Produktionssteuerung

1. Überblick

Die Produktionssteuerung, die man auch als Fertigungssteuerung bezeichnet, umfasst alle Entscheidungen und Maßnahmen, die unmittelbar vor, während und nach der Durchführung eines vorgegebenen Produktionsplanes notwendig sind. Als Bestandteil der Produktionsplanung beinhaltet sie die Durchsetzung und die Kontrolle der im Produktionsplanungsprozess gefällten Entscheidungen.

Die Produktionssteuerung ist über die Produktionsplanung mit der Absatzplanung, der Planung der Forschung und Entwicklung sowie mit der Kosten- und Beschaffungsplanung verbunden (Budgetierung). Somit stellt die Produktionssteuerung ein Modul des umfassenden Systems der Produktionsplanung dar. Dabei stehen die einzelnen Bereiche im Planungsprozess untereinander in Beziehung, da sie wechselseitig Informationen erhalten bzw. verteilen. So werden z. B. für die Produktionsplanung über die Absatzplanung Informationen in Form von Absatzplänen und über die Forschungs- und Entwicklungsplanung Informationen in Form von Produktplänen gewonnen, während die Produktionsplanung bzw. Produktionssteuerung wiederum Informationen für die Kosten- und Beschaffungsplanung liefert.

2. Bereiche der Produktionssteuerung

Die Produktionssteuerung beschäftigt sich mit der Lösung sehr komplexer Probleme. Darüber hinaus kann – wegen der Interdependenzen der einzelnen Teilaufgaben der Produktionssteuerung – nur eine simultane Betrachtung und Optimierung zu theoretisch befriedigenden Lösungen führen. So ergeben sich z. B. für die aus den Bedarfswerten abgeleiteten optimalen Losgrößen Realisationsprobleme, wenn Kapazitätsengpässe Abweichungen von den optimalen Serien erforderlich machen. Ferner treten rechnerische Schwierigkeiten auf, wenn die entscheidungsrelevanten Rüstkosten von der Sortenschaltung (Reihenfolgeplanung) abhängen.

Insgesamt beeinflussen somit vielfältige Probleme des Produktionsverbundes, der Instandhaltungsplanung, der Abstimmung zwischen Absatzprogramm, Produktionsprogramm und Lagerhaltung eine Gesamtoptimierung der Produktionssteuerung.

Da aber bereits die einzelnen Optimierungskomplexe bei praxisnahen Prämissen zu Modellansätzen führen, die mit vertretbarem Rechenaufwand nicht gelöst werden können, gilt dies erst recht für eine simultane Optimierung der gesamten Produktionssteuerung. In der Praxis wird daher anstelle der simultanen Optimierung gewöhnlich nur eine sequentielle Betrachtung der einzelnen Bereiche der Fertigungssteuerung mit dem Ziel befriedigender Lösungen durchgeführt.

Hierzu bietet sich ein modularer Aufbau der Produktionssteuerung an, da die einzelnen Aufgabenkomplexe der Fertigungssteuerung bei mehrstufiger Fertigung in mehreren Fertigungsstufen auftreten können. So besteht z.B. die Produktionssteuerung für ein aus Baugruppen, Teilen und Materialien zusammengesetztes Produkt aus drei Subsystemen. Das niedrigste Subsystem umfasst als Grundlage für die Zusammensetzung der Teile die Bedarfsermittlung, die Materialwirtschaft, die Terminplanung, die Fertigungsveranlassung und die Kontrolle. Das nächste Subsystem enthält dieselben Module für die Zusammensetzung der Baugruppen aus den Teilen. Das höchste Subsystem umfasst schließlich die Zusammensetzung der Produkte aus den Baugruppen.

2.1 Bedarfsermittlung

Ausgehend vom Produktionsprogramm werden die Primär-, Sekundär- und Tertiärbedarfsmengen festgestellt. Beginnend mit dem innerhalb einer Periode gewünschten Primärbedarf, also den Endprodukten, werden die erforderlichen Mengen aller Einsatzprodukte bestimmt. Unter Sekundärbedarf wird der gesamte Bedarf an Rohstoffen und Vorprodukten (Halbfabrikate, Einzelteile, Baugruppen) verstanden. Mit Tertiärbedarf ist der Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen, Werkzeugen und Energie gemeint.

Das Ergebnis einer ABC-Analyse, mit dem die ökonomische Relevanz der Einsatzfaktoren festgestellt werden kann, dient der Auswahl des Verfahrens der Bedarfsermittlung:

  • Wird aus der Stücklistenbeziehung der im Einzelnen benötigte Bedarf errechnet, spricht man von einer programmgesteuerten, deterministischen Bedarfsermittlung.

  • Wird ausgehend von dem bisherigen Verbrauch der künftig zu erwartende Bedarf prognostiziert, wird von einer verbrauchsgesteuerten, stochastischen Bedarfsermittlung gesprochen.

Ausgangspunkt der deterministischen Bedarfsauflösung ist ein nach Art, Menge und Zeit fixierter Produktionsplan. Ausgehend vom Primärbedarf wird der Sekundärbedarf über die Stücklistenauflösung ermittelt. Die verschiedenen Verfahren zur Stücklistenauflösung ergeben sich aus den unterschiedlichen Auflösungsalgorithmen:

  • Ausgehend von der Reihenfolge, in der die Teile verarbeitet werde

  • Ausgehend von der Reihenfolge, in der die Daten verarbeitet werden (muss nicht identisch mit der Teile-Reihenfolge sein)

  • Ausgehend von der Bearbeitung per EDV (sequenzieller oder wahlfreier Zugriff zu den Daten)

  • Ausgehend von der Datenorganisation

  • Ausgehend von der Verarbeitungsrichtung (entweder vom übergeordneten Teil ausgehende Stücklistenauflösung oder vom eingehenden Teil ausgehende Bedarfsermittlung über die Teileverwendung)

Unmittelbar an die Stücklistenauflösung schließt sich die Terminplanung an.

2.2 Ermittlung des Nettobedarfs

Der Bruttobedarf an Vormaterial ergibt sich aus der Summe des über Stücklisten und/oder über Bedarfsprognosen ermittelten Bedarfs. Dieser Bruttobedarf wird im Allgemeinen um Zuschläge für Ausschuss und um den Bedarf an Ersatzteilen erhöht. Durch Vergleich der Bruttobedarfswerte mit den Lagerbeständen ergibt sich jeweils der für die Bestellrechnung relevante Nettobedarf.

Im Rahmen einer EDV-gestützten Produktionssteuerung (PPS-System) unterscheidet man diesbezüglich häufig zwischen dem Lagerbestand, dem Werkstattbestand und dem Bestellbestand. Als Lagerbestände werden die zu bestimmten Zeitpunkten gelagerten Mengen bezeichnet. Für die Durchführung der Produktionssteuerung wird der Lagerbestand in einen bereits für bestimmte Fertigungsaufträge reservierten und einen noch verfügbaren Lagerbestand aufgeteilt. Zum Werkstattbestand gehören die in der Fertigung bzw. im innerbetrieblichen Transportsystem befindlichen Mengen.

Der Bestellbestand enthält alle aufgegebenen, aber noch nicht eingegangenen Bestellungen. Der verfügbare Lagerbestand, der nicht verplante Werkstattbestand und der bis zum Fertigungsbeginn eingegangene Bestellbestand ergeben den für Dispositionszwecke insgesamt verfügbaren Bestand. Aus der Gegenüberstellung dieses verfügbaren Bestandes mit dem ermittelten Bruttobedarf resultiert der für die Bestellung relevante Nettobedarf einer Periode.

2.3 Materialdisposition und Bestellrechnung

Der Nettobedarf geht in das Modul Materialdisposition bzw. Bestellrechnung ein. Welche Teile selbst gefertigt und welche von außen bezogen werden, wird gewöhnlich vorab bei der Produktionsprogrammplanung entschieden (Eigenfertigung/Fremdbezug). Allerdings können Terminaspekte eine Revision dieser Entscheidung erforderlich machen.

Aus dem Bedarf an Eigenteilen werden optimale Losgrößen ermittelt und zu von der Materialdisposition bestimmten Eingangsterminen als Fertigungsaufträge in die Produktion gegeben. Damit verbunden ist stets eine Verfügbarkeitsrechnung für das Ausgangsmaterial, da das Auslösen eines Fertigungsauftrages nur dann sinnvoll ist, wenn das Ausgangsmaterial auch verfügbar ist.

Der Bedarf an Fremdteilen und Materialien wird mit dem Ziel der mengen- und termingerechten Bereitstellung über die Bestellrechnung verwaltet. Dabei werden Bestellzeitpunkte und Bestellmengen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kostenwirtschaftlichkeit betrachtet.

Zur Durchführung der Materialdisposition und Bestellrechnung werden in der Regel Lagerhaltungsmodelle eingesetzt, die an die Bedarfsermittlung angeschlossen werden.

2.4 Terminplanung

Die Terminplanung umfasst alle Funktionen, die sich mit der Planung des zeitlichen Ablaufs der Fertigung befassen. Die zu fertigenden Aufträge sind so einzuplanen, dass die Einhaltung von Terminen bei wirtschaftlicher Durchführung der Produktion gewährleistet ist. Gewöhnlich wird die Terminplanung wegen ihrer Komplexität unter mehr oder minder weitgehendem Verzicht auf eine Optimierung in zwei Stufen durchgeführt: Durchlaufterminierung und Kapazitätsterminierung.

2.4.1 Durchlaufterminierung

Die Terminplanung vollzieht sich zunächst in Form der so genannten Durchlaufterminierung, bei der – ausgehend von unbeschränkten Kapazitäten – für jeden Arbeitsgang die Start- und Endzeitpunkte errechnet werden. Als methodisches Instrument für die Planung wird die Netzplantechnik genutzt.

Bei der Vorwärtsterminierung wird der Endtermin eines Auftrages ausgehend vom ersten Arbeitsgang über alle notwendigen Arbeitsoperationen ermittelt. Diese Vorgehensweise kann zu unnötigen Lagerzeiten führen, wenn alle Teile zum frühest möglichen Termin produziert werden. Demgegenüber geht man bei der Rückwärtsterminierung von einem vorgegebenen Endtermin aus und ermittelt die notwendigen Starttermine in den einzelnen Fertigungsstufen. Zu diesen Startterminen müssen die einzelnen Operationen spätestens beginnen, damit der vorgegebene Endtermin eingehalten werden kann.

2.4.1.1 Durchlaufzeitreduzierung

Die Durchlaufzeit eines Auftrages setzt sich aus Operationszeiten, Zwischenlagerzeiten und Transportzeiten zusammen. Falls sich bei der Vorwärtsterminierung eine Überschreitung des geplanten Endtermins bzw. bei der Rückwärtsterminierung eine Unterschreitung des frühest möglichen Starttermins ergibt, müssen Maßnahmen zur Reduzierung der Durchlaufzeit der Aufträge ergriffen werden.

Operationszeiten lassen sich durch Anpassung in punkto Intensität im Allgemeinen nur in geringem Umfang und unter Inkaufnahme von Kostenerhöhungen beeinflussen. Daher richten sich entsprechende Maßnahmen zur Verkürzung der Durchlaufzeit vor allem auf Lager- und Transportzeiten.

Bei nicht durchlaufender Fertigung lässt sich durch Sonderarbeitszeiten (Überstunden, Sonderschichten) eine kalenderzeitbezogene Reduzierung der Durchlaufzeiten erreichen. Allerdings entstehen dabei in der Regel Kostensteigerungen durch Lohnzuschläge.

Da man bei der Durchlaufterminierung im Allgemeinen von der Annahme ausgeht, dass Aufträge oder Lose geschlossen von einem Arbeitsplatz zum nächsten übergeben werden, kann die Durchlaufzeit u.U. durch die überlappte Bearbeitung eines Loses an zwei Arbeitsplätzen reduziert werden. Falls optimale Transportlose unterschritten werden, können dadurch allerdings Transportkostensteigerungen verursacht werden.

Beim Splitten von Losen werden gleiche Arbeitsoperationen nebeneinander an mehreren Maschinen vorgenommen. Voraussetzung hierzu ist, dass die benötigten Maschinen, Werkzeuge und Arbeitskräfte mehrfach verfügbar sind. Nachteilig wirkt sich aus, dass dadurch Rüst- und Anlaufkosten entsprechend der Zahl der Teillose vervielfacht werden.

2.4.1.2 Kapazitätsausgleich

Der im Rahmen der Durchlaufterminierung ermittelte Kapazitätsbedarf je Maschinengruppe und Periode kann zu einer ungleichgewichtigen Kapazitätsbelastung führen. Diese Ungleichgewichte lassen sich unter Berücksichtigung terminmäßiger und technischer Grenzen durch zeitliche Verschiebung von Aufträgen oder durch eine Umverteilung von Aufträgen innerhalb des verfügbaren Maschinenbestandes beseitigen oder zumindest abschwächen.

2.4.2 Kapazitätsterminierung

Im Rahmen der Kapazitätsterminierung werden die Reihenfolge der für die Feinplanung freigegebenen Aufträge und damit die exakten Starttermine der einzelnen Aufträge für jede Maschine bzw. Maschinengruppe festgelegt. Planungszeiteinheit der Kapazitätsterminierung können Fertigungsstunden, aber auch Fertigungsminuten sein.

Die Bearbeitungsreihenfolge der Aufträge an den einzelnen Maschinen ist unter Berücksichtigung vorgegebener Ziele festzulegen. Als Optimierungskriterien können verwendet werden:

  • Minimierung der Durchlaufzeit,

  • Minimierung produktiv nutzbarer Maschinenstillstandszeiten,

  • Minimierung von Terminüberschreitungen,

  • Minimierung von Umrüstzeiten,

  • Minimierung des in der Fertigung gebundenen Kapitals.

Zur Erreichung eines oder mehrerer dieser Ziele ist eine Vielzahl von Reihenfolgemodellen entwickelt worden, die auf analytischen oder heuristischen Methoden beruhen.

2.5 Auftragsfortschreibung und Kontrolle

Im Anschluss an die Terminplanung können Fertigungsdokumente ausgestellt und innerbetriebliche Aufträge ausgeführt werden. Die Maschinenbelegungs- und Auftragsablaufpläne bilden dabei die Basis für die Auftragsfortschritts- und die Terminkontrolle.

Durch ein Rückmeldesystem kann der jeweilige Ist-Zustand mit dem Planungssoll verglichen werden. Abweichungen machen u. U. eine erneute Untersuchung der gesamten Terminierung aller noch zu durchlaufenden Fertigungsstufen erforderlich, um über entsprechende Umdispositionen eine möglichst weitgehende Einhaltung der Termine sicherzustellen.

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