosten, Qualität (Qualitätscontrolling), Service (Service-Controlling) und Zeit.

Die Geschäftsprozessanalyse stellt einen einzelnen Schritt in einem Business-Process-Reengineering-Projekt dar (vgl. Abbildung 1). Vor der Durchführung des Projektes ist zunächst ein Fahrplan aufzustellen, in dem die Termine für die einzelnen Projektschritte festgelegt werden. Der Zeitraum für ein solches Projekt sollte die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten, da es sonst zum Selbstläufer wird und eine Eigendynamik entwickelt.

3. Phasen des Business Reengineering

Um zu verdeutlichen, welchen Anteil die GPA an dem Gesamtprojekt „Business Reengineering“ hat, wird im Folgenden auf die einzelnen Phasen des Business Reengineering (vgl. Abbildung 1) eingegangen:

  • Um die Geschäftsprozessanalyse zielgerichtet durchführen zu können, ist zunächst eine Markt- bzw. Kundenanalyse notwendig. Hieraus ergeben sich die wettbewerbskritischen Geschäftsprozesse und die Ziele, die der neu gestaltete Geschäftsprozess erfüllen muss.

  • Die Geschäftsprozessanalyse zeigt auf, wie die Geschäftsprozesse überhaupt ablaufen. Hierzu werden neben der Auswertung von bereits vorhandenen Unterlagen und Aufzeichnungen vor allem Mitarbeiter befragt. Als Alternative zu diesem zeitaufwendigen Verfahren bietet sich das Activity-Based Costing an, bei dem die Prozesselemente im Beisein der Prozessbeteiligten identifiziert werden. Folgendes Vorgehen hat sich bei der GPA bewährt:

    1. Im Rahmen der Bestandsaufnahme der physischen Werksstruktur ist festzustellen, wie die Produktpalette des Unternehmens aussieht, welche Maschinen mit welcher Kapazität eingesetzt werden und wie viele Mitarbeiter das Unternehmen beschäftigen soll.

    2. Bei der Untersuchung des zu Grunde liegenden Mengengerüstes geht es insbesondere um die Feststellung, wie viele Aufträge pro Monat eingehen, wie viele Positionen eine Bestellung durchschnittlich hat, welchen Wert die einzelnen Positionen haben und wie viele Kundendiensteinsätze pro Monat geleistet werden.

    3. Die Aufnahme der Ablauf- und Aufbauorganisation liefert Hinweise darauf, wo der Auftrag eingeht, an welche Abteilung er weitergereicht wird und mit welchem Informationsmedium die Aufträge weitergegeben werden.

    4. Oftmals können oder wollen die Mitarbeiter über die Bestimmung der Durchlauf- und Lieferzeiten keine Auskünfte geben. Zum einen werden solche Aufzeichnungen nicht explizit geführt, zum anderen herrscht Angst vor Druck. Durch den Einsatz von Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen wie SAP R/3 werden solche Informationen jedoch selbsttätig gespeichert und können durch den Einsatz von Abfrageroutinen aus dem System generiert werden.

    5. Die Aufnahme der prozessorientierten Kostenstruktur ist mit nicht unerheblichen Problemen verbunden, da in vielen Unternehmen noch keine Prozesskostenrechnung angewandt wird, obwohl bei Vollkostenrechnungssystemen (Kostenrechnungssysteme) aufgrund des abnehmenden Anteils an direkt zurechenbaren Kosten die Gemeinkostenumlagen (Gemeinkosten) in Schwindel erregende Höhen steigen. Dennoch ist diese Erhebung wichtig, um die Kostentreiber (cost driver) im Prozess zu erkennen.

    6. Ein ergänzendes Benchmarking zu den internen Ergebnissen ermöglicht einen Vergleich mit anderen Unternehmen und lässt eine Beurteilung der eigenen Situation zu.

    Die sorgfältige Aufnahme solcher Daten ist die Grundlage für das weitere Vorgehen. Daten, die in dieser Phase vergessen oder nicht genau aufgenommen wurden, lassen sich später nur unter großen Schwierigkeiten nacherheben.

    Die aufgenommenen Geschäftsprozess-Abläufe sind heute i.d.R. so komplex und vielschichtig, dass sie ohne softwaremäßige Unterstützung nicht mehr verständlich dargestellt werden können. Deshalb werden die GP-Abläufe in Software-Tools wie Aris oder Bonapart hinterlegt, mit deren Hilfe die Abläufe dokumentiert, modelliert, analysiert und grafisch dargestellt werden können. Bereits aus der graphischen Darstellung eines GP werden Schwachstellen deutlich, die durch die Analysefunktionen noch tiefgreifender ausgewertet werden können. Simulationsfunktionen bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Auswirkungen von Änderungen in der GP sichtbar zu machen.

  • Im Anschluss an die Geschäftsprozessanalyse wird die Soll-Struktur des Geschäftsprozesses festgelegt, die sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforganisation umfasst. Diesbezüglich ist allerdings zu beachten, dass es keine „optimalen“ Geschäftsprozesse gibt, sondern höchstens einen auf den jeweiligen Anwendungszweck zugeschnittenen Prozess.

    Die Erarbeitung der Soll-Struktur gliedert sich in zwei Phasen. In der ersten Phase wird der Ablauf angepasst, in der zweiten die dazu notwendige Aufbauorganisation bestimmt.

  • Die drei Schritte „Bestimmung der wettbewerbskritischen GP“, „Durchführung einer GPA“ sowie „Erstellen einer Soll-Struktur“ nehmen ca. 45 % des Gesamtprojektaufwandes in Anspruch. Die restlichen 55 % nimmt zum ganz überwiegenden Teil die Umsetzung der Soll-Struktur im Unternehmen in Anspruch, bei der die psychosozialen Aspekte im Vordergrund stehen.

    Die Umsetzung ist generell gefährdet, wenn die Mitarbeiter nicht von vornherein in das Projekt involviert waren und ihre Sorgen und Ängste ernsthaft berücksichtigt wurden.

  • Ein nicht selten vernachlässigter Punkt ist die Kontrolle der Zielerreichung. Die bei der Soll-Struktur festgelegten Parameter müssen auf ihre Verwirklichung überprüft werden. Bei Abweichung von den vorgegebenen Zielen sind Maßnahmen, z.B. eine erneute Überarbeitung des GP, zu ergreifen. Ziel der Kontrolle ist aber nicht die Aufdeckung neuer Schwachstellen. Erkannte Schwachstellen des neuen Geschäftsprozesses müssen in einem neuen Process-Reengineering-Durchlauf beseitigt werden.

4. Erfolgsfaktoren des Business Reengineering

Erfahrungsgemäß scheitern etwa 50 bis 75 Prozent aller Business-Reengineering-Projekte. Den folgenden Erfolgsfaktoren kommt für die Umsetzung des Business Reengineering eine besondere Bedeutung zu:

  • Eine tiefe und schnelle Analyse und rasche Umsetzung.

  • Die Berücksichtigung und Umsetzung der Psychologie der Veränderungsprozesse.

  • Der Einsatz von Werkzeugen, die eine nachhaltige Effizienzorientierung sicherstellen.

Der am Beginn des Projektes stehende Erfolgsfaktor der Geschäftsprozessanalyse stellt die Weichen für eine erfolgreiche Durchführung des Projektes. Hierdurch wird nochmals die Bedeutung der Geschäftsprozessanalyse bei einem Reengineering-Projekt verdeutlicht.

5. Ermitteln von Rationalisierungspotenzialen

Rationalisierungspotenziale (RP) sind nicht allein in der eigentlichen Prozesskette zu finden, sondern auch in den begleitenden organisatorischen Strukturen. Es gibt daher keine Patentrezepte für das Erkennen von Rationalisierungspotenzialen. Folgende Beschreibung von Ansatzpunkten für Rationalisierungspotenziale sollen daher nur die grundsätzliche Zielrichtung von Maßnahmen zur Geschäftsprozess-Verbesserung darstellen.

  • Ein großes Rationalisierungspotenzial besteht in der Lieferantenstruktur. Heute herrscht oft noch „Sicherheitsdenken“ in den Unternehmen vor, sodass für eine Sachnummer mehrere Lieferanten (multiple sourcing) ausgesucht werden. Die Beschränkung auf wenige Schlüssellieferanten (single sourcing), die möglichst auch mehrere Sachnummern liefern, hat demgegenüber mehrere Vorteile (wie z.B. Rabattvorteile, die bei Elektronikkomponenten bis zu 30 % betragen können). Ferner können Rahmenverträge über größere Stückzahlen abgeschlossen werden, die dem Lieferanten Planungssicherheit für die nächsten Jahre bringen und ihm die Entscheidung zu Kosten sparenden Investitionen (z.B. in neue Maschinen) erleichtern, die allerdings nicht selten auf eben diesen einen Abnehmer zugeschnitten sind und deshalb ein Abhängigkeitsverhältnis begründen.

    Durch die gegenseitige Abhängigkeit wächst das Interesse des Lieferanten am Wohlergehen des Herstellers. Die Gefahr, dass der Lieferant ausfällt (oder dass er die Abhängigkeit des Herstellers von ihm dazu missbraucht, seine Forderungen höher zu schrauben), lässt sich durch Verträge reduzieren, nach denen er z.B. für alle Folgekosten aufkommt, die durch seine Nicht- oder Schlechtlieferung verursacht wurden.

  • Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Komplexitätsreduzierung von Vorgängen (Komplexitätskosten). So gibt es zum einen an den Schnittstellen des Unternehmens zur Umwelt (Kunden/Lieferanten) mehrere Ansprechpartner für einen Kunden. Zwar kann die hierdurch hervorgerufene Informationszersplitterung durch moderne Informationstechnologien größtenteils behoben werden, doch es ist das Ziel, dass der Kunde nur einen Ansprechpartner hat, an den er sich bei allen Fragen wenden kann („one face to the customer“). Zu diesem Konzept gehört auch die Einrichtung von Call-Centern, die eine Erstberatung und Filterung der Kunden vornehmen und ihn dann an die zuständige Stelle weitervermitteln bzw. selber die nötigen Informationen einholen und dem Kunden weitergeben. Zum anderen sind die GP oft sehr variantenreich.

  • Innerhalb des GP soll eine weitgehende Flexibilität erreicht werden. Die Auswirkungen einer Flexibilitätsorientierung laufen in die gleiche Richtung wie die Maßnahmen zur Reduzierung der Komplexität. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist hierbei die Teambildung, bei der in der Produktion so genannte Fertigungsinseln geschaffen werden, die aus 6 bis 8 Mitarbeitern bestehen, räumlich zusammengefasst sind und selbstständig den Arbeitsablauf eines Ausschnittes des GP organisieren (Fertigungsorganisation). Meistens geht ein solcher Ansatz einher mit einem Abbau von Hierarchien, von dem besonders die Meisterebene und das mittlere Management betroffen sind.

6. Kostenwirksamkeit der Rationalisierungsmaßnahmen

Die geschilderten Maßnahmen zur Erschließung von Rationalisierungspotenzialen, wie z.B. Imageverbesserungen, höhere Kundenbindung usw. haben im Endeffekt auch monetäre Auswirkungen, die aber unter Umständen nicht direkt messbar sind. Es empfiehlt sich daher, zumindest die Auswirkungen der GP-Veränderung auf folgende Kostenfaktoren abzuschätzen:

  • Bestandskosten: Innerhalb des Produktionsprozesses ergeben sich besonders bei hochwertigen Gütern wie Autos wertmäßig hohe Bestände an Halbfabrikaten. Diese Bestände lassen sich zum einen durch Verkürzung der Durchlaufzeiten, zum anderen durch intelligente Zuliefererverfahren (JIT-Konzept) verringern. Die Bestände an Fertigfabrikaten in den Lägern lassen sich durch Vermeidung von Mehrfachbevorratungen von Sachnummern in verschiedenen Lägern reduzieren.

  • Steuerungskosten (Mensch und Material): Jede zusätzliche Sachnummer verursacht Steuerungskosten im Sinne von Dispositions- und Bestellmaßnahmen. Auch das Verschrottungsrisiko, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingekaufte Sachnummer verschrottet werden muss, weil sie aufgrund von Produktionseinstellungen oder änderungen von Artikeln nicht mehr im Produktionsprozess verwendet werden kann oder als Ersatzteil bereits zu lange auf Halde liegt, geht mit den Herstellkosten in die Berechnung der Steuerungskosten ein. Eine Reduzierung der Variantenvielfalt führt daher in der Regel zu einer Kostenreduktion (Komplexitätskosten).

  • Ausschuss- und Fehlerfolgekosten: In vielen Firmen wird die Nachbesserung von Produkten noch als unvermeidbar hingenommen. Folgt man jedoch der aus dem Total Quality Management (TQM) stammenden Devise „Nicht der Mitarbeiter macht Fehler, sondern der Prozess lässt Fehler zu“ und durchleuchtet den Prozess systematisch auf Fehlermöglichkeiten, um ihn anschließend neu zu gestalten, lassen sich diese Kosten unter Umständen drastisch reduzieren.

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