Sonstige Leistungen
§ 3 Abs. 9 UStG
Inhaltsübersicht
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Die sonstigen Leistungen stellen neben der Lieferung die zweite wesentliche Besteuerungsgrundlage im Umsatzsteuergesetz dar. Der Begriff der sonstigen Leistung umfasst alle Leistungen, die keine Lieferungen sind. Die Abgrenzung erfolgt somit durch negative Kriterien. Liegt eine Lieferung vor, kann keine sonstige Leistung vorliegen. Handelt es sich nicht um eine Lieferung, aber um eine andere Leistung im wirtschaftlichen Sinn, so ist der Tatbestand der sonstigen Leistung erfüllt. Sonstige Leistungen können in einem positiven Tun, einem Unterlassen oder Dulden bestehen.
Die Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist von steuerlicher Bedeutung, da die Bestimmungen hinsichtlich des Orts der Leistung, der Anwendung von Steuerbefreiungen und des Steuersatzes unterschiedlich sind, vgl. hierzu auch Ort der Lieferung, Ort der sonstigen Leistung, Steuerbefreiungen, Steuersatz – USt.
Voraussetzung für die Steuerbarkeit einer sonstigen Leistung ist, dass sie durch einen Unternehmer im Leistungsaustausch erbracht wird. In Einzelfällen können Nichtunternehmer durch Erbringen einer sonstigen Leistung zu Unternehmern im umsatzsteuerlichen Sinne werden, insbesondere dann, wenn sie im Rahmen eines Dauerverhältnisses eine Leistung über einen längeren Zeitraum erbringen.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer S in Gelsenkirchen vermietet in seinem selbstgenutzten Einfamilienhaus nach Auszug des erwachsenen Sohnes dessen Zimmer an einen Studenten.
Lösung:
Durch die Vermietung wird der bis dahin nicht unternehmerisch tätige S nachhaltig tätig und erzielt Einnahmen aus dieser Tätigkeit. Damit wird er grundsätzlich Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn. Allerdings ist er durch eine Steuerbefreiung für Mieteinnahmen und die Regelung für Kleinunternehmer davon befreit, umsatzsteuerlich Pflichten erfüllen zu müssen; vgl. hierzu Steuerbefreiungen – Vermietung von Grundstücken, Kleinunternehmer
Die Tätigkeit eines Unternehmers, durch die er eine sonstige Leistung erbringt, kann eine aktive sein, insbesondere bei Dienstleistungen aller Art oder Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen (z.B. Vermietung und Verpachtung oder Darlehnsgewährung). Die Duldung der Nutzung auf Grund eines eingeräumten Nießbrauchs oder Erbbaurechts stellt eine sonstige Leistung dar. Gleiches gilt für den Verzicht auf ein bestimmtes Tun, z.B. einen Wettbewerbsverzicht. Dieses Unterlassen einer bestimmten Tätigkeit kann eine sonstige Leistung darstellen, die der Umsatzsteuer unterliegt, wenn sie gegenüber einem Dritten erbracht wird und dieser dafür ein Entgelt zahlt.
1. Einzelfälle zur Abgrenzung
In einer Vielzahl von Einzelfällen ist die Abgrenzung zwischen einer Lieferung und einer sonstigen Leistung nicht ohne weiteres möglich, da die Leistung Elemente beider Begriffe enthält. Entscheidend für die Zuordnung ist in diesen Fällen, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen bestimmen (BFH, 19.12.1991 – V R 107/86, BStBl II 1992, 449).
Sonstige Leistungen sind regelmäßig:
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die Nachrichtenübermittlung (auch auf Papier) zur Veröffentlichung, aber nicht die Lieferung von Zeitschriften;
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die Übertragung ideeller Eigentumsanteile – Miteigentumsanteile;
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die Überlassung von Konstruktionszeichnungen und Plänen;
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die Übertragung eines Verlagsrechts;
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die Überlassung von Spezialsoftware, die nach den Anforderungen des Kunden erstellt oder angepasst wird; der Verkauf von Standardsoftware einschließlich der Updates stellt dagegen eine Lieferung dar;
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die Herstellung von Fotokopien, soweit nicht daraus neue Gegenstände wie Bücher oder Broschüren durch den Unternehmer hergestellt und an den Kunden geliefert werden;
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Leasingverträge werden grundsätzlich als sonstige Leistungen behandelt; wird der Leasinggegenstand aber einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zugerechnet, ist der Vorgang als Lieferung zu behandeln (BFH, 01.10.1970 – V R 49/70, BStBl II 1971, 34).
Beispiel:
Der Bauunternehmer H in Frankfurt least einen Baukran beim Hersteller K in Münster. Nach den Bedingungen des Leasingvertrages ist der Kran ertragsteuerlich dem H zuzurechnen, er muss ihn in seinen Bilanzen ausweisen (sog. unechtes Leasing).
Lösung:
Umsatzsteuerlich muss K den Kaufpreis des Krans in Höhe der Leasingraten der gesamten Vertragslaufzeit sofort bei Lieferung, also bei Übergabe, versteuern.
Beim echten Leasing erfolgt die Versteuerung laufend bei Zahlung der einzelnen Leasingraten. Dies ist insbesondere bei Leasingverträgen mit Privatleuten, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ein erheblicher finanzieller Vorteil, da die Umsatzsteuer erst in dem Zeitpunkt abzuführen ist, in dem auch der Kunde die Raten zahlt.
2. Agenturgeschäfte
Seit Einführung der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) für gebrauchte Waren spielt die Abgrenzung zwischen Vermittlungs- (Agentur-) und Eigengeschäften keine wesentliche Rolle mehr, da Unternehmer, die mit gebrauchten, von Privatpersonen ohne Vorsteuerabzug erworbenen Waren handeln, nur noch den durch sie erzielten Mehrwert im Rahmen der Differenzbesteuerung der Umsatzsteuer unterwerfen müssen.
Vor der Einführung der Differenzbesteuerung konnte ein vergleichbares Ergebnis nur durch den Handel im Rahmen eines Agenturgeschäfts erreicht werden, bei dem der Unternehmer als Vermittler zwischen dem privaten Verkäufer und dem Käufer auftrat. Von ihm wurde eine sonstige Leistung in Form der Vermittlung erbracht, für die er eine Provision des Verkäufers erhielt. Nur diese Provision unterlag der Umsatzsteuer. Wurden die zur Anerkennung eines solchen Agenturgeschäfts insbesondere im Gebrauchtwagenhandel erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, führte dies zur Steuerpflicht des gesamten Kaufpreises beim zwischengeschalteten Unternehmer (vgl. hierzu das folgende Beispiel).
Beispiel:
Der Autohändler F in Gelsenkirchen verkauft dem Privatmann H einen Neuwagen, er nimmt dafür ein Gebrauchtfahrzeug in Zahlung, dass er wegen des sehr schlechten Zustands nicht in eigenem Namen verkaufen will. Daher schließt er mit H einen Agenturvertrag ab. Das Gebrauchtfahrzeug verkauft er einige Monate später an den Automechaniker S, der den Wagen selbst reparieren will. Diesem teilt F nicht mit, dass er das Fahrzeug im Auftrag und für Rechnung des H verkauft.
F muss wegen dieses Fehlers, der zur steuerlichen Nichtanerkennung des Agenturgeschäfts führt, den gesamten von S gezahlten Kaufpreis der Umsatzsteuer unterwerfen.
3. Kreditgeschäfte
Wird bei einem Geschäft zwischen Verkäufer und Käufer die Ratenzahlung des Kaufpreises vereinbart, kann neben der Hauptleistung eine zusätzliche sonstige Leistung in Form der Kreditgewährung vorliegen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn es sich um ein Abzahlungsgeschäft im Sinne des § 4 VerbKrG handelt oder eine eindeutige Trennung zwischen eigentlicher Leistung und Kreditgeschäft vorliegt. Dazu müssen gesonderte Vereinbarungen über beide Geschäfte getroffen werden, in denen auch die jeweiligen Entgelte ausgewiesen werden. Diese Entgelte sind getrennt in der Rechnung auszuweisen. Außerdem ist in der Vereinbarung über die Kreditgewährung der Jahreszins anzugeben. Eine spätere Umdeutung eines Gesamtentgelts in einen Leistungs- und einen Kreditteil ist nicht zulässig.
Als Entgelt für eine gesonderte Kreditgewährung können behandelt werden:
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Stundungszinsen,
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Zielzinsen oder
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Kontokorrentzinsen, wenn ein echtes Kontokorrentverhältnis im Sinn des § 355 HGB vorliegt.
Kein Kreditgeschäft liegt dagegen vor, wenn ein Unternehmer einen Preisnachlass bei vorzeitiger Zahlung anbietet, der vom Leistungsempfänger nicht in Anspruch genommen wird.
Beispiel:
Der Rundfunk- und Fernsehhändler M in Duisburg bietet einen Fernseher zum Preis von 1000 EUR / 1.956 DM an. Der Kaufpreis ist vom Kunden erst sechs Wochen nach Lieferung zu entrichten. Durch Zahlung bei Lieferung erhält der Kunde einen Preisnachlass (Skonto) von 3 %.
Lösung:
Der M muss den Kaufpreis von 1000 EUR / 1.956 DM der Umsatzsteuer unterwerfen, soweit ein Kunde erst nach sechs Wochen zahlt, eine Zuordnung von 30 EUR / 59 DM für eine Kreditleistung ist nicht möglich.
Zahlt der Käufer den ermäßigten Preis sofort bei Lieferung, unterliegt nur dieser tatsächlich gezahlte Betrag der Umsatzsteuer.
Diese Abgrenzung ist von Bedeutung, da die Entgelte für die sonstige Leistung „Kreditgewährung“ nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei sind.