PPS-System

In den meisten produzierenden Unternehmen werden die Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung (kurz: PPS) EDV-gestützt wahrgenommen. Mit dem Einsatz von PPS-Systemen sind insbesondere folgende Zielsetzungen verknüpft:

  • Minimierung von Durchlaufzeiten

  • Minimierung von Terminabweichungen

  • Hohe Kapazitätsauslastung

  • Niedrige Lagerbestände

  • Hohe Fertigungsflexibilität

Um diese Ziele zu erfüllen, werden seit etwa 1960 computergestützte PPS-Systeme eingesetzt. Diese (traditionellen) Systeme beruhen in der Regel auf einem sukzessiven Planungskonzept, das die Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung in Teilprobleme (Module) zerlegt und diese dann schrittweise abarbeitet. Im Allgemeinen werden folgende Module unterschieden:

  • Produktionsprogrammplanung

  • Mengenplanung

  • Termin- und Kapazitätsplanung

  • Produktionssteuerung und -kontrolle

1. Produktionsprogrammplanung

Hiermit ist nicht die Festlegung aller im Betrieb zu erzeugenden Produktarten im Sinne einer Planung des Leistungsangebotes gemeint. Diese Aufgabe hat vielmehr grundsätzlichen Charakter und ist dem Einsatz eines PPS-Systems zeitlich vorgelagert.

Vielmehr wird unter Produktionsprogrammplanung die Festlegung der herzustellenden Erzeugnisse eines vorgegebenen Leistungsprogramms verstanden. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Produktionskapazitäten (insbesondere Maschinen, maschinelle Anlagen, Personal) werden die zu fertigenden Erzeugnisse nach Art, Menge und Wert bestimmt.

2. Mengenplanung

Ausgehend vom Produktionsprogramm werden die Primär-, Sekundär- und Tertiärbedarfsmengen festgestellt. Beginnend mit dem innerhalb einer Periode gewünschten Primärbedarf, also den Endprodukten, werden die erforderlichen Mengen aller Einsatzprodukte bestimmt. Unter Sekundärbedarf wird der gesamte Bedarf an Rohstoffen und Vorprodukten (Halbfabrikate, Einzelteile, Baugruppen) verstanden. Mit Tertiärbedarf ist der Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen, Werkzeugen und Energie gemeint.

Das Ergebnis einer ABC-Analyse, mit dem die ökonomische Relevanz der Einsatzfaktoren festgestellt werden kann, dient der Auswahl des Verfahrens der Bedarfsermittlung:

  • Wird aus der Stücklistenbeziehung der im Einzelnen benötigte Bedarf errechnet, spricht man von einer programmgesteuerten, deterministischen Bedarfsermittlung.

  • Wird ausgehend von dem bisherigen Verbrauch der künftig zu erwartende Bedarf prognostiziert, wird von einer verbrauchsgesteuerten, stochastischen Bedarfsermittlung gesprochen.

Als Ergebnisse der Mengenplanung ergeben sich sowohl Bestell- als auch Fertigungsaufträge.

3. Termin- und Kapazitätsplanung

Die Termin- und Kapazitätsplanung bildet den Kern eines PPS-Systems. Es handelt sich hierbei um einen mehrstufigen Planungsprozess, der aus den Bereichen Seriengrößenplanung, Terminplanung und Maschinenbelegungsplanung besteht.

3.1 Seriengrößenplanung

Rüstkosten und -zeiten stellen teilweise einen erheblichen Kostenblock dar. Unter Berücksichtigung der unternehmenseigenen Rahmenbedingungen (z.B. Werkzeugwechsel nur während der Nachtschicht, Fertigungslos nur ganzzahliges Vielfaches des Fassungsvermögens von Behältern) werden daher tendenziell möglichst große Fertigungslose gebildet.

3.2 Terminplanung

Die Terminplanung vollzieht sich zunächst in Form der so genannten Durchlaufterminierung, bei der – zunächst ausgehend von unbeschränkten Kapazitäten – für jeden Arbeitsgang die Start- und Endzeitpunkte errechnet werden. Als methodisches Instrument der Planung wird die Netzplantechnik genutzt.

In der Grobplanung wird im Anschluss die Durchlaufterminierung unter Berücksichtigung des Auftragsbestandes mit groben Kapazitätsbeschränkungen (z.B. auf wöchentlicher Basis) zur so genannten Kapazitätsterminierung verfeinert. Typischerweise handelt es sich dabei um eine rollierende Planung, bei der Angebot und Nachfrage einander gegenübergestellt und so weit wie möglich durch Verschieben von Fertigungsaufträgen oder Arbeitsvorgängen, Überstunden usw. zum Ausgleich gebracht werden.

Dem Vertrieb dient das Ergebnis der Kapazitätsterminierung häufig als Grundlage für Auftragsbestätigungen.

3.3 Maschinenbelegungsplanung

Ohne genaue Abstimmung mit den vorhandenen und einsatzbereiten Betriebsmitteln ist eine Terminfeinplanung nicht möglich. Im Rahmen dieses Planungsschrittes wird daher letztendlich festgelegt, welche Arbeitsgänge auf welchen Maschinen zu welchen Zeiten ausgeführt werden sollen.

3.4 Produktionssteuerung und -kontrolle

Nach Planungsabschluss hat die nachfolgende Produktionssteuerung die Aufgabe, die Fertigung der Aufträge zu veranlassen und bei Störungen regelnd in das Fertigungsgeschehen einzugreifen.

Das Veranlassen der Aufgabendurchführung, d.h. das Erstellen von Arbeitsunterlagen, die Bereitstellung von Produktionsfaktoren, die Auftragsfreigabe usw. werden unmittelbar dem Bereich der Produktionssteuerung zugeordnet. Der Produktionskontrolle obliegt die laufende Überwachung des Produktionsprozesses, z.B. durch eine Betriebsdatenerfassung (BDE) oder andere Formen der Rückmeldung.

3.5 Problembereiche traditioneller PPS-Systeme

Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass der oben beschriebene Planungsablauf klassischer PPS-Systeme zu langen, stark schwankenden realen Durchlaufzeiten führt. Deshalb werden hier Fertigungsaufträge häufig früher als erforderlich freigegeben, sodass die Werkstattbestände (und damit die mittleren Durchlaufzeiten) weiter ansteigen. Im Planungsprozess reagiert man hierauf häufig mit einer Erhöhung der geplanten Durchlaufzeiten, wodurch die Aufträge noch früher freigegeben werden usw.

Um die beschriebenen Nachteile zu vermeiden, werden teilweise neue Ansätze bei PPS-Systemen verfolgt. Einige werden im Folgenden vorgestellt.

3.6 Neuere Konzepte von PPS-Systemen

3.6.1 PPS-Systeme mit belastungsorientierter Auftragsfreigabe

Eine Erweiterung der traditionellen PPS-Systeme stellen die PPS-Systeme mit belastungsorientierter Auftragsfreigabe dar, bei denen die Auftragsfreigabe in folgenden Schritten abläuft:

  • Zunächst werden alle Aufträge bestimmt, bei denen der Soll-Starttermin um nicht mehr als eine vom Management vorgegebene Zeitspanne (so genannter Vorgriffshorizont) in der Zukunft liegt.

  • Aus den so ermittelten Aufträgen werden diejenigen bestimmt, die tatsächlich freigegeben werden sollen. Kriterium ist in der Regel der Soll-Starttermin, wobei ein Auftrag freigegeben werden kann, wenn hierdurch keine vom Management vorgegebene Belastungsschranke überschritten wird.

Der Vorteil dieses Konzepts liegt in der Vermeidung von Zwischenlagerbeständen und der damit verbundenen Limitierung von Durchlaufzeiten. Als Nachteil wird angesehen, dass die eigentliche Auftragsfreigabe lediglich einen eingeschränkten Planungszeitraum (z.B. eine Woche) umfasst. Daher sollte dieses System für eine längerfristige variierende Inanspruchnahme der Kapazitäten durch schwankende Absatzverläufe nicht eingesetzt werden.

3.6.2 MRP-II (Manufacturing Resource Planning)-Systeme

Bei diesem Konzept basiert der gesamte Material- und Warenfluss auf einem hierarchischen Planungskonzept, bei dem sich die folgenden Planungsstufen unterscheiden lassen:

  • Aus vorgegebenen Budgets werden im Rahmen der Geschäftsplanung Ergebnis- und Finanzpläne erstellt.

  • Aus den Absatzplänen für die einzelnen Produktgruppen werden deren Produktionsprogramme abgeleitet und die daraus resultierenden Kapazitäts- und Ressourcenbelastungen ermittelt.

  • Die Materialbedarfsplanung entspricht im Wesentlichen der Mengenplanung traditioneller PPS-Systeme und wird entsprechend durchgeführt.

  • Im Rahmen der Termin- und Ablaufplanung werden bei Fälligkeit die Planungsaufträge aus der übergeordneten Materialbedarfsplanung in konkrete Fertigungsaufträge umgewandelt. Die dazugehörigen Arbeitsvorgänge werden genau zeitlich erfasst und den Arbeitssystemen zugeordnet.

MRP-II-Systeme kommen vor allem in der operativen Produktionsplanung der Fertigungsindustrie zum Einsatz, wenn die Prognostizierbarkeit des Bedarfs zumindest auf Produktgruppenebene gewährleistet ist.

3.6.3 OPT (Optimized Production Technology)

  • Optimized Production Technology geht von der Erkenntnis aus, dass vor allem Engpässe (z.B. Absatz- oder Kapazitätsbeschränkungen, Materialverfügbarkeiten usw.) die Material- und Warenflüsse eines Unternehmens bestimmen.

  • In einem Ersten Schritt wird das OPT-Produkt-Netzwerk festgelegt.

  • Durch Kombination der Stücklisten und Arbeitsplandaten wird hier der Produktionsprozess für alle Produkte vollständig beschrieben.

  • Anschließend wird die Kapazitätsbelastung für alle Arbeitssysteme durch Rückwärtsterminierung ermittelt. Dabei wird von dem vorgesehenen Produkt-Mix und den geplanten Endterminen der Aufträge ausgegangen. Liegt bei bestimmten Arbeitssystemen die Arbeitsbelastung über 100 %, wird versucht, diese Überbelastung durch Ausweichen auf andere Alternativen zu vermeiden.

  • Im Anschluss daran wird das OPT-Produkt-Netzwerk in einen kritischen und einen nicht-kritischen Bereich unterteilt. Alle Engpass-Arbeitssysteme und die diesen im Produktionsablauf folgenden Arbeitssysteme stellen den kritischen, alle anderen Arbeitssysteme den unkritischen Bereich dar.

Schwerpunkt des OPT-Verfahrens ist die Belegungsplanung für den kritischen Bereich Mit ihr wird versucht, bei der Planung des Waren- und Mengenflusses den Durchsatz möglichst groß zu machen. Erst im letzten Schritt wird der nicht-kritische Teil des OPT-Netzwerks terminiert.

Der Anwendungsbereich von OPT entspricht in etwa dem des MRP-II-Konzepts.

3.7 PPS-Systeme als CIM-Komponente

PPS-Systeme bilden den wesentlichen Bestandteil von CIM, das den integrierten EDV-Einsatz in allen mit der Produktion zusammenhängenden Betriebsbereichen beschreibt. CIM umfasst das informationstechnische Zusammenwirken zwischen PPS, CAD, CAP, CAM und CAQ. Die einzelnen CA-Techniken (CA = computer aided bzw. computer assisted) können wie folgt abgegrenzt werden:

  • CAD: Computergestützte Entwicklung und Konstruktion

  • CAP: Computergestützte Planung der Arbeitsvorgänge und der Arbeitsvorgangsfolgen

  • CAM: Computergestützte technische Steuerung und Überwachung von Betriebsmitteln bei der Herstellung der Artikel im Fertigungsprozess

  • CAQ: Computergestützte Planung und Durchführung der Qualitätssicherung

Die Kopplung von CAD bzw. CAP und PPS kann mit vielen Vorteilen für das Unternehmen verbunden sein. Beispielsweise lassen sich Stücklisten und Arbeitspläne automatisch in das PPS übertragen.

Solche Kopplungen führen aber in der Regel zu einer Dezentralisierung der PPS-Funktionen, bei der die Feinplanung vor Ort durch die durchführenden Produktionsstellen vorgenommen wird. Sinnvolles Anwendungsgebiet sind daher vor allem Fertigungsinseln und Fertigungszellen, die eine solche Dezentralisierung von PPS-Funktionen nahe legen.

3.8 Ausblick

Neben der weiteren Integration von PPS-Systemen und CA-Systemen ist im Zuge der weiter steigenden Planungsanforderungen vor allem damit zu rechnen, dass Simulationsmöglichkeiten auf allen Planungsebenen (Grob- und Feinplanung) an Bedeutung gewinnen werden. Weiterhin spielt die weitere Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit von PPS-Systemen eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Dazu gehören die Visualisierung der Maschinenbelegungen und eine bessere Benutzerführung bei der Arbeit mit dem System.

Die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zum Anschluss an die EDV-Systeme von Kunden und Lieferanten müssen noch besser genutzt werden als bisher. Möglich wäre auch eine Anbindung an das unternehmenseigene Intranet oder das Internet.

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