Bauabzugssteuer – Bagatellregelung
§§ 48 ff EStG
Trotz fehlender Freistellungsbescheinigung (vgl. Bauabzugssteuer – Freistellung) kann in sog. Bagatellfällen auf die Erhebung der Bauabzugssteuer verzichtet werden. Wird keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt, kann gem. § 48 Abs. 2 Nr. 2 EStG vom Steuerabzug auch dann abgesehen werden, wenn die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 5.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird (vorausschauende Betrachtung).
Die Freigrenze beträgt gem. § 48 Abs. 2 Nr. 1 EStG15.000 EUR, wenn der Leistungsempfänger nur deshalb abzugspflichtig ist, weil er ausschließlichsteuerfreie Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG ausführt. Werden aber von dem Leistungsempfänger neben den steuerfreien Vermietungsumsätzen noch weitere umsatzsteuerpflichtige Umsätze erbracht, dann gilt insgesamt die Freigrenze von 5.000 EUR. Unerheblich ist hierbei, ob es sich bei den anderen Umsätzen um umfangreiche oder nur geringfügige Umsätze handelt. Zum abzugsverpflichteten Personenkreis vgl. Bauabzugssteuer – Leistungsempfänger.
Die Bagatellgrenzen beziehen sich auf den einzelnen Handwerker/Bauunternehmer und sind lediglich bezogen auf den einzelnen Leistungsempfänger zusammenzurechnen. Eine Abzugspflicht entsteht also nicht, wenn der Leistungsempfänger unter Einhaltung der geltenden EUR-Grenze Aufträge an verschiedene Handwerker vergibt.
Der entscheidende Betrag wird ermittelt, indem die für denselben Leistungsempfänger von einem Leistenden im Kalenderjahr erbrachten und voraussichtlich noch zu erbringenden Bauleistungen zusammengerechnet werden. Der Leistungsempfänger kann im Hinblick auf die Freigrenzen also nur dann vom Steuerabzug Abstand nehmen, wenn die Freigrenze bisher nicht überschritten wurde und im laufenden Kalenderjahr nicht mit weiteren Zahlungen für Bauleistungen an denselben Auftragnehmer zu rechnen ist.
In dem Fall, dass der Leistungsempfänger zunächst davon ausgeht, die Freigrenze werde nicht überschritten und daher bei Zahlung der Gegenleistung den Steuerabzug nicht vornimmt, muss er den unterlassenen Steuerabzug nachholen, wenn im Nachhinein durch weitere Zahlungen die maßgebliche Freigrenze für das laufende Kalenderjahr überschritten wird. Auf ein Verschulden des Leistungsempfängers kommt es insoweit nicht an.
Beispiel 1
In einem vermieteten Mehrfamilienhaus wird das Treppenhaus renoviert, wobei der Bauunternehmer keine Freistellungsbescheinigung vorlegt. Die Renovierungskosten werden insgesamt 17.000 EUR betragen. Von diesem Betrag zahlt der Leistungsempfänger zunächst einen Abschlag von 8.000 EUR. Der Restbetrag wird von ihm noch im selben Kalenderjahr nach Erteilung der Schlussrechnung erbracht. Der Leistungsempfänger hat bereits von der Abschlagszahlung einen Betrag von 1.200 EUR (15 % v. 8.000 EUR) einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, da von vornherein feststeht, dass die Freigrenze von 15.000 EUR überschritten wird.
Beispiel 2
Wie Beispiel 1, allerdings soll die Renovierung nur 13.000 EUR kosten. Als Abschlagszahlung zahlt der Leistungsempfänger zunächst einen Betrag von 9.000 EUR. Die Renovierung wird aber dann teurer als zunächst kalkuliert. In der Schlussrechnung werden daher noch 7.000 EUR angesetzt, die vom Leistungsempfänger noch im selben Jahr gezahlt werden. Da die Freigrenze von 15.000 EUR innerhalb eines Kalenderjahres überschritten ist, unterliegt die gesamte Gegenleistung i.H.v. 16.000 EUR dem Steuerabzug. Unterstellt, der Lesitungsempfänger hat bei der Abschlagszahlung noch keinen Steuerabzug vorgenommen, muss er nun bei Zahlung des Restbetrages den Steuerabzugsbetrag von 2.400 EUR einbehalten, also nur 13.600 EUR an den Bauunternehmer zahlen.
Wird die Freigrenze für den Steuerabzug nachträglich überschritten und reicht der Betrag der Gegenleistung, die noch zu zahlen ist, für die Erfüllung der Abzugsverpflichtung nicht aus, so entfällt die Abzugsverpflichtung in dem Umfang, in dem sie die noch zu erbringende Gegenleistung übersteigt. Eine Nachbelastung findet in diesem Fall also nicht statt.
Beispiel 3
An einem Mehrfamilienhaus wird zunächst das Dach für 15.000 EUR neu gedeckt. An den Unternehmer, der keine Freistellungsbescheinigung vorlegt, zahlt der Hauseigentümer die 15.000 EUR in voller Höhe aus. Später im Jahr werden von dem selben Unternehmer noch neue Fenster für 2.000 EUR eingebaut. Der Hauseigentümer kann den Steuerabzugsbetrag in Höhe von insgesamt 2.550 EUR nicht vollständig aus der letzten Gegenleistung erbringen. Er hat daher einen Steuerabzug in Höhe der gesamten Gegenleistung von 2.000 EUR vorzunehmen, also dem Unternehmer nichts auszuzahlen. Mit den verbleibenden 550 EUR wird er nicht belastet.
Abwandlung:
Nach dem Einbau der Fenster wird am Ende des Jahres noch eine weitere Reparatur durch den selben Unternehmer in Höhe von 1.500 EUR vorgenommen. Somit beträgt der gesamte Steuerabzugsbetrag nunmehr 2.775 EUR. Da bereits ein Abzug von 2.000 EUR vorgenommen wurde, ist der noch verbleibende Steuerabzug von 775 Euro von der Gegenleistung vorzunehmen. Dem Unternehmer werden also von der letzten Gegenleistung 725 EUR ausgezahlt.
Die Freigrenzen gelten jährlich. Ggf. sollten am Jahresende zu zahlende Rechnungen zumindest bei fehlenden Freistellungsbescheinigungen aufgeteilt werden.
Beispiel
Die Rechnung des Handwerkers von 24.000 EUR geht im Dezember 2002 ein. 12.000 EUR werden noch im Dezember 2002 beglichen. Die Restsumme von 12.000 EUR wird im Januar 2003 gezahlt. Eine Abzugspflicht entsteht nicht.