Controlling-Lexikon

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Markteintrittsbarrieren

1. Überblick

In den letzten Jahren haben sich Schärfe und Tempo des Wettbewerbs drastisch erhöht, und zwar in allen Branchen. Selbst in Wirtschaftszweigen, die lange als nahezu statisch galten, etwa in der Uhrenindustrie, kam es durch plötzliche Technologieschübe (Quarz- und Digitaluhren) zu unerwarteter Dynamik und Unsicherheit im Wettbewerbsumfeld. Diese Dynamik fordert von den Unternehmen eine ständige Anpassung an neue Verhältnisse. Eine wichtige Herausforderung besteht darin, durch gezielte Planung von Markteintritten neue Chancen wahrzunehmen und die hiermit verbundenen Risiken nicht aus den Augen zu verlieren.

Beim Markteintritt beginnt ein Unternehmen mit Geschäften auf einem produkt- bzw. zielgruppenbezogenen oder räumlichen Markt, der von ihm bisher nicht bearbeitet wurde. Es kann sich dabei sowohl um eine Unternehmensneugründung als auch um diversifizierende Unternehmungen handeln, die mit neuen Produkten auf neue Märkte gehen, sowie um Unternehmungen, die mit dem bestehenden Produktionsprogramm geographisch neue Märkte erschließen.

Der Markteintritt eines weiteren Anbieters bedeutet für die bereits im Markt etablierten Unternehmen regelmäßig eine Gefahr, weil durch die neuen Kapazitäten die Preise gedrückt werden können und somit die Rentabilität in der Branche gesenkt wird.

2. Der Begriff Markteintrittsbarrieren

Unter Markteintrittsbarrieren versteht man hemmende Einflussfaktoren eines erfolgreichen Markteintritts. Sie lassen sich als Summe aller Faktoren definieren, die es einer Unternehmung erschweren oder gänzlich unmöglich machen, Mitglied in einem für sie relevanten Markt zu werden. Solche Nachteile, die eintretende Unternehmung gegenüber etablierten Anbietern haben, können den Eintritt erschweren oder sogar gänzlich unmöglich machen.

Hinweis:

Synonym zum Begriff Markteintrittsbarrieren verwendet man auch die Bezeichnungen Markteintrittsschranken oder Markteintrittshemmnisse bzw. den englischen Begriff barriers to entry. Nicht zu den Markteintrittsbarrieren zählen konsumentenbezogene Marktwiderstände, die insbesondere in jungen Märkten bedeutsam sind (z.B. Nichtkauf, weil der Konsument von dem Produkt nichts weiß).

Die Attraktivität eines Marktes wird maßgeblich durch die Höhe der Markteintrittsbarrieren bestimmt, insbesondere weil sie das Risiko sowie den Zeit- und Kapitalbedarf für den Markteintritt determinieren. Markteintrittsbarrieren mindern somit die Intensität des Wettbewerbs, da sie die Anzahl der Wettbewerber reduzieren bzw. niedrig halten. Ferner steigen die Gewinnmöglichkeiten der etablierten Anbieter, da unter anderem oligopolistische Übereinkünfte möglich werden und die Macht gegenüber Abnehmern und Lieferanten steigt. Demzufolge sind Eintrittsbarrieren aus wettbewerbspolitischer Sicht unerwünscht.

3. Mobilitätsbarrieren und strategische Gruppen

Der Begriff Mobilitätsbarrieren – der maßgeblich von Michael E. Porter geprägt wurde – steht in engem Zusammenhang mit dem Konzept der strategischen Gruppen. Bei einer strategischen Gruppe handelt es sich um eine Gruppe von Unternehmen in einer Branche, die dieselbe oder eine ähnliche Strategie verfolgen. Ähnlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die strategischen Schlüsselvariablen, wie Kostenstruktur, Produktpalette, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und bediente Märkte, vergleichbare Ausprägungen aufweisen. Differenzierte strategische Gruppen entstehen u.a. durch unterschiedliche anfängliche Stärken und Schwächen der Unternehmen (Stärken- und Schwächenanalyse) oder ungleiche Markteintrittszeitpunkte.

Zwar herrscht innerhalb einer strategischen Gruppe ein intensiver Wettbewerb, verschiedene strategische Gruppen schützen sich aber ebenfalls durch Barrieren gegeneinander. Mobilitätsbarrieren schützen die Attraktivität einer strategischen Gruppe, indem sie be- oder verhindern, dass ein Unternehmen von einer strategischen Gruppe in eine andere wechseln kann. Insofern geht das Konzept der Mobilitätsbarrieren weiter als das der Eintrittsbarrieren, da Mobilitätsbarrieren der strategischen Gruppe nicht nur Schutz vor dem Markteintritt eines branchenfremden Unternehmens bieten, sondern auch den Wechsel brancheninterner Unternehmen aus einer anderen strategischen Gruppe verhindern.

4. Arten von Markteintrittsbarrieren

4.1 Strukturelle Markteintrittsbarrieren

Als erster untersuchte Joe S. Bain die Ursachen bzw. Formen von Eintrittsbarrieren. Er definiert vor allem drei Ursachen für Markteintrittsbarrieren:

  • Produktdifferenzierungsvorteile liegen vor, wenn für das Angebot der bereits etablierten Unternehmen als Folge entsprechender Werbung bei den Kunden Präferenzen bestehen. Insbesondere hemmen starke Marken den Markteintritt.

  • Im Fall von absoluten Kostenvorteilen muss der Neueinsteiger weniger kostengünstig produzieren.

  • Betriebsgrößenvorteile sind laut Bain umso relevanter, je höher der Marktanteil ist, den ein neuer Anbieter erreichen muss, um die gleichen Kostenvorteile wie etablierte Anbieter zu erreichen.

Die Untersuchung von Bain mündet in der Aufstellung der Markteintrittsbedingung, welche bestimmt wird durch das Ausmaß der Produktdifferenzierungs-, Betriebsgrößen- und absoluten Kostenvorteile. Je höher diese Barrieren sind, desto eher können etablierte Anbieter Preise über dem Wettbewerbsniveau verlangen, ohne Markteintritte zu provozieren:

Die „Bain-Formel“

Der Abstand zwischen maximalem eintrittsverhindernden Preis und dem Wettbewerbspreis wird noch größer, wenn ein neuer Anbieter damit rechnen muss, durch sein zusätzliches Angebot den Marktpreis zu senken.

4.2 Markteintrittsbarrieren nach Porter

Den meisten Analysen zu Markteintrittsbarrieren liegt eine Einteilung zugrund, die auf Michael E. Porter zurückgeht. Porter erweiterte das Konzept von Bain auf sechs Ursprünge für die Barrieren:

  • Betriebsgrößenersparnisse (economies of scale)

    Von Betriebsgrößenersparnissen wird gesprochen, wenn die Stückkosten eines Produkts bei steigender absoluter Menge pro Zeiteinheit sinken (Kostenarten, Fixkosten, Variable Kosten). Betriebsgrößenersparnisse schrecken ab, indem sie den Neuanbieter zwingen, entweder mit hohem Produktionsvolumen (und damit hohen Kosten) einzusteigen und dabei das Risiko hoher Vergeltungsmaßnahmen der etablierten Wettbewerber einzugehen oder mit niedrigem Produktionsvolumen einzusteigen und somit Kostennachteile in Kauf zu nehmen. Der Aufbau großer Kapazitäten lohnt sich zudem nur, wenn auch ein hoher Absatz erzielt werden kann.

  • Produktdifferenzierung

    Unternehmen errichten Eintrittsbarrieren, wenn sie über bekannte Marken oder Käuferloyalität auf Grund früherer Werbung oder Ähnliches verfügen. Auch die bessere Kundenkenntnis zählt hierzu. Einen Spezialfall stellt der so genannte Pioniereffekt dar, der dem Erstanbieter große Vorteile bringt. Die Überwindung von Markteintrittsbarrieren aus Produktdifferenzierung erfordert erhebliche Mittel.

  • Kapitalbedarf

    Sind für den Markteintritt große Mengen Kapital aufzubringen, kann das den Einstieg wesentlich erschweren. So schuf Xerox eine erhebliche Eintrittsbarriere bei Kopiergeräten, weil man sie nicht verkaufte, sondern vermietete. Somit war auch für Neueinsteiger mehr Umlaufkapital notwendig.

  • Umstellungskosten

    Wechselt ein Kunde vom Produkt eines Lieferanten zu dem eines anderen, entstehen in der Regel einmalige Kosten (z.B. für Umschulung der Mitarbeiter). Bei hohen Umstellungskosten (insbesondere im Systemgeschäft) müssen neu in den Markt eintretende Anbieter deutlich preisgünstiger als die etablierten Anbieter sein oder aber qualitativ erheblich bessere Leistungen anbieten, um die Kunden zu einem Wechsel zu bewegen.

  • Zugang zu Vertriebskanälen

    Neu eintretende Unternehmen können daher nur versuchen, in die bestehenden Distributionskanäle zu gelangen (etwa durch Preissenkungen) oder gemeinsame Werbeaktionen mit den Distributoren durchzuführen. Gelingt dies nicht, so bleibt nur die Möglichkeit, völlig neue Vertriebswege zu schaffen.

  • Größenunabhängige Kostennachteile (absolute Kostenvorteile der Etablierten)

    Zu den Vorteilen der etablierten Anbieter gehören insbesondere:

    • Vorhandene Produkttechnologie (Know-how, Rezepte, Patente etc.)

    • Zugang zu billigen Rohstoffquellen oder günstige Standorte

    • Niedrigere Kapitalkosten

    • Staatliche Subventionen, die bevorzugt für etablierte Unternehmen vergeben werden

    • Durch Lern- oder Erfahrungskurve geschaffene Eintrittsbarriere

  • Staatliche Politik

    Die staatliche Politik zählte nicht zu Porters ursprünglichen Eintrittsbarrieren. Auf den internationalen Märkten nimmt ihre Bedeutung aber immer mehr zu, da die Politik eines Staates in der Lage ist, den Markteintritt zu begrenzen oder gar zu verhindern, etwa durch Mittel tarifärer Art (Zölle) und nichttarifärer Art (Subventionen, Lizenzzwang, Kontingente, Vorschriften, Normen). So war der Markteintritt in die Telekommunikationsbranche wegen eines staatlich verordneten Monopols lange Zeit völlig versperrt.

    Häufig sind staatliche Hindernisse darauf ausgerichtet, Wettbewerbern aus dem Ausland den Marktzugang zu erschweren bzw. sie ganz aus einem Markt herauszuhalten. Es gibt allerdings auch staatliche Zugangshemmnisse auf dem Binnenmarkt, beispielsweise bei Taxi-Konzessionen. Im Allgemeinen sind rechtlich-politische Barrieren besonders wirksam, weil sie mit normalen Marketingmitteln nicht überwunden werden können.

4.3 Strategische Markteintrittsbarrieren

Neben den bisher dargestellten Markteintrittsbarrieren können weitere, von den Anbietern errichtete „strategische“ Markteintrittsbarrieren existieren, die in letzter Zeit immer mehr im Mittelpunkt stehen.

  • Erhöhung bestehender Barrieren

    Etablierte Unternehmen profitieren von Eintrittsbarrieren. Sie haben daher einen Anreiz, die bestehenden strukturellen Barrieren weiter aufzustocken. Die Zielsetzung besteht darin, Wettbewerbsvorteile nicht nur zu besitzen, sondern sie auch zu verteidigen oder auszubauen. Der etablierte Anbieter kann etwa Distributionsbarrieren gezielt aufbauen, indem Absatzmittler vertraglich gebunden oder die Absatzkanäle so stark mit eigenen Produkten belegt werden, dass bei den Distributoren kein Interesse an zusätzlichen Produktvarianten besteht. Um Markteintritte zu vereiteln, können auch Zweit- und Billigmarken eingeführt werden

  • Vergeltungsmaßnahmen

    Ob ein Unternehmen in einen Markt eintritt, hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es für diesen Schritt Vergeltung erwarten muss. Dabei ist es wichtig, ob die etablierten Anbieter bereits vor einem Eintritt Vergeltungsbereitschaft glaubhaft signalisieren und kommunizieren (Signaling). Mit Vergeltungsmaßnahmen ist insbesondere in folgenden Fällen zu rechnen:

    • Frühere Eintritte sind bereits hart vergolten wurden.

    • Etablierten Unternehmen verfügen über umfangreiche Mittel (wie hohe Liquidität, unausgeschöpfte Kapazitäten etc.)

    • Etablierte Unternehmen sind mit der Branche tief verwachsen.

    • Die Branche wächst nur langsam, so dass ein neues Unternehmen nicht eintreten kann, ohne die Umsätze der Etablierten zu schmälern.

  • Reaktion auf Markteintritt

    Ein Newcomer muss immer damit rechnen, dass die etablierten Anbieter auf einen erfolgten Markteintritt reagieren. Beispielsweise können sie die Produktqualität, den Service und die Lieferbereitschaft weiter ausbauen, Preise deutlich reduzieren oder die Garantiezeiten erhöhen. Allerdings zeigen verschiedene Studien, dass die meisten etablierten Unternehmen auf Fremdeintritte überhaupt nicht reagieren. Die Ursache hierfür liegt in den hohen Kosten und den daraus resultierenden Verlusten.

  • Strategische Preisgestaltung

    Die Eintrittswahrscheinlichkeit neuer Unternehmen kann stark über die Preisgestaltung beeinflusst werden. Die etablierten Unternehmen müssen dann in der „preentry-Phase“ einen Preis gerade unter dem „Entry limit price“ setzen, um den Eintritt für andere unattraktiv zu machen. Ob dieses Vorhaben zum gewünschten Erfolg führt, ist allerdings zweifelhaft, da sich potentielle Konkurrenten in erster Linie mehr von der generellen Marktattraktivität (Wachstum, Potential) als vom aktuellen Preis leiten lassen.

  • Strategischer Investitionscharakter

    Die Frage, ob strategische Markteintrittsbarrieren errichtet werden sollen, ist langfristiger Natur. Ferner handelt es sich um eine Investitionsentscheidung, da die Errichtung von Marktbarrieren mit Kosten verbunden ist und das Unternehmen, welches im Markt etabliert ist, kurzfristig auf Gewinn verzichtet, um langfristig eine bessere Position im Markt zu erreichen.

    Über den strategischen Aufbau und die Verteidigung von Markteintrittsbarrieren durch Unternehmen gibt es bisher nur wenige Untersuchungen. Probleme bereiten insbesondere einige Fragestellungen wie die Wirkung zusätzlicher Werbung. Sie kann durchaus als Instrument zur Produktdifferenzierung und damit zur Errichtung von Markteintrittsschranken angesehen werden. Es wird allerdings auch die Meinung vertreten, dass Werbung eher Markteintritte fördert, weil sie Kunden informiert.

5. Dynamische Betrachtung

Bei einer statischen Betrachtungsweise haben Wettbewerber das Ziel, sichere Festungen aufzubauen, die sie ohne aktiven Kampf gegen Konkurrenten verteidigen können. Bereits 1985 wies jedoch Hartmut Berg darauf hin, dass die zunehmende Internationalisierung die von Bain festgestellten Barrieren reduziert oder sogar ganz beseitigt. Im dynamischen Wettbewerb bieten die meisten herkömmlichen Eintrittsbarrieren keine langfristige Sicherheit mehr. Zwar können Barrieren aus Produktdifferenzierung und Goodwill mitunter relativ dauerhaft sein.

Allerdings ist es zweifelhaft, ob sich die hohen Investitionssummen in diese Barrieren lohnen. Konnten früher Unternehmen wie IBM Eintrittsbarrieren errichteten und damit jahrzehntelang Wettbewerbsvorteile halten, haben sich diese Zyklen heute verkürzt. Es genügt in der Regel nicht mehr, errichtete Barrieren zu bewahren, denn jede Eintrittsbarriere kann zerfallen und ursprüngliche Vorteile verschieben sich mit der Zeit.

Neu Eintretende haben nicht nur die Möglichkeit, Eintrittsbarrieren zu überwinden, sondern können verstärkt versuchen, mit einer so genannten „new game strategy“ einen völlig neuen Markt zu errichten und somit die vorhandenen Markteintrittsbarrieren zu umgehen (technologische Innovation, Marktsegmentierung). Zudem kann in einer dynamischen Umwelt die Wahrung alter Vorteile ein Unternehmen daran hindern, neue zu entwickeln. Eine solche Strategie gibt den Konkurrenten Zeit aufzuholen und stärkt sie damit ungewollt. Gelingt es dem Angreifer, einen neuen Industriestandard zu setzen, verlieren alte Markteintrittsbarrieren nicht nur ihre Bedeutung, sondern sie richten sich nunmehr gegen den Verteidiger selbst.

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