Controlling-Lexikon

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Total Productive Maintenance (TPM)

1. Überblick

Aufgrund der zunehmenden Automatisierung des Herstellungsprozesses und der steigenden Komplexität der Fertigungsanlagen werden an die Instandhaltungsorganisation eines modernen Unternehmens hohe Anforderungen gestellt. Da jeder Maschinenstillstand die Produktivität und Kapazitätsauslastung verringert und mit bedeutenden Ausfallkosten verbunden ist, gewinnt die Verfügbarkeit der Produktionseinrichtungen eine außerordentlich große Bedeutung.

Die heute weitgehend vorhandenen Instandhaltungsstrukturen stoßen vielfach an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und können den ständig wachsenden Anforderungen kaum gerecht werden, da sie abteilungsübergreifende Synergieeffekte bei der Aufgabenbewältigung wesentlich erschweren und sich ausschließlich auf den technischen Nutzungsgrad der Produktionsanlagen konzentrieren. Verbesserungspotenziale, die sich im betrieblichen Gesamtsystem „Mensch-Produktionsanlage-Umfeld“ ergeben, bleiben weitgehend ungenutzt (Synergiepotenziale ).

Demgegenüber handelt es sich beim Total Productive Maintenance (TPM) um ein Konzept, das die Maximierung von Produktivität, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Arbeitssicherheit über die systematische und kontinuierliche Verbesserung der Wirksamkeit der Produktionsanlagen anstrebt. Wichtigstes Element bei der Umsetzung des TPM-Konzeptes ist die Belegschaft in ihrer Gesamtheit.

Anmerkung:

Erstmals wurde das TPM-Konzept 1971 bei der japanischen Firma Nippondenso Corporation Ltd. eingesetzt. Es kann als Ergebnis eines 20-jährigen kontinuierlichen Weiterentwicklungs- und Optimierungsprozesses im Bereich der Instandhaltung interpretiert werden, der Anfang der 50er Jahre mit der Einführung des amerikanischen Konzeptes der vorbeugenden Instandhaltung (Preventive Maintenance oder american style PM) in Japan einsetzte.

Vor dieser Zeit wurde in japanischen Werken die so genannte störfallbedingte Instandhaltung praktiziert, das heißt, den Instandhaltungsmaßnahmen gehen Anlagenstörungen voraus. Das TPM-Konzept breitete sich Mitte der 80er Jahre auf Grund der geographischen Nähe zu Japan zunächst in südostasiatische Industrieländer wie Korea, China, Taiwan oder Singapur aus. In Großbritannien wurde TPM über die dortigen japanischen Transplants (Toyota in Burnaston, Nissan in Sunderland, Honda in Swindon) bekannt. Erst gegen Ende der 80er Jahre verbreitete sich TPM in Nordamerika und dem Rest Europas (Ford Motor, 3M, Motorola, AT&T, Eastman Kodak, Opel).

Productive Maintenance stellte eine totale produktive Instandhaltung dar. Mit ihr soll die gesamte Effektivität der Betriebsanlagen unter aktiver Beteiligung aller Mitarbeiter verbessert werden. Dabei umfasst TPM die folgenden fünf Kernelemente:

  • Maximierung der Anlageneffektivität

  • Produktive Instandhaltung über die gesamte Lebensdauer der Anlagen

  • Einbeziehen aller Abteilungen der Unternehmung

  • Beteiligung aller Mitarbeiter (unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung)

  • Motivierendes Management der autonomen Kleingruppenaktivitäten

Zur Steigerung der Anlageneffektivität setzt sich TPM konsequent mit der Beseitigung der so genannten „sechs großen Verlustquellen“ auseinander.

  • Verluste durch Anlagenstillstände entstehen durch ungeplante Standzeiten, die entweder auf Grund maschinenabhängiger oder maschinenunabhängiger Ausfälle auftreten. Bei maschinenabhängigen Ausfällen werden sporadische oder chronische Störungen der Anlagenfunktion hervorgerufen. Sporadisches Maschinenversagen ist im Allgemeinen leicht in der Handhabung und tritt nach einmal vorgenommener Reparatur nicht mehr auf. Demgegenüber lassen sich die Ursachen von chronischem (das heißt dauernd wiederkehrendem) Versagen oft nur schwer identifizieren und beseitigen. Zu den maschinenunabhängigen Ausfällen zählen Anlagenstillstandszeiten, die auf produktionstechnische Probleme organisatorischer oder logistischer Natur (fehlendes Personal bzw. Material, fehlende Werkzeuge etc.) zurückzuführen sind.

  • Bei Rüst- und Einrichtverlusten handelt es sich um Stillstandszeiten oder nicht produktiv genutzte Maschinenlaufzeiten, die durch Werkzeugwechsel, Austausch von Formen, Einricht- und Nachjustierarbeiten entstehen.

  • Leerlauf und Kurzstörungen führen zu kurzen Bearbeitungsunterbrechungen, obwohl der Antrieb der Maschine noch läuft. Sie werden durch zeitweilige Funktionsstörungen hervorgerufen. Als Ursachen kommen zum Beispiel das Auslösen von falschem Alarm beim regelwidrigen Betrieb von Sensoren, das Blockieren von Werkstücken in der Maschine, der Stau am Anfang oder am Ende eines Transportbandes und Ähnliches in Betracht. Dramatische Auswirkungen haben Leerläufe und Kurzstörungen bei einer verketteten hochautomatisierten Produktion (Fertigungsorganisation), da ein Leerlauf oder eine Störung einer einzigen Maschine zur Produktionsunterbrechung in der gesamten Fertigungsstraße führt.

Abbildung 1: Verlustfaktoren

  • Bei Verlusten durch verringerte Taktgeschwindigkeit handelt es sich um Leistungsdefizite, die durch Abweichungen zwischen Soll-(Plan-) und Ist-Taktgeschwindigkeit oder zwischen theoretisch möglicher und wirklicher Geschwindigkeit der produzierenden Maschinen entstehen. Ursache sind häufig schlecht gewartete, abgenutzte oder verschmutzte Anlagen, Qualitätsmängel an Bauteilen der Anlagen, Schwächen im Design, ungenügende Genauigkeit oder Angst, die Maschine bei einer höheren Taktgeschwindigkeit zu überlasten.

  • Verluste durch Anlaufschwierigkeiten stellen Produktivitätsverluste dar, die in der Zeit von der Inbetriebnahme der Produktionsanlage bis zum stabilen Prozess auftreten. Sie äußern sich durch eine reduzierte Ausbringung und/oder ausschussbehaftete Produktion. Das Ausmaß solcher Verluste hängt sowohl vom technischen Zustand der betreffenden Maschine als auch von dem technischen Niveau und der Effektivität der Zusammenarbeit des Produktions- und Instandhaltungspersonals ab.

  • Verluste durch Ausschuss und Nacharbeit sind auf Maschinenfunktionsfehler, Werkzeugfehler, Handlingfehler, Bedienungsfehler oder Arbeitsfehler zurückzuführen. Das Abstellen der zu Grunde liegenden Fehlerursachen ist nicht unproblematisch und erfordert eine genaue Analyse der Umstände, die beim Auftreten des Fehlers herrschen.

Ausgangsbasis für TPM ist eine eindeutige Identifikation der oben aufgeführten Verlustfaktoren und ihre präzise messtechnische Erfassung.

Der von TPM eingeführte Maßstab zur Messung der Anlagenwirksamkeit unter Berücksichtigung ihres Produktivitäts-, Leistungs- und Qualitätsniveaus ist die Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness OEE oder Total Effective Equipment Productivity TEEP). Abbildung 1 enthält eine Übersicht zu Verlustfaktoren und den daraus resultierenden Kennwerten.

Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass in der konsequenten Beseitigung der so genannten versteckten Verlustquellen, nämlich der Leerläufe, der kurzen Produktionsstopps und der verringerten Taktgeschwindigkeit, beträchtliche Potenziale zur Steigerung des anlagenspezifischen Produktivitätsbeitrages vorhanden sind.

2. Bausteine des TPM-Konzeptes

2.1 Überblick

Ein störungsfreier Maschinenlauf und eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Produktionseinrichtungen mithilfe von TPM setzt die Einleitung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses voraus, der aus folgenden Bausteinen besteht:

Abbildung 2: Bausteine des TPM-Konzeptes

2.2 Autonome Instandhaltung

Bei einer autonomen Instandhaltung erfolgt eine stufenweise Übertragung der routinemäßigen Wartungs-, Inspektions- und Instandsetzungstätigkeiten vom Instandhaltungspersonal auf die Anlagenbediener, die dann bestimmte Instandhaltungsarbeiten in Eigenregie durchführen. Hierzu gehören insbesondere die folgenden Aufgaben:

  • Wartungsmaßnahmen

    • tägliches Reinigen, Schmieren und Festziehen von Schrauben

    • Umrüst- und Einrichtarbeiten

    • Dokumentation von Betriebsstörungen und anderen Fehlfunktionen

  • Inspektionsmaßnahmen

    • Durchführung von Inspektionen, die ohne Einsatz von komplizierter Gerätschaft erfolgen können

  • Instandsetzungsmaßnahmen

    • Durchführung kleiner Reparaturen (zum Beispiel Austausch einfacher Teile)

    • Unterstützung der Instandhaltungsmitarbeiter bei Reparaturarbeiten

Die tägliche und intensivere Beschäftigung mit den Maschinen steigert die Sensibilität der Maschinenbediener gegenüber betrieblichen Unregelmäßigkeiten und Anomalien. Größere Störungen und damit verbundene längere Maschinenstillstandszeiten lassen sich somit oftmals vermeiden.

2.3 Totales Anlagenmanagement

Beim totalen Anlagenmanagement geht es insbesondere um die Realisierung von instandhaltungsarmen und instandhaltungsgerechten Anlagen unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit. Hierzu ist ein Managementprogramm zur kontinuierlichen Verbesserung von Qualität, Zuverlässigkeit und Instandhaltbarkeit der industriellen Produktionseinrichtungen aufzubauen. Abbildung 3 stellt die zur präventiven Anlagenverbesserung einsetzbaren Methoden dar.

Abbildung 3: Methoden für das totale Anlagenmanagement

Die Managementaktivitäten zur Instandhaltungsprävention erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus der Produktionsanlagen und lassen sich in drei Perioden einteilen:

  • Instandhaltungsprävention in der Entwurfs- und Konstruktionsphase (so genanntes Maintenance Prevention Design oder MP Design)

  • Instandhaltungsprävention während der Herstellungs-, Installations- und Anlaufphase (Early Equipment Management – frühes Anlagenmanagement)

  • Instandhaltungsprävention während der regulären Betriebsphase

Da die Qualität der Abläufe einer jeden Phase maßgeblich von der Qualität der Abläufe in der jeweils vorhergegangenen Phase abhängt, können die einzelnen Perioden trotz dieser Einteilung nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Vielmehr sind sie als Kreislauf zu verstehen, in dem die einzelnen Phasen ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen.

Zur Zielerreichung werden spezielle Projektgruppen (Projekt-Controlling ) gebildet, deren Mitglieder über einen hohen technischen Kenntnisstand verfügen. Neben den Mitarbeitern der Planung und Konstruktion bzw. dem Maschinenhersteller werden die Bereiche Produktion und Instandhaltung in das Projekt einbezogen. Hierdurch ist gewährleistet, dass theoretisches Ingenieurwissen durch direkte praktische Erfahrungen im Umgang mit den Produktionsanlagen komplettiert wird.

2.4 Vorbeugende Instandhaltung

Die vorbeugende Instandhaltung setzt sich aus Aktivitäten zusammen, die das Aufstellen eines durchstrukturierten periodischen Instandhaltungsplans für die Instandhaltungsabteilung sowie seine konsequente Einhaltung zum Ziel haben. Durch das Übertragen bestimmter routinemäßiger Instandhaltungsaufgaben auf die Fertigungsmitarbeiter entstehen für die Instandhalter Freiräume, die ihnen eine Umstrukturierung und/oder Erweiterung ihrer Aktivitäten ermöglicht.

Ziel der vorbeugenden Instandhaltung ist es, durch präventive Instandhaltungsmaßnahmen die Aufrechterhaltung eines einwandfreien Anlagenzustands sicherzustellen. Hierzu gehören die folgenden Tätigkeiten:

  • Wartungsmaßnahmen, die den Einsatz spezieller Hilfsstoffe oder Werkzeuge erfordern, welche aus Kostengründen nicht allen Fertigungsbereichen zur Verfügung stehen können oder vom Anwender ein spezielles Know-how voraussetzen

  • Inspektionsmaßnahmen, für die spezielle technische Gerätschaften zur Feststellung und Messung des Ist-Zustands erforderlich sind

  • Überholungsmaßnahmen, die einen größeren technischen und zeitlichen Aufwand erforderlich machen und außerhalb der regulären Produktionszeit durchgeführt werden müssen

  • Sonstige Instandhaltungsmaßnahmen, die – zum Beispiel aus Gründen der Arbeitssicherheit – nicht durch die Anlagenbediener durchgeführt werden können

  • Maßnahmen zur Diagnose und Vorhersage eines möglichen Maschinenversagens, die auf Grund des erforderlichen datentechnischen und zeitlichen Aufwands nicht in den Produktionsablauf integrierbar sind (zum Beispiel Vibrationsanalysen, thermographische Analysen, spektrographische Ölanalysen, Infrarottests etc.)

Zur Sicherstellung eines zeitgerechten und kontrollierten Einsatzes von Instandhaltungsmaßnahmen werden von der Instandhaltungsabteilung Instandhaltungspläne aufgestellt:

  • Instandhaltungs-Jahrespläne beziehen sich auf die gesamte vorhergesagte Lebensdauer der Produktionsanlagen (von der Installation bis zur Entsorgung) und erstrecken sich somit auf einen Zeitraum von mehreren Jahren.

  • Ein Monats-Instandhaltungsplan beinhaltet vorbeugende und verbessernde Instandhaltungsmaßnahmen sowie die dafür angesetzten Termine für jede einzelne Produktionsanlage. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten und stellt ein mittelfristiges Planungs- und Steuerungsinstrument dar, um die geplanten Instandhaltungsarbeiten gleichmäßig unter den Mitarbeitern aufzuteilen.

  • Der Instandhaltungs-Wochenplan gibt einen Überblick über die Instandhaltungstätigkeiten einer Woche und unterstützt die Instandhalter beim Managen ihrer Arbeit.

  • Instandhaltungspläne für größere Projekte umfassen Termine und Aufgaben für größere Instandhaltungsmaßnahmen, wie zum Beispiel den Umbau ganzer Anlagensysteme.

Die Planung dieser und der Instandhaltungsaktivitäten sowie das Aufstellen von Instandhaltungsprogrammen wird heute im Allgemeinen durch den Einsatz von EDV-Systemen unterstützt.

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