Arbeitszeitkonten

Normen

§ 3b EStG

R 3b Abs. 8 LStR

Information

1. 1. Allgemeines

Im Rahmen der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunehmend erfinderischer: Altersteilzeit, Jahresarbeitszeitkonto, Lebenszeitkonto usw. werden eingeführt.

Vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber z.B., für die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung den Lohn nicht auszuzahlen, sondern einem Arbeitszeitkonto gut zu schreiben und aus den Zeit- und Wertguthaben dieses Kontos in einer späteren Phase der Arbeitsfreistellung auszuzahlen, so stellt sich die Frage des Lohnzuflusses. Dem Arbeitnehmer fließt mit der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto noch kein Arbeitslohn zu, wenn die entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, bevor der zur Gutschrift bestimmte Arbeitslohnanspruch entstanden ist und durch die Gutschrift dem Arbeitnehmer keine Ansprüche gegenüber Dritten erwachsen. Ist der Anspruch bereits entstanden, liegt schon Lohnzufluss vor.

Erst die – spätere – Auszahlung des Guthabens führt – bei Umwandlung künftigen Arbeitslohns – beim Arbeitnehmer zum Zufluss von Arbeitslohn, der dem Lohnsteuerabzug unterliegt. Das gilt sowohl für die planmäßige Auszahlung des Guthabens in der Freistellungsphase als auch für die sofortige Auszahlung im sogenannten Störfall, z.B. bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberwechsel oder Tod (BMF, Schreiben v. 17.06.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004).

Auch die Steuerfreiheit z.B. von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bleibt bei zeitversetzter Auszahlung grundsätzlich erhalten. Voraussetzung ist, dass vor der Leistung der begünstigten Arbeit bestimmt wird, dass ein steuerfreier Zuschlag – ggf. teilweise – als Wertguthaben auf ein Arbeitszeitkonto genommen und getrennt ausgewiesen wird.

Das Sozialversicherungsrecht ist als Vorreiter in der Behandlung von Zeit- und Wertguthaben zu sehen, während das Steuerrecht nur nachgezogen ist. U.a. in § 7 Abs. 1a SGB IV wurden die Grundlagen geschaffen, dass das in Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung „erdiente“ Entgelt als Arbeitsentgelt in der Freistellungsphase angesehen wird. Dementsprechend ist auch u.a. in § 11a DEÜV geregelt, dass Arbeitsentgelt nach § 23b Abs. 2 und 3 SGB IV unverzüglich gesondert zu melden ist, wenn es nicht gemäß einer Vereinbarung nach § 7 Abs. 1a SGB IV (Bildung eines Wertguthabens) verwendet wird. So gehen die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger auch davon aus, dass die Mitnahme des Zeit- bzw. Wertguthabens zum neuen Arbeitgeber unter den in § 7 Abs. 1a SGB IV genannten Voraussetzungen nicht zur Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge im Zeitpunkt des Arbeitgeberwechsels führt, sondern Sozialversicherungspflicht erst bei Auszahlung des Wertguthabens in der Freistellungsphase eintritt. Diese Beurteilung wurde auf die Bestimmung des steuerlichen Zuflusszeitpunktes übertragen (Erlass des FM NRW, 22.08.2001 – S 2332 – 75 – V B 3).

Hinweis:

Wichtig ist für beide Bereiche die frühzeitige schriftliche Vereinbarung, bevor der zur Gutschrift bestimmte Arbeitslohnanspruch entstanden ist.

Hinweis:

Bei befristeten Dienstverhältnissen werden Zeitwertkonten steuerlich nur dann anerkannt, wenn die sich während der Beschäftigung ergebenden Guthaben bei normalem Ablauf während der Dauer des befristeten Dienstverhältnisses, d.h. innerhalb der vertraglich vereinbarten Befristung, durch Freistellung ausgeglichen werden (BMF, Schreiben v. 17.06.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004).

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer hat einen befristeten Vertrag vom 01.01.2010 bis 31.12.2015. Der Arbeitnehmer wird vorzeitig aus dem Vertrag am 01.01.2014 entlassen und erhält das ihm bis zum 31.12.2015 zustehende, vereinbarte Zieleinkommen als entgangenen künftigen Arbeitslohn in Form einer Abfindung in einer Summe. Vereinbart wird, dass die Anlage bis zum Eintritt des Rentenfalls bzw. vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand als konstante Anlage weitergeführt werden soll.

Durch die Einzahlung des Betrags in das Lebensarbeitszeitkonto entsteht ein lohnsteuerpflichtiger Tatbestand.

2. 2. Portabilität

Wenn das Dienstverhältnis vor Beginn oder während der Freistellungsphase beendet wird (z.B. durch Erreichen der Altersgrenze, Tod des Arbeitnehmers, Eintritt der Invalidität oder durch Kündigung) und der Wert des Guthabens an den Arbeitnehmer oder seine Erben ausgezahlt wird, liegt eine planwidrige Verwendung vor. Lohnsteuerlich gelten dann die allgemeinen Grundsätze, d.h. der Einmalbetrag ist in der Regel als sonstiger Bezug zu besteuern (immer dann, wenn das Wertguthaben in Jahren angespart wurde, die vor dem Jahr der Auszahlung liegen). Wurde das Guthaben über einen Zeitraum von mehr als 12 Monate hinweg angespart, ist eine tarifermäßigte Besteuerung im Rahmen des § 34 EStG vorzunehmen (Arbeitslohn für mehrere Jahre).

Das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (Flexi II) enthält in dem neuen § 7f Abs.1 SGB IV eine Regelung, die erstmals die Möglichkeit eröffnet, bei Beendigung einer Beschäftigung ein im vorangehenden Beschäftigungsverhältnis aufgebautes Wertguthaben durch Übertragung zu erhalten und nicht als „Störfall“ auflösen zu müssen.

Bei der Übertragung des Wertguthabens an einen neuen Arbeitgeber tritt der neue Arbeitgeber an die Stelle des alten Arbeitgebers und übernimmt im Wege der Schuldübernahme die Verpflichtungen aus dem Wertguthabenvertrag. Einer ausdrücklichen Steuerfreistellung bedarf es in diesem Fall nicht. Die Leistungen aus dem Wertguthaben durch den neuen Arbeitgeber gehören bereits nach den allgemeinen Regeln zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen er bei Auszahlung Lohnsteuer einzubehalten hat.

Anders ist dies im Fall der Übertragung des Wertguthabens auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (z.B. im Fall des Anknüpfens einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Phase der Nichtbeschäftigung an eine Beschäftigung). Damit auch in diesem Fall nicht schon im Zeitpunkt der Übertragung, sondern erst bei Inanspruchnahme aus dem Wertguthaben Zufluss von steuerpflichtigem Arbeitslohn vorliegt, wurde diese Portabilitätsregelung durch eine Steuerbefreiung in § 3 Nr. 53 EStG flankiert.

Bei der Auszahlung des Wertguthabens handelt es sich um Arbeitslohn, für den die Deutsche Rentenversicherung Lohnsteuer einzubehalten hat (§ 38 Abs. 3 Satz 3 EStG).

3. 3. Werterhaltungsgarantie/Zeitwertkontengarantie

Zeitwertkonten werden im Hinblick auf die in §§ 7d und 7e SGB IV getroffenen Regelungen steuerlich nur dann anerkannt, wenn die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung vorsieht, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens ein Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Arbeitslohn-Beträge (Bruttoarbeitslohn im steuerlichen Sinne ohne den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) gewährleistet ist (Zeitwertkontengarantie). Im Fall der arbeitsrechtlichen Garantie des Arbeitgebers für die in das Zeitwertkonto für den Arbeitnehmer eingestellten Beträge, bestehen keine Bedenken von der Erfüllung der Zeitwertkontengarantie auszugehen, wenn der Arbeitgeber für diese Verpflichtung insbesondere die Voraussetzungen des Insolvenzschutzes nach § 7e SGB IV entsprechend erfüllt. Dies gilt nicht nur zu Beginn, sondern während der gesamten Auszahlungsphase, unter Abzug der bereits geleisteten Auszahlungen.

Wertschwankungen sowie die Minderung des Zeitwertkontos (z.B. durch die Abbuchung von Verwaltungskosten und Depotgebühren) in der Zuführungsphase sind lohnsteuerlich unbeachtlich.

Beispiel:

Im Rahmen eines vereinbarten Zeitwertkontos ergibt sich zum Ende des dritten Jahres innerhalb der zehnjährigen Ansparphase ein Guthaben von 10.000 EUR. Bei jährlichen Zuführungen von 4.000 EUR ergab sich durch Wertschwankungen sowie die Belastung von Provisionszahlungen und Verwaltungskosten ein geringerer Wert als die Summe der zugeführten Arbeitslohnbeträge.
Die Minderung des Guthabens des Zeitwertkontos ist unschädlich, wenn bis zum Beginn der Auszahlungsphase die Wertminderung durch Wertsteigerungen der Anlage oder durch Erträge aus der Anlage wieder ausgeglichen wird.

4. 4. Gesellschafter-Geschäftsführer

Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern wird ein Arbeitszeitkonto generell nicht anerkannt. Dies gilt auch für die Erstellung eines Wertguthabens auf einem Arbeitzeitkonto bei einem Mehrheitsaktionär einer AG. Im Übrigen scheidet auch die steuerliche Anerkennung von Arbeitszeitkonten für alle Organe einer Kapitalgesellschaft, die steuerlich als Arbeitnehmer anzusehen sind, z.B. Fremdgeschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG, aus.

Praxistipp:

Gegen nachteilige Entscheidungen sollte Einspruch unter Hinweis auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren VI R 19/12 und VI R 26/12 eingelegt werden.

5. 5. Wirtschaftliche Verfügungsmacht

Grundsätzlich führt weder die Vereinbarung noch die Wertgutschrift auf einem Arbeitszeitkonto zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, künftig fällig werdenden Arbeitslohn ganz oder teilweise betragsmäßig auf einem Konto gutzuschreiben, um ihn in Zeiten der Arbeitsfreistellung auszuzahlen. Dies gilt auch, wenn das Lebensarbeitszeitkonto in Geld geführt und durch den Arbeitgeber mittels Investmentfonds abgesichert wird. Die Wahl eines bestimmten Insolvenzsicherungsmodells hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die steuerliche Beurteilung einer Lebensarbeitszeitkontenregelung.

Es kommt nur dann zu einer Verschiebung der Lohnbesteuerung von der Ansparphase (Gutschriften auf dem FLEXI-Konto) auf die sog. Entnahmephase (Verwendung des FLEXI-Kontoguthabens), wenn der Arbeitnehmer nicht schon in der Ansparphase die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Werte im FLEXI-Konto erhält. Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, bei denen die Möglichkeit des Totalverlustes des auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Arbeitslohns besteht und ein Kapitalanlagewahlrecht des Arbeitnehmers vorgesehen ist, führen bereits bei Einstellung des Wertguthabens auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn (FG Münster, 24.03.2011 – 8 K 3696/10 E, StED 2011, 372).

6. 6. Familienpflegezeit

Durch das Familienpflegezeitgesetz, mit dem zum 01.01.2012 die Familienpflegezeit eingeführt wurde, wird die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessert. Das BMF hat zur lohnsteuerlichen Behandlung der Familienpflegezeit Stellung genommen (BMF-Schreiben, 23.05.2012 – IV C 5 – S 1901/11/10005).

Zurück
Nach oben