Produktionsrisiken

1. Begriff

Unternehmerisches Handeln ist mehr oder weniger immer mit gewissen Risiken behaftet. Sie äußern sich in der Gefahr von Fehlentscheidungen, die dazu führen können, dass gesetzte Ziele nicht erreicht werden und/oder Verluste entstehen.

Der Risikobegriff wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich definiert. Hier wird unter Risiko die Gefahr verstanden, dass die gesetzten Unternehmensziele (Zielsystem) nicht im erwarteten Umfang erreicht werden. Somit bedeutet Risiko die Gefahr, dass an Stelle der erwarteten Umweltsituation eine Lage eintritt, in der die Gewinne eine nicht akzeptable Höhe aufweisen oder es zu einer Verlustsituation kommt.

Die mit den einzelnen Risiken verbundenen Schäden treten direkt und indirekt als Verluste auf. Direkte Schäden wie Zerstörung oder Beschädigung sind generell versicherbar. Zu den indirekten, aber versicherbaren Schäden zählen beispielsweise der Ertragsausfall infolge Betriebsunterbrechung, Haftpflichtforderungen, zusätzliche Lohnkosten, Konventionalstrafen etc. Nicht versicherbar sind beispielsweise Verluste von Goodwill, Störungen des Betriebsklimas oder der Verlust von Kunden.

2. Maßnahmen zur Risiko-Absicherung

Für einen sachgerechten Umgang mit den unternehmerischen Risiken ist neben der umfassenden Kenntnis aller denkbaren Wagnisarten (Risiko-Analyse) vor allem ein ausgeprägtes Wagnisbewusstsein der Entscheidungsträger erforderlich (Risiko-Management). Erst nach einer gründlichen Analyse der Probleme, die mit Wagnissen verbunden sind, können Maßnahmen zur Risikohandhabung ergriffen werden.

Bereits in der Planungsphase sind Risikogesichtspunkte zu berücksichtigen. Alle nicht unwesentlichen Dispositionen sind – beispielsweise durch einen fest installierten Risiko-Manager – auf mögliche Chancen und Risiken zu analysieren (Frühwarnsystem ). Ein Risiko-Management in diesem umfassenden Sinn erfordert die Schaffung einer hierarchisch hoch genug angesiedelten Instanz „Risiko Manager“, die

  • Risiken erkennen,

  • Risiken vermindern oder ausschalten,

  • Risiken bewerten,

  • Risiken (vertraglich) auf Dritte verlagern und

  • Risiken durch entsprechende Versicherungen kontrollieren soll.

Das klassische Instrument zur Berücksichtigung von Risiken ist die Verrechnung von kalkulatorischen Wagniskosten. Die nachteiligen Auswirkungen von außergewöhnlichen Ereignissen, die in etwa vorauszusehen waren, belasten hierdurch nicht nur eine einzelne Abrechnungsperiode: Sie verteilen sich möglichst gleichmäßig auf mehrere Perioden, sodass der Erfolgsausweis nivelliert wird. Hierbei wird angestrebt, dass die verrechneten Wagniskosten langfristig (über mehrere Rechnungsperioden hinweg) dem tatsächlich eingetretenen ökonomischen Schaden entsprechen.

Bei der Bemessung der kalkulatorischen Wagniszuschläge orientiert man sich im Allgemeinen an Vergangenheitswerten. Für die zurückliegenden Perioden werden hierfür Bezugsgrößen gesucht. Diese stehen zu den während dieser Zeit effektiv eingetretenen außergewöhnlichen wirtschaftlichen Schäden in einer möglichst verursachungsgemäßen Beziehung. Die so bestimmten Relationen werden dann den zukunftsbezogenen Prognosen zu Grunde gelegt. Beispielsweise verrechnet man das Beständewagnis als Prozentsatz des durchschnittlichen Lagerbestandes.

Um Risiken auf Dritte abzuwälzen, bietet sich das Instrument der Fremdversicherung an. Zu den wichtigsten Versicherungszweigen zählen:

  • Sachversicherungen

  • Personenversicherungen

  • Versicherungen gegen sonstige Vermögensverluste

3. Produktionsrisiken im Einzelnen

3.1 Das Investitionsrisiko

Investitionsrisiken können als Erfolgsrisiko und Liquiditätsrisiko mit jeweils betragsmäßigen und/oder zeitlichen Abweichungen auftreten. Die Ursachen solcher Risiken finden sich häufig im Gegenstand selbst (beispielsweise Anschaffung einer nicht geeigneten Maschine) oder beruhen auf unrichtigen Zukunftsprognosen. Ansätze und Hilfen zur Risikoreduktion bieten die verschiedenen Verfahren derInvestitionsrechnung (Investitionsrechnungsverfahren ).

3.2 Das Anlagenausfallrisiko

Aus der Unsicherheit über den Zeitpunkt, die Art, das Ausmaß und die Dauer möglicher Anlagenausfälle resultiert das Anlagenausfallrisiko. Die Bedeutung dieses Risikos nimmt mit dem Mechanisierungs- bzw. Automatisierungsgrad der Fertigung und der Verkettung von Betriebsmitteln zu (Fertigungsorganisation ). Anlagenausfälle können beispielsweise durch

  • Verschleiß- und Ermüdungserscheinungen wichtiger Aggregate,

  • nutzungsunabhängige Einflüsse (Korrosion, Verschmutzung etc.),

  • fehlerhafte Nutzung der Anlage,

  • menschliches Versagen,

  • Katastrophen (Feuer, Wasser, Explosion etc.),

  • mutwillige Zerstörung (Sabotage) usw.

hervorgerufen werden. Neben dem erforderlichen Reparaturaufwand führen solche Ausfälle häufig zu erhöhten Ausschussraten, Störungen des Produktionsablaufes, Stillstands- und Wiederanlaufkosten, Verkürzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Anlage, Schadenersatzforderungen und Konventionalstrafen, Verlust an Goodwill. Risiken dieser Art lassen sich durch folgende Maßnahmen begrenzen:

-Planmäßige Instandhaltung

Zur Vermeidung und Behebung von Zufallsausfällen sind Instandhaltungsmaßnahmen (Inspektion, Wartung, Reparatur etc.) durchzuführen.

-Verrechnung kalkulatorischer Wagniskosten

In ursächlichem Zusammenhang mit einem Anlagenausfall stehen insbesondere Katastrophenwagnisse, Anlagen- und Abschreibungswagnisse, Gewährleistungswagnisse, Entschädigungswagnisse und unter Umständen auch bestimmte Bestände- und Vertriebswagnisse (kalkulatorische Wagniszuschläge). Solchen Wagnissen kann durch Verrechnung von kalkulatorischen Wagniszuschlägen begegnet werden.

-Fremdversicherung

Im Rahmen von Fremdversicherungen können direkte und indirekte (Folge-)Schäden infolge eines Ausfalls des versicherten Anlagenobjektes abgedeckt werden. Nicht versicherbar sind hingegen schwer quantifizierbare Schäden aus Goodwill-Verlusten, Störungen des Betriebsklimas, Verlust von Kunden etc.

3.3 Das Umweltrisiko

Bedeutende Risikofaktoren im Zielsystem der Unternehmung werden auch durch Verordnungen und Gesetze zum Schutz der Umwelt geschaffen. Grundsätzlich stellen die durch die Umweltschutzpolitik zusätzlich auftretenden Wagnisse aber keine neuen Anforderungen an die bisherige Art der Wagnisbehandlung. Im Einzelnen geht es hierbei um folgende Risiken:

  • Das gesetzliche Risiko resultiert aus möglichen Verstößen gegen umweltschutzrelevante Gesetze. Die Konsequenzen reichen dabei von einfachen Bagatellstrafen bis hin zu Produktionsausfällen durch Betriebsstilllegungen. Neben der gegenwärtigen Rechtslage sind auch Risiken durch künftige Gesetze und Verordnungen zu berücksichtigen.

  • Das finanzielle Risiko äußert sich in erster Linie in Verlusten aus Fehlinvestitionen (zum Beispiel Anschaffung von Produktionsanlagen, die erforderliche Auflagen nicht erfüllen).

  • Marktrisiken bestehen insbesondere dann, wenn die durch Umweltschutzmaßnahmen bedingten Preiserhöhungen vom Endverbraucher nicht akzeptiert werden oder die Wettbewerber mit weniger umweltfreundlichen Verfahren oder in Gebieten mit geringeren gesetzlichen Auflagen arbeiten und somit Kostenvorteile besitzen.

  • Soziale Risiken liegen im verspäteten Einsatz gezielter Maßnahmen für den Umweltschutz und dem hiermit unter Umständen verbundenen Produktionsausfall durch Krankheit, Unfälle, Arbeitsunzufriedenheit oder Abwanderung.

3.4 Das materialwirtschaftliche Risiko

Die Materialwirtschaft hat das Material, das für die Gütererzeugung benötigt wird, in der erforderlichen Menge und Güte zur rechten Zeit am rechten Ort bereitzustellen. Das materialwirtschaftliche Risiko liegt in den Verlustgefahren bei Nichterfüllung dieser Aufgaben, wobei die Ursachen hierfür innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu finden sind.

  • Externe Ursachen können beispielsweise aus einer kurzfristigen Bedarfsverschiebung, der Unzuverlässigkeit von Lieferanten in Bezug auf Qualität und Menge oder aus einer allgemeinen Materialverknappung resultieren.

  • Bei internen Ursachen handelt es sich primär um unkorrekte Materialbedarfsvorhersagen, den Einsatz ungeeigneter Verfahren zur Bedarfsermittlung und die mangelnde Kontrolle von Lagerbeständen.

Häufig führt eine unsachgemäße Aufgabenerfüllung der Materialwirtschaft zu Fehlmengenkosten, die bei Verfügbarkeit der betreffenden Position vermeidbar gewesen wären. Fehlmengenkosten können beispielsweise durch Maschinenstillstände, Notbeschaffungen, entgangene Gewinne, Verlust von Goodwill, Konventionalstrafen etc. entstehen. Sie lassen sich jedoch nach wie vor nur schwer quantifizieren. Weitere Verlustgefahren resultieren aus zu großen Beständen oder zu häufigen Bestellungen.

Der Gefahr von Fehlmengen kann folgendermaßen vorgebeugt werden:

  • durch Führen von Sicherheitsbeständen,

  • Verfahren zur Lieferantenbeurteilung,

  • laufende Kontrolle offener Bestellungen,

  • Anwendung verfeinerter Verfahren der Materialbedarfsvorhersagen,

  • laufende Überwachung der Bestandshöhe und

  • rechtzeitiges Auslösen einer Bestellung bei Erreichen eines Meldebestandes entgegengetreten werden (Beschaffungs-Controlling).

Das Beständewagnis kann durch den Ansatz kalkulatorischer Einzelwagniskosten berücksichtigt werden. Fremdversicherungen eignen sich zur Deckung des Beständewagnisses im Rahmen der Sachversicherung (Fremdversicherungen liegen dann vor, wenn der Versicherungsnehmer und die versicherte Person nicht identisch sind, der versicherten Person aber die Rechte aus dem Vertrag zustehen). Erweiterte Betriebsunterbrechungsversicherungen können die mit einer Betriebsunterbrechung verbundenen Risiken auffangen.

3.5 Das Personalrisiko

Den Faktor Arbeit betreffende Risiken sind einer Bewertung nur sehr schwer zugänglich. Es gibt hier als externe (zum Beispiel Streik in fremden Betrieben, Krieg, Epidemien etc.) und interne (personal- und personenbezogene) Gefahren auftreten. Je nach Intensität und Zeitdauer kann das personalbedingte Risiko von tragbar bis existenzzerstörend alle Stufen der Risikopyramide durchlaufen. Risiken, die durch die Personalgemeinschaft entstehen oder im Individuum begründet sind, können zu Unzufriedenheit, Störung des Betriebsklimas, Fehlzeiten, Unfallneigung, Unter- oder Überforderung, Spezialistentum, Fluktuation, Bedienungsfehler, Sabotage, Führungsschwäche, Streik und vielem mehr führen.

Auf Grund ihres vorwiegend politischen Charakters entziehen sich externe Risiken im Allgemeinen der Einflussnahme durch die Unternehmensleitung. Zur Beherrschung interner Risiken eignen sich beispielsweise die folgenden Maßnahmen:

  • Auf- bzw. Ausbau einer über die Risiken informierten Personalwirtschaft

  • Überzeugende und verständlich dargebotene Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen

  • Herstellung eines befriedigenden Betriebsklimas durch entsprechende Arbeitsbedingungen, klare Kompetenzen, überschaubare Lohn- und Gehaltspolitik etc.

  • Eine von den Mitarbeitern nachvollziehbare und vertretbare Einstellung zur Mitbestimmung am Arbeitsplatz

  • Eine nicht durch Feindbilder gekennzeichnete Einstellung zum Tarifvertragspartner

3.6 Das Ablaufrisiko der Produktion

Vergleichsweise große Verlustrisiken liegen ferner im Bereich der Ablaufplanung und -steuerung. Neben dem strategischen Risiko, das mit einer langfristigen Festlegung auf eine bestimmte Fertigungsorganisation verbunden ist, gibt es zahlreiche Risiken bei der Erstellung des Produktionsplanes und bei der Produktionssteuerung. Risiken dieser Art lassen sich nur bedingt quantifizieren, da sich hier das „Optimum“ nicht exakt bestimmen lässt und es Zielkonflikte geben kann.

Verlustgefahren bestehen im Verfehlen der produktionswirtschaftlichen Zielsetzungen (z. B. hohe Kapazitätsauslastung, geringe durchschnittlicher Durchlaufzeiten oder hohe Termintreue). Dies kann unter Umständen zu hohen Stillstandskosten führen (Leerkosten), zu erhöhter Kapitalbindung durch Halbfabrikate, hohen Umrüstkosten, erhöhtem Aufwand für die Produktionssteuerung oder entgangenem Gewinn durch Verlust von Kundenaufträgen als Folge häufiger Terminverzögerungen.

Ob und in welcher Form sich solche Risiken beherrschen lassen, ist hauptsächlich von der Art der Fertigungsorganisation abhängig: Während bei Fließfertigung die Probleme der Ablaufsteuerung weit gehend beherrschbar sind, fehlt es bei der Werkstattfertigung an praxistauglichen Verfahren, um ein „Gesamtoptimum“ der Produktionssteuerung zu erreichen. Generell lassen sich die Verlustgefahren nur durch ursachenbezogene koordinierte Einzelmaßnahmen und durch geeignete Planungsverfahren abwenden. Ein guter Informationsstand ist hier Voraussetzung (Planung ).

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