Riester-Rente – Ausland
§ 10a EStG
§§ 79 ff. EStG
Art. 45 AEUV
1. Europarechtswidrigkeit der bisherigen Regelungen zur Riester-Rente
Die private Altersvorsorge wird durch verschiedene Regelungen des Einkommensteuergesetzes steuerlich gefördert: Arbeitnehmer, die privat für ihre Altersvorsorge Beiträge entrichten, dürfen diese entweder in bestimmten Grenzen als Sonderausgaben abziehen oder erhalten einen Zuschuss zu den gezahlten Beiträgen (Altersvorsorgezulage). Das angesparte Kapital soll grundsätzlich zur Finanzierung einer Altersrente dienen, darf in bestimmten Grenzen auch zur Anschaffung eines Eigenheims verwendet werden.
Die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zum Aufbau einer kapitalgedeckten zusätzlichen Altersvorsorge als Sonderausgabe nach § 10a EStG galt bisher nur für unbeschränkt Steuerpflichtige. Entsprechend ausgestaltet war der Kreis der durch die Altervorsorgezulage (§§ 79 ff. EStG) Begünstigten, die entweder selbst unbeschränkt steuerpflichtig oder mit einem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten verheiratet sein mussten.
Es wurde dabei kritisiert, dass die Regelungen zu den folgenden grenzüberschreitenden Sachverhalten europarechtswidrig seien:
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Arbeitnehmer erhielten keine Altersvorsorgezulage oder einen Sonderausgabenabzug, wenn sie nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, also keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
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Das im Altersvorsorgevertrag angesparte Kapital durfte nur dann steuerunschädlich zur Anschaffung einer Immobilie genutzt werden, wenn diese in Deutschland belegen war. Die Anschaffung einer Immobilie im Ausland wurde nicht begünstigt.
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Gab der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland auf, so mussten die bezogenen Zulagen grundsätzlich zurückgezahlt werden und der gewährte Sonderausgabenabzug wurde rückgängig gemacht.
Der EuGH hat dazu mit Urteil vom 10.09.2009 – C -269/07, Kommission / Deutschland, BFH/NV 2009, 1930, RIW 2009, 723 entschieden, dass die Ausgestaltung verschiedener steuerlicher Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Riester-Rente europarechtswidrig ist. Die §§ 79 bis 99 EStG verstießen gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 EGV bzw. jetzt Art. 45 AEUV) innerhalb der Gemeinschaft und stellten indirekt einen Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit dar. Hinsichtlich der Verpflichtung, die Zulagen bei Wohnsitzaufgabe zurückzahlen zu müssen, handelte es sich um eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Freizügigkeit. Da der EuGH keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit festgestellt hat, muss das Urteil nicht auf Drittländer angewendet werden.
2. Anpassung durch das EU-Umsetzungsgesetz
Durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (EU-Umsetzungsgesetz) vom 26.03.2010 (BGBl. I 2010, 386) wurden die Regelungen der Riester-Rente an die Vorgaben des EuGH angepasst. Dies hat Bedeutung insbesondere für grenzüberschreitende Arbeitnehmertätigkeiten. Das Urteil des EuGH ist in erster Linie für Grenzpendler oder Ruheständler, die Ihren Wohnsitz in das Ausland verlegen wollen, von Relevanz. Es ist aber in den Fällen bedeutsam, in denen ein Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum im Ausland tätig wird, z.B. Im Rahmen einer Auslandsentsendung. Hier stellt sich für den Arbeitnehmer sowohl aus persönlichen aber auch aus steuerlichen Gründen die Frage, ob er seinen Wohnsitz in Deutschland während der Auslandstätigkeit aufgibt. Entschied sich der Mitarbeiter bislang für die Wohnsitzaufgabe, so musste er die in der Vergangenheit erhaltenen Altersvorsorgezulagen grundsätzlich zurückzahlen. Das Gesetz sah in der durch den EuGH beanstandeten Fassung für diesen Fall zwar Stundungsmöglichkeiten bis zur Auszahlungsphase des Vertrages und einen Erlass der Rückzahlungsverpflichtung in den Fällen vor, in denen der Mitarbeiter später nach Deutschland zurückkehrte. Auf jeden Fall sah sich der Mitarbeiter aber bei Wohnsitzaufgabe einem nicht unerheblichen administrativen Aufwand ausgesetzt. Er hatte ferner grundsätzlich in den Jahren der Auslandstätigkeit keinen Anspruch auf Zulagen. Eine Ausnahme sah das Gesetz nur für Fälle einer Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vor (§ 95 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Künftig wird die Zulageberechtigung nicht mehr an das Innehaben eines Wohnsitzes in Deutschland, sondern an das Bestehen einer Pflichtversicherung in einem inländischen gesetzlichen Alterssicherungssystem (insbesondere gesetzliche Rentenversicherung und inländische Beamtenversogung) gekoppelt (§ 79, § 10a EStG). Dagegen werden Personen nicht begünstigt, die in einem ausländischen gesetzlichen Rentenversicherungssystem pflichtversichert sind.
Der EuGH hat in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Altersvorsorgezulage eine soziale Vergünstigung sei, die als Ausgleich für die in der deutschen gesetzlichen Alterssicherung vorgenommenen Einschnitte gewährt werde. Deswegen müsse die Zulage jedem gewährt werden, der dem deutschen Alterssicherungssystem unterliegt und darf nicht vom Steuerstatus der jeweiligen Person abhängig gemacht werden. Bislang konnten unbeschränkt Steuerpflichtige eine Zulage beziehen, selbst wenn sie in einem ausländischen Altersversorgungssystem abgesichert waren. Bei Berücksichtigung von ausländischen Altersversorgungssystemen würde eine im EU/EWR Ausland lebende Person, die im Ausland rentenversicherungspflichtig ist, Zulagen vom deutschen Staat erhalten, obwohl diese Person, außer den Zahlungen in einen nach deutschem Recht zertifizierten Altersvorsorgevertrag, gar keinen Bezug zu Deutschland hat.
Keine Zulage gibt es für Kinder oder den mittelbar begünstigten Ehepartner.
Ehegatten sind mittelbar zulageberechtigt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nur dadurch nicht erfüllt sind, dass nicht beide Ehepartner unbeschränkt steuerpflichtig sind und einer der beiden seinen Wohnsitz im EU-/EWR-Ausland hat. Die Kinderzulage wird der Mutter zugeordnet, auf Antrag beider Eltern dem Vater.
3. Verwendung des Kapitals auch für Auslandsimmobilien
Auch für die Verwendungsmöglichkeiten des angesparten Kapitals wurde eine europarechtskonforme Regelung erlassen: Künftig kann das in einem Altersvorsorgevertrag angesparte Kapital auch für die Anschaffung einer im EU-/EWR Raum belegenen Immobilie verwendet werden (§ 92a Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Förderung setzt voraus, dass die begünstigte Wohnung die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bildet. Damit bleiben im Ausland belegene Ferienhäuser von der Förderung ausgeschlossen.
Verstirbt der Zulageberechtigte, muss die Förderung nicht zurückgezahlt werden, wenn der überlebende Ehegatte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Dabei müssen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen. Es genügt, dass der Ehegatte seinen Wohnsitz im EU/EWR-Ausland hat.
4. Wohnsitzverlegung
Die Wohnsitzverlegung innerhalb des EU-/EWR-Raums ist nicht mehr schädlich. Bei einer Wohnsitzaufgabe müssen die bezogenen Zulagen nur noch zurückgezahlt werden, wenn
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der Wohnsitz in ein Nicht-EU/EWR Land verlegt wird oder
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der Wohnsitz zwar in ein EU/EWR Land verlegt wird, aber der Arbeitnehmer auch in einem Nicht-EU/EWR Land einen Wohnsitz begründet (Doppelwohnsitz) und nach einem DBA zwischen diesen beiden Ländern in dem Nicht-EU/EWR Land als ansässig gilt
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und die Zulageberechtigung endet (z.B. weil er aus dem deutschen Sozialversicherungssystem ausscheidet) oder die Auszahlungsphase des Altersvorsorgevertrages begonnen hat (§ 95 EStG).
Praxistipp:
Für zeitlich befristete grenzüberschreitende Arbeitnehmereinsätze (z.B. eine Entsendung) ist die Wohnsitzaufgabe für Riestersparer dann unproblematisch, wenn der Arbeitnehmer im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben kann. Dies ist bei Auslandseinsätzen innerhalb des EU-/EWR-Raums regelmäßig der Fall. Auch bei Tätigkeiten in Ländern, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, wird im Regelfall ein Verbleib im deutschen Altersversorgungssystem möglich sein. Wird der Arbeitnehmer allerdings in einem Land tätig, mit dem Deutschland kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, ist entscheidend, ob sich die Auslandstätigkeit als Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (§ 4 SGB IV) darstellt.
Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Auslandseinsätzen s. BKK Bundesverband (Hrsg.), BKK Extra 10 Entsendung.
Wie nach der bisherigen Regelung ist bei einer Rückzahlungsverpflichtung eine Stundung des Rückzahlungsbetrags bis zu Beginn der Auszahlungsphase möglich, allerdings nicht mehr zinslos.