Controlling-Lexikon

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Integrationscontrolling

1. Überblick

Der Begriff der Integration lässt sich vom lateinischen Verb „integrare“ (vervollständigen) bzw. vom Substantiv „integratio“ (Wiederherstellung eines Ganzen) ableiten. Man versteht darunter die Herstellung einer Einheit oder die Eingliederung in ein größeres Ganzes. Weniger eindeutig als die Semantik ist allerdings die Anwendung des Integrationsbegriffs in der Betriebswirtschaftslehre, wo die Definitionsversuche ebenso zahlreich wie unterschiedlich sind.

Überzeugen kann im Rahmen akquisitionsbezogener Fragestellungen allerdings der Definitionsversuch von Gerpott, der den Prozess der Integrationsgestaltung in den Vordergrund stellt und somit Ansatzpunkte eines gestaltenden Eingreifens entlang des Integrationsprozesses liefert (Akquisitionsplanung). Der Kern der Integrationsgestaltung besteht danach darin, dass erwartete Synergiepotenziale in tatsächliche Synergieeffekte umgewandelt werden, wobei man diese Umwandlung durch Ressourcentransfers erreicht, die sich in vier verschiedenen Dimensionen abspielen können (vgl. Abbildung 1).

Akquisitionsrelevante Synergiepotenziale
Finanzwirtschaftliche Synergiepotenziale Güterwirtschaftliche Synergiepotenziale Wissensbezogene Synergiepotenziale Marktliche Synergiepotenziale
Wertsteigerungschancen im Finanzbereich:

  • Bessere Kapitalstruktur

  • Niedrige Kapitalkosten

  • Geringeres Risiko

  • Cash-Management

  • Niedrige Kapitalkosten

Konsolidierung des Overheads:

  • Zusammenfassung von Service-/Sekundärabteilungen

  • Eliminierung nicht wertschöpfender Aktiva und Aktivitäten

Know-how-Transfer im Managementbereich:

  • Neue Steuerungsgrößen

  • Effizientere Führungsstile

Economies of scope/scale:

  • Cross-Selling von Produkten

  • Zugang zu neuen Märkten

  • Technologietransfer

  • Erweiterte geografische Abdeckung

Umstrukturierung von Vermögenswerten:

  • Liquidationen

  • Desinvestitionen

  • Spin-offs

Beschaffungswesen:

  • Kostendegression durch hohes Beschaffungsvolumen

  • Identifikation unternehmensübergreifender Preisunterschiede etc.

Know-how-Transfer im Organisationsbereich:

  • Angepasste Anreizsysteme

  • Neue Organisationsformen (Center-Organisationen, Vertriebsstrukturen)

Marktchancen:

  • Optimale Nutzung der Vermögenswerte (Markennamen etc.)

  • Optimale Nutzung der Erfahrungswerte

  • Erhöhte Marktmacht

Realisierung ungenutzter Wertsteigerungspotenziale:

  • Reduzierung des Netto-Umlaufvermögens

  • Verkauf nicht ausgelasteter Immobilien

Marketing und Vertrieb:

  • Eliminierung von Budgets mit identischer Zielabdeckung

  • Konsolidierung von Regionalbüros

Know-how-Transfer im operativen Bereich:

  • IT-Know-how

  • Know-how im Bereich des Lieferantenmanagements

  • Verfahrens-Know-how

Alternative Finanzierungsmöglichkeiten:

  • IPOs

  • Nutzung innovativer Finanzierungsinstrumente

  • Sale & Lease Back

Rechnungswesen:

Versteht man unter Integrationserfolg einen realisierten Ressourcentransfer, so ist Gegenstand des Integrations-Controlling der zu vollziehende Ressourcentransfer in der finanzwirtschaftlichen, güterwirtschaftlichen, wissensbezogenen und marktlichen Dimension. Das Integrations-Controlling ist somit ein Subsystem des Akquisitions-Controlling-Systems, welches die komplette Transaktion ausgehend von der Strategiephase über die Phase der Partnersuche und Partnerbewertung und des Closing bis hin zur Integrationsphase begleitet.

Dabei beziehen sich die funktionalen Aspekte des Integrations-Controllings auf die Aufgaben, die im Rahmen der Integrationsgestaltung entlang des Akquisitionsprozesses durchgeführt werden müssen, um eine Integration erfolgreich zu Ende zu bringen. Zweckmäßig ist eine Aufteilung in strategische und operative Aufgaben (vgl. Abbildung 2).

Zu den strategischen Aufgaben des Integrations-Controllings gehören:

  • Die Entwicklung von Planungs- und Kontrollverfahren für die Integrationsgestaltung

  • Die Entwicklung von Verfahren zur Planung von Integrationsbedarf und Integrationspotenzial

  • Die Entwicklung von Verfahren zur Kostenabschätzung der Integrationsgestaltung

  • Die Durchführung und Betreuung des strategischen Integrations-Planungsprozesses, insbesondere die Unterstützung bei der Auswahl der Integrations-Strategie

  • Die Gestaltung eines Informationsversorgungs-Systems für die Planung und Kontrolle der Integrationsgestaltung (Information).

  • Die Aufklärung über Art, Umfang und Zeitpunkt des geplanten und tatsächlichen Anfalls der Ressourcentransfers.

Zu den operativen Aufgaben des Integrations-Controllings gehören:

  • Die Durchführung der Koordinationsfunktion im operativen Bereich

  • Die integrationsspezifische Planung eines konkreten Akquisitionsprozesses

  • Die Inganghaltung der Planungstätigkeit und die Koordination der Teilpläne

  • Die operative Gestaltung und Pflege des Informationsversorgungs-Systems, d.h. die tatsächliche Informationsbeschaffung und aufbereitung aller für die Integrationsgestaltung relevanten Daten (Informationsbedarf)

  • Die Ausübung der operativen Kontrolle der Integrationsgestaltung, d.h. die Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen, beispielsweise hinsichtlich erwarteter und tatsächlich realisierter Ressourcentransfers, und die Realisierung erforderlicher Gegensteuerungs-Aktivitäten

Aus instrumentaler Sicht gehören zu den Aufgaben des Integrations-Controllings insbesondere die Erstellung, Implementierung und der Einsatz adäquater Instrumente zur Planung, Steuerung und Kontrolle der Integrationsgestaltung. Einen viel versprechenden Ansatz hierzu stellt eine abgewandelte Form der Balanced Scorecard dar. Diese Anpassung der Balanced Scorecard zum so genannten „PMI-Dashboard“ knüpft an den zu realisierenden Synergiepotenzialen und Parametern der Integrationsgestaltung an. Das PMI-Dashboard unterstützt den optimalen Ressourcentransfer in den Synergiedimensionen und leistet als Controlling-Instrument einen Beitrag zur Realisierung des Integrationserfolges:

  • Zur Sicherstellung des Ressourcentransfers in der finanzwirtschaftlichen Dimension werden relevante Zielgrößen ermittelt, die sich aus den erwarteten finanzwirtschaftlichen Synergiepotenzialen ableiten lassen. Operationalisiert werden diese Zielgrößen über Maßzahlen und an Zeitfenster gebundene Zielvorgaben (vgl. Abbildung 3).

  • Der güterwirtschaftliche Ressourcentransfer stellt im Rahmen der Integration der Akquisitionspartner die am nächsten liegende Dimension dar. Hierbei stehen Themen wie die Optimierung von Produktionsstandorten, die Neuregelung von Funktionen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsregeln oder die Homogenisierung von Planungs-, Informations- und Entgeltsystemen im Vordergrund. Je nach Akquisition existieren hinsichtlich des Integrationsumfangs und der Integrationstiefe einzelner betrieblicher Funktionen unterschiedliche Varianten. Das Spektrum reicht von einer vollständigen Funktionsintegration (beispielsweise im Beschaffungsbereich) über die Teilfunktionsintegration bis hin zur „Null-Integration“.

  • Die wissensbezogene Dimension des PMI-Dashboard dient der Planung, Steuerung und Kontrolle des Know-how-Transfers in verschiedenen Bereichen, insbesondere im Management-Bereich, im Organisationsbereich und im operativen Bereich. Die Dimension des wissensbezogenen Ressourcentransfers richtet sich in erster Linie an die Wissensträger im Unternehmen.

  • Die Realisierung des marktlichen Ressourcentransfers hängt von der verfolgten Marktstrategie der Akquisitionspartner ab. Ausgehend von der isolierten Marktsicht der an der Transaktion beteiligten Unternehmen ist eine konsolidierte Betrachtung der integrierten Geschäftsfelder erforderlich. Gemeinsam sind Verbesserungspotenziale der aktuellen Wettbewerbsposition zu eruieren und eine Gesamtstrategie abzuleiten.

  • Die Unterschiede bezüglich der Auffassungen zur Relevanz der Rolle der Unternehmenskultur bei Akquisitionen in Wissenschaft und Praxis sind bemerkenswert. Unstrittig ist gleichwohl, dass die kulturelle Integration als definierter Prozess dem Management zugänglich ist. Unterschiede im unternehmenskulturellen bzw. auch sozio-technischen Bereich können mittels Zielgrößen operationalisiert werden. Die verschiedenen Unternehmenskulturen der Akquisitionspartner und die Art und Weise der kulturellen Integration sind relevant für die Ressourcentransfers in den jeweiligen Dimensionen. Sie lassen sich neben den vier Synergieperspektiven ebenfalls als Controlling-Objekt in dem PMI-Dashboard abbilden (vgl. Abbildung 4).

Vereinigt man die Dimension der kulturellen Integration mit den vier Dimensionen des Ressourcentransfers, erhält man das komplette PMI-Dashboard. Es enthält die durch die Integration erwarteten Synergien und operationalisiert diese mittels der Übersetzung in Ziel- und Maßgrößen. Mit seiner Hilfe können die Ressourcentransfers geplant, gesteuert und kontrolliert werden. Abweichungsanalysen geben Aufschluss über Fehlentwicklungen in den einzelnen Ressourcentransferdimensionen und ermöglichen frühzeitige Korrekturen. Darüber hinaus werden mit seiner Hilfe die Integrationsziele visualisiert, sodass diese sowohl auf Management- als auch auf Mitarbeiterebene besser kommuniziert werden können. Allerdings sind folgende Punkte zu beachten:

  • Das PMI-Dashboard darf nicht zu einer Kennzahleninflation führen. Zu viele Kennzahlen machen das PMI-Dashboard unübersichtlich.

  • Bezüglich Struktur und Inhalt darf das PMI-Dashboard nicht statisch sein. Vielmehr ist es im Verlauf des Akquisitionsprozesses ständig an neue Erkenntnisse und Rahmenbedingungen anzupassen.

  • Bedingt durch die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Dimensionen ist die Optimierung des Gesamtsystems anzustreben, nicht die Optimierung der Subsysteme.

Zur Bestückung der verschiedenen Dimensionen des PMI-Dashboard bietet sich als Instrument eine Stärken-Schwächen-Analyse der an der Akquisition beteiligten Unternehmen zu Anfang des Akquisitionsprozesses an. Sie kann die Ausgangslage der Akquisitionspartner erfassen und bietet so die Möglichkeit, zunächst potenzielle Synergieeffekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie innerhalb der verschiedenen Synergiedimensionen zu analysieren.

2. Institutionale Aspekte des Integrations-Controllings

Die funktionalen und instrumentalen Aspekte des Integrations-Controllings können einen gewichtigen Beitrag zur praktischen Problemlösung leisten. Darüber hinaus müssen jedoch auch alle wesentlichen Aspekte in einer konkreten organisatorischen Lösung verankert werden. Die Organisation ist einerseits zu planen, zu steuern und zu kontrollieren, andererseits ist das Controlling zu organisieren. Hierbei sind ablauf- und aufbauorganisatorische Aspekte zu unterscheiden.

2.1 Ablauforganisatorische Aspekte des Integrations-Controllings

Vor der Überführung des entwickelten PMI-Dashboard in einen allgemeinen Ablaufrahmen und vor der Entwicklung einer sinnvollen Ablaufprozedur sind drei wichtige Ausgangsfragen zu beantworten:

  1. Welche Teilschritte werden für den Ablauf eines Controllings der Integrationsgestaltung als sinnvoll erachtet?

  2. Welche zeitlichen Zyklen sind für die Ist-Erfassung der Zielerreichung sinnvoll?

  3. Wie wird der Integrations-Controlling-Prozess im Allgemeinen und das PMI-Dashboard im Besonderen in die bestehende Planungssystematik eingegliedert?

Für den Ablauf eines Controllings der Integrationsgestaltung werden folgende Teilschritte als sinnvoll erachtet:

  • Zunächst sind im Rahmen der Zielfestlegung bei der Integrationsgestaltung je Dimension der Ressourcentransfer und für die unternehmenskulturelle Kopplungsfunktion eine Performance-Planung für alle in der jeweiligen Perspektive definierten Maßgrößen durchzuführen. Diese sollten sich auf den festgelegten Planungsendzeitpunkt sowie auf vorgelagerte Planungsetappen (Meilensteine) beziehen.

  • Die Ausprägungen der Maßgrößen sind möglichst genau und zeitnah zu erfassen. Die Ergebnisse der Messung werden im Dashboard dokumentiert.

  • Die Planwerte werden mit den ermittelten Ist-Werten für alle Maßgrößen auf allen Aggregationsstufen verglichen. Bei Planabweichungen werden Analyseaktivitäten zur Ermittlung der Abweichungsursachen durchgeführt.

  • Nach der Analyse der Abweichungsursachen werden Maßnahmen und Wege zur besseren Planzielerreichung aufgezeigt. Sofern aufgrund ungünstiger Entwicklungen im Integrations- bzw. Akquisitionsumfeld keine Planerreichung möglich ist, erfolgt mittels der geänderten Daten eine Plananpassung der einzelnen Vorgaben.

Die Messung der Ist-Zustände kann täglich, wöchentlich oder monatlich erfolgen. Determiniert wird das Messintervall im Wesentlichen von der Relevanz des Synergieaspekts für eine erfolgreiche Integrationsgestaltung sowie von wirtschaftlichen Aspekten. Längere Messintervalle kommen in der Regel vor allem für weniger wichtige Bereiche in Betracht, da der Aufwand der Teilschritte „Messung“ und „Auswertung“ nicht zu unterschätzen ist.

Die Einbindung des PMI-Dashboard erfolgt in Konzernen in einem dreistufigen Konzernplanungs-System. Ausgehend von der 1. Ebene (Konzernebene) werden die in der Konzern-Balanced-Scorecard vereinbarten Ziele auf die jeweiligen Scorecards der Unternehmensebene (2. Ebene) heruntergebrochen bzw. mit den verantwortlichen Führungskräften im Gegenstromverfahren (Gegenstromplanung) vereinbart. Dieselbe Prozedur findet zwischen der Unternehmensebene und der Projekt- oder Bereichsebene (3. Ebene) statt. Die Rückmeldung der gemessenen Leistungswerte erfolgt von unten nach oben.

2.2 Aufbauorganisatorische Aspekte des Integrations-Controllings

Zu den aufbauorganisatorischen Aspekten des Integrations-Controllings gehören zum einen die generelle und institutionalisierte Zuordnung von Personen und Ressourcen zu den Aufgabenbereichen des Integrations-Controllings und zum anderen die Festlegung der Kompetenzen der Träger dieser Aufgabenbereiche. Zu den aufbauorganisatorischen Gestaltungsparametern gehört ferner die Einordnung des Integrations-Controllings in die Unternehmenshierarchie, also die Festlegung der hierarchische Einordnung des Integrations-Controlling im Leitungssystem. Folgende drei Ausprägungen der hierarchischen Einordnung sind besonders praxisrelevant:

  • Das Integrations-Controlling wird direkt der Unternehmensleitung – vorzugsweise in der Ausprägung einer Stabsstelle mit dem Vorteil des direkten Durchgriffs auf das Akquisitionsmanagement – unterstellt.

  • Das Integrations-Controlling wird der Controlling-Abteilung (bzw. je nach Konkretisierung auch der Abteilung des Beteiligungs-Controllings) unterstellt. Der Vorteil besteht bei dieser Konstellation in der fachlichen Autonomie und hierarchischen Unabhängigkeit vom Akquisitionsmanagement.

  • Das Integrations-Controlling wird in der Unternehmenshierarchie als Bestandteil des Akquisitions-Projektmanagement als lediglich temporäre Organisationseinheit (mit dem Vorteil der organisatorischen Nähe und Einbindung in das Akquisitionsmanagement) geführt.

Welche dieser Möglichkeiten die sinnvollste ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung aller unternehmensindividuellen Umstände entschieden werden.

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