Bußgeldverfahren – Überleitung

Normen

§ 410 AO

§ 47 OWiG

Nr. 104 AStBV (St) 2014

Information

Ergibt sich im laufenden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach Durchführung aller Ermittlungen, dass das Verhalten des Beschuldigten im Rahmen der zu überprüfenden Steuerstraftat nicht als Vorsatztat zu qualifizieren ist, sondern diesem im subjektiven Tatbestand des § 370 AO lediglich Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist, so kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle nach pflichtgemäßem Ermessen eine Überleitung des Steuerstrafverfahrens in ein Bußgeldverfahren in Betracht ziehen.

Die Finanzbehörde hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 47 Abs. 1 OWiG Ordnungswidrigkeiten nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfolgen, sogenanntes Opportunitätsprinzip (Nr. 104 AStBV (St) 2014). Das Opportunitätsprinzip eröffnet der Verfolgungsbehörde die Möglichkeit, von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit auch dann abzusehen, wenn die Voraussetzungen für eine Verfolgung beziehungsweise Ahndung an sich vorliegen.

Auch bei Verdacht einer an sich zu verfolgenden (Steuer-)Ordnungswidrigkeit

  • braucht daher ein Bußgeldverfahren erst gar nicht eingeleitet werden oder

  • kann die Verfolgung, gegebenenfalls auch erst im späteren Verlauf des (Bußgeld-)Verfahrens, in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht begrenzt werden oder

  • ganz von der Verfolgung abgesehen werden.

Eine Verfolgungsbegrenzung soll in den Akten vermerkt werden.

Die Ermessensentscheidung für die Überleitung des Steuerstrafverfahrens in das Bußgeldverfahren ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen. Dabei sind vor allem zu beachten:

  • der Gleichheitsgrundsatz,

  • der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,

  • das Übermaßverbot,

  • die Bedeutung der Tat,

  • der Grad der Vorwerfbarkeit,

  • das öffentliche Interesse an der Verfolgung (insbesondere bei Häufigkeit derartiger Verstöße und Wiederholungsgefahr).

Hinweis:

Die Verfolgungsbehörde wird in der Praxis in aller Regel trotz Verdachts von der Verfolgung einer (Steuer-)Ordnungswidrigkeit nach den vorstehenden Absätzen absehen, wenn der Verkürzungsbetrag oder der gefährdete Betrag insgesamt weniger als 5.000 EUR beträgt. Dies gilt jedoch nur dann, sofern nicht ein besonders vorwerfbares Verhalten für die Durchführung eines Bußgeldverfahrens spricht. Das Gleiche gilt, wenn in diesen Fällen der insgesamt gefährdete Betrag unter 10.000 EUR liegt und der gefährdete Zeitraum 3 Monate nicht übersteigt (Nr. 104 AStBV (St) 2014).

Mit dem Wechsel der Verfahren ergibt sich zunächst ein Wechsel der Begrifflichkeiten. Zu beachten sind im Bußgeldverfahren die folgenden Bezeichnungen (beispielhafte Aufzählung):

Steuerstrafverfahren

Bußgeldverfahren

Strafverfahren

Bußgeldverfahren

Beschuldigter

Betroffener

Straftat

Ordnungswidrigkeit

Vorsatz

Leichtfertigkeit (Ausnahme: §§ 379, 380 AO)

Steuerhinterziehung

leichtfertige Steuerverkürzung

strafschärfend

bußgelderhöhend

strafmildernd

bußgeldmindernd

Im Falle einer solchen Überleitung wechselt der einer Steuerstraftat Verdächtige vom Status des Beschuldigten in den Status eines Betroffenen. Er befindet sich somit in einem anderen Verfahren und hat daran anknüpfend auch einen Anspruch darauf, dass ihm erneut rechtliches Gehör beziehungsweise Gelegenheit zur Stellungnahme von der Ermittlungsbehörde gewährt wird.

Kommt die Straf- und Bußgeldsachenstelle zu der Entscheidung, dass sie das Steuerstrafverfahren aufgrund des fehlenden Vorsatzes einer Steuerhinterziehung abschließen will, hat sie im strafrechtlichen Abschlussvermerk das Ergebnis des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens schriftlich aktenkundig zu machen. Als steuerstrafrechtlicher Verfahrensabschluss ist die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO zu verfügen. Im gleichen Zuge ist als Einleitungsverfügung im Sinne der §§ 410, 397 AO die Überleitung in das Bußgeldverfahren zu verfügen und anschließend zu entscheiden, ob der nunmehr Betroffene erneut gehört werden oder ob ihm vor Erlass des Bußgeldbescheides nochmals Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben werden soll.

Hinweis:

Stellt sich im Rahmen einer Vernehmung des Beschuldigten im laufenden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren bereits heraus, dass diesem aufgrund seiner (glaubhaften) Einlassung nur leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen ist, holt die Verfolgungsbehörde zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung bereits in dieser Vernehmung das Einverständnis des (noch) Beschuldigten ein, ohne weitere Vernehmung oder Einholung einer schriftlichen Stellungnahme das dann eventuell anhängige Bußgeldverfahren abzuschließen. Sollte die Vernehmung ehedem von der Straf- und Bußgeldsachenstelle vorgenommen werden, so wird diese auch zu diesem Zeitpunkt eine Aussage über den möglichen Verfahrensabschluss, insbesondere über die Höhe eines eventuellen Bußgeldbescheides, treffen können.

Im Protokoll über die Vernehmung wird hierzu in der Regel eine Formulierung wie folgt oder ähnlich vorzufinden sein:

Ich bin vom Verhandlungsleiter auf die Möglichkeit der Überleitung des gegen mich anhängigen Steuerstrafverfahrens in ein Bußgeldverfahren hingewiesen worden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass mein Verhalten nur als leichtfertige Steuerverkürzung zu qualifizieren ist. Für diesen Fall mache ich schon jetzt meine heutige Aussage zum Gegenstand des dann gegen mich anhängigen Bußgeldverfahrens.
Zusagen habe ich keine erhalten.

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