Außergewöhnliche Belastungen
§ 33 EStG
§ 33a EStG
R 33.1 EStR
R 33.2 EStR
Inhaltsübersicht
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Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG setzt voraus, dass
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ein Antrag vorliegt,
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Aufwendungen entstanden sind bzw. eine Einkommensbelastung oder eine Vermögensbelastung besteht,
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die Aufwendungen keine Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen,
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die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen gegeben ist,
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die Aufwendungen zwangsläufig entstehen und
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die zumutbare Belastung überschritten wird.
Die vorgenannten Voraussetzungen werden im Folgenden erläutert.
Zu Einzelfällen Außergewöhnliche Belastungen (ABC)
Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen bei Unterhaltsleistungen (§ 33a Abs. 1 EStG), Ausbildungsfreibeträgen (§ 33a Abs. 2 EStG) und einer Haushaltshilfe oder wegen Heimunterbringung, vgl. jeweils dort.
1. 1. Aufwendungen bzw. Einkommensbelastung
Der Steuerpflichtige muss finanziell belastet sein, d.h. ihm müssen Aufwendungen entstanden sein, die zu einer endgültigen Einkommensbelastung führen. Aufwendungen können hierbei in Form von Geldausgaben oder Sachzuwendungen vorliegen. Entgangene Einnahmen, wie z.B. der Verdienstausfall als Folge einer Krankheit, sind keine Ausgaben.
2. 2. Vermögensbelastung bzw. Einkommensbelastung
Die Beseitigung von Schäden an einem Vermögensgegenstand kann ausnahmsweise zu Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG führen, wenn u.a. der Vermögensgegenstand selbst von existenziell wichtiger Bedeutung ist, kein Anhaltspunkt für ein eigenes Verschulden erkennbar und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind. Eine Berücksichtigung als AGB scheidet auch insoweit aus, als eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit wie eine Gebäudeversicherung oder Hausratversicherung nicht wahrgenommen worden ist (BFH, 06.05.1994 – III R 27/92 BStBl II 1995, 104). Nach R 33.2 EStR können Aufwendungen zur Wiederbeschaffung oder Schadensbeseitigung im Rahmen des Notwendigen und Angemessenen unter folgenden Voraussetzungen berücksichtigt werden:
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Sie müssen einen existenziell notwendigen Gegenstand betreffen – dies sind Wohnung, Hausrat und Kleidung, nicht aber z.B. PKW, eine Garage oder Außenanlagen.
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Der Verlust oder die Beschädigung muss durch ein unabwendbares Ereignis wie Brand, Hochwasser, Kriegseinwirkung, Vertreibung, politische Verfolgung verursacht sein.
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Dem Stpfl. müssen tatsächlich finanzielle Aufwendungen entstanden sein; ein bloßer Schadenseintritt reicht zur Annahme von Aufwendungen nicht aus.
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– Die Aufwendungen müssen ihrer Höhe nach notwendig und angemessen sein und werden nur berücksichtigt, soweit sie den Wert des Gegenstandes im Vergleich zu vorher nicht übersteigen.
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Nur der endgültig verlorene Aufwand kann berücksichtigt werden, d.h. die Aufwendungen sind um einen etwa nach Schadenseintritt noch vorhandenen Restwert zu kürzen.
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Der Stpfl. muss glaubhaft darlegen, dass er den Schaden nicht verschuldet hat und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht bestehen.
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Ein Abzug scheidet aus, sofern der Stpfl. zumutbare Schutzmaßnahmen unterlassen oder eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat.
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Das schädigende Ereignis darf nicht länger als drei Jahre zurückliegen, bei Baumaßnahmen muss mit der Wiederherstellung oder Schadensbeseitigung innerhalb von drei Jahren nach dem schädigenden Ereignis begonnen worden sein.
Hinweis:
Eine endgültige Belastung tritt nicht ein, soweit die Kosten von dritter Seite ersetzt werden (z.B. Beihilfen des Arbeitgebers in Krankheitsfällen; Krankenversicherungsleistungen; Bezüge aus einer Krankenhaustagegeldversicherung bis zur Höhe der Krankenhauskosten).
Praxistipp:
Auch wenn die Ausgaben über ein Darlehen finanziert werden, tritt entgegen der früheren Rechtsprechung die Belastung im Zeitpunkt ein, in dem die Darlehensmittel verausgabt werden (BFH, 10.06.1988 – III R 248/83, BStBl II 1988, 814), und nicht erst nach und nach mit Tilgung des Darlehns.
Hinweis:
Keine Aufwendungen liegen nach der Auffassung der Finanzverwaltung vor, wenn der Steuerpflichtige für seine Kosten einen Gegenwert (d.h. ein marktfähiges Wirtschaftsgut) erhält, zum Beispiel bei
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der Anschaffung von Haushaltsgeräten,
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der Einrichtung einer Wohnung,
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dem Einbau eines Whirlpools oder einer Heimsauna
Praxistipp:
Eine Ausnahme von der „Gegenwerttheorie“ ist bei Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat oder Kleidung gegeben. Diese müssen durch ein unabwendbares Ereignis wie Brand, Diebstahl, Hochwasser, Unwetter, Kriegseinwirkung, Vertreibung oder politische Verfolgung verloren oder wieder beschafft worden sein, um dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anerkannt zu werden. Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt (BFH, 22.10.2009 – VI R 7/09). Eine weitere Ausnahme wird bei behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen gesehen.
3. 3. Keine Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben
Die Aufwendungen dürfen nach der gesetzlichen Regelung nicht zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören.
Durch den Antrag auf das sog. Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) werden die gesamten Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten zu Sonderausgaben umqualifiziert und sind damit, auch soweit sie über den Höchstbetrag von 13.805 EUR hinausgehen, nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
4. 4. Außergewöhnlichkeit
Die Aufwendungen müssen außergewöhnlich sein. Die Außergewöhnlichkeit ergibt sich aus den besonderen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen oder einer „kleinen Minderheit“ von Steuerpflichtigen, bei denen Ereignisse eintreten, die bei der überwiegenden Mehrzahl von Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht eintreten.
5. 5. Zwangsläufigkeit
Die Zwangsläufigkeit der als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen ist erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige den Kosten aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (vergleichbar einer Pflicht zur Leistung).
Rechtliche Gründe sind anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung die Aufwendungen zu tragen hat (z.B. Unterhaltspflicht bei Verwandten in gerader Linie oder gegenüber dem Ehegatten).
Tatsächliche Gründe ergeben sich in der Regel aus unabwendbaren Ereignissen wie zum Beispiel Katastrophen, Krieg, Vertreibung, Unfall, Krankheit, Tod und Erpressung.
Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen wird nur unter engen Voraussetzungen anerkannt. Sie ist regelmäßig bei der Unterstützung von Angehörigen (im Sinne des § 15 AO) gegeben, nicht aber bei der allgemeinen Unterstützung von in Not geratenen Menschen (BFH, 25.03.1966 – VI 320/65, BStBl III 1966, 534).(Unterhaltsleistungen).
6. 6. Krankheitskosten
Der zu erbringende Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein.
Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde in § 33 Abs. 4 EStG die Ermächtigungsgrundlage geschaffen, die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Von dieser Verordnungsermächtigung wurde mit der Änderung des § 64 EStDV Gebrauch gemacht. Durch die Neuregelung wird eine Gesetzeslage geschaffen, die vor den o.g. Entscheidungen des BFH einer langjährigen Verwaltungspraxis entsprach.
Hinweis:
Der BFH hat in einer ersten Entscheidung die rückwirkende Gesetzesregelung als verfassungsgemäß angesehen (BFH, 19.04.2012 – VI R 74/10).
7. 7. Zumutbare Belastung
Von den Aufwendungen für die außergewöhnlichen Belastungen ist die sogenannte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG abzuziehen. Der Gesetzgeber unterstellt, dass jedem Steuerpflichtigen zugemutet werden kann, die außergewöhnlichen Belastungen zum Teil aus seinem versteuerten Einkommen selbst zu tragen. Vom Gesetzgeber sind hierbei bestimmte soziale Gesichtspunkte (z.B. Familienstand, Kinder, Höhe des Einkommens) berücksichtigt worden. Die Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung ist verfassungsgemäß (BVerfG, 30.05.2005 – 2 BvR 923/03).
Die zumutbare Belastung kann aus der folgenden Tabelle errechnet werden:
Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte |
bis |
über |
über |
1. bei Stpfl., die keine Kinder haben und bei denen die Steuer nach der |
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a) Grundtabelle ermittelt wird |
5 % |
6 % |
7 % |
b) Splittingtabelle ermittelt wird |
4 % |
5 % |
6 % |
2. bei Steuerpflichtigen mit |
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a) einem oder zwei Kindern |
2 % |
3 % |
4 % |
b) drei oder mehr Kindern |
1 % |
1 % |
2 % |
Der Prozentsatz bezieht sich auf den Gesamtbetrag der Einkünfte. Als Kinder zählen nur die, für die der Steuerpflichtige einen Kinderfreibetrag, Kindergeld bzw. den Freibetrag für den Betreuungs-/Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (Freibetrag Betreuung/Erziehung/Ausbildung) erhält.
Praxistipp:
Bevor Sie die im Kalenderjahr entstandenen außergewöhnlichen Belastungen zusammenrechnen, sollten Sie zuerst die zumutbare Belastung überschlägig ausrechnen. Liegen die Aufwendungen nämlich unter der zumutbaren Belastung, so kommt eine steuerliche Berücksichtigung nicht in Betracht.
Beispiel:
Der ledige Karl Volle hat in 2013 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 2.045 EUR bezahlt. Sein Bruttoarbeitslohn beträgt 29.121 EUR.
Lösung
Der Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages in Höhe von 1.000 EUR (kein Werbungskostenabzug) 28.121 EUR.
Als zumutbare Belastung ergibt sich nach der Tabelle 6 % von 28.121 EUR = 1.687 EUR
Von den insgesamt getragenen Aufwendungen in Höhe von 2.045 EUR sind nach Abzug der zumutbaren Belastung noch 358 EUR als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.
Praxistipp:
Es gehen bundesweit vermehrt Einsprüche bei den Finanzämtern mit der Begründung ein, der Abzug einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten sei verfassungswidrig. Die Steuerbescheide ergehen insoweit als vorläufig.
8. 8. Vergessene Antragstellung
Einem Steuerberater kann ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Zahnbehandlungskosten zur Last fallen, wenn er es unterlässt, seinen Mandanten nach solchen Aufwendungen zu fragen. Die Verpflichtung zur Nachfrage entfällt nicht dadurch, dass ein Dritter Angaben und Unterlagen für den Steuerpflichtigen beibringt (BFH, 03. 12. 2009 – VI R 58/07).