Steuerobjekt – Betriebsaufspaltung
§ 2 Abs. 1 GewStG
Inhaltsübersicht
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1. Allgemeines
Sind die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erfüllt, beteiligt sich der Inhaber des verpachtenden Besitzunternehmens über die Betriebsgesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Bei der Betriebsaufspaltung handelt es sich um eine besondere Form der Vermietung oder Verpachtung. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen (Besitzunternehmen) Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, miet- oder pachtweise einer von ihm gegründeten und beherrschten Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zum Zweck der Weiterführung des Betriebs überlässt. Eine Aufgabeerklärung im Sinne der R 16 Abs. 5 EStR ist in diesem Fall nicht möglich.
Erforderlich für die Annahme einer Betriebsaufspaltung sind
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sachliche Verflechtung und
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personelle Verflechtung.
zwischen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen. Liegen beide Voraussetzungen vor, unterliegt auch das Besitzunternehmen der Gewerbesteuerpflicht (H 2.2 [Verpachtung eines Betriebes im Ganzen oder eines Teilbetriebes als Gewerbebetrieb] GewStH 2009 mit Verweis auf H 15.7 Abs. 4 EStH).
2. Wesentliche Betriebsgrundlage
Grundstücke, die vom Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen verpachtet werden, stellen in der Regel eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen dar und sind daher geeignet, die sachliche Verflechtung mit dem Besitzunternehmen zu begründen (BFH, 19.03.2009 – IV R 78/06, DStR 2009, 1138).
Die Rechtsprechung machte hierzu u.a. eine Ausnahme, wenn Grundstücke auch von fremden Dritten gepachtet wurden und die Grundstücksüberlassung durch die beherrschenden Gesellschafter nur von untergeordneter Bedeutung war. Hierbei sollte darauf abgestellt werden, ob die Gesellschafter in der Lage seien, durch die Grundstücksüberlassung einen beherrschenden Einfluss auf das Betriebsunternehmen auszuüben. Dabei wurde auch unterschieden, ob verschiedene Grundstücke gleich oder unterschiedlich genutzt werden. Im ersteren Fall wurde darauf abgestellt, welche Bedeutung das Grundstück für das Betriebsunternehmen im Rahmen einer Gesamtwürdigung hat (Funktionsrelation), im Falle der gleichartigen Nutzung wurde der prozentuale Anteil der Grundstücksfläche an der Gesamtfläche für wesentlich erklärt (Größenrelation). Aufgrund verschiedener Kritik an dieser Rechtsprechung hat der BFH seine Rechtsprechung angepasst (BFH, 19.03.2009 – IV R 78/06, DStR 2009, 1138, Filialbetrieb wurde auf 9 Fremdgrundstücken und einem vom Besitzunternehmen überlassenen Grundstück unterhalten).
Der BFH hält es zunächst nicht mehr für ausschlaggebend, ob das Betriebsunternehmen jederzeit für seine Belange ein gleichwertiges Objekt kaufen oder mieten könne. Nicht mehr gerechtfertigt sei es auch, das wirtschaftliche Gewicht nach einem Nutzflächenverhältnis zu bestimmen. Entscheidend sei, ob dem überlassenen Grundstück eine funktional nicht nur untergeordnete Bedeutung zukomme. Bei Filialunternehmen sei davon auszugehen, dass aus der Summe der in den einzelnen Filialen erzielten Erträge ein möglichst hoher Gesamtgewinn erzielt werden solle. Das unternehmerische Risiko würde dadurch verringert, dass die an einem Standort angefallenen Verluste durch die Gewinne der anderen Filialen ausgeglichen werden (Diversifikation, funktionale Einbindung in das unternehmerische Gesamtkonzept der Standortverteilung). Hinzu komme, dass der Entscheidung zugunsten des einzelnen Geschäftslokals die unternehmerische Prognose vorausgehe, in einem bestimmten Umfeld einen möglichst großen Kundenkreis zu gewinnen oder zu erhalten. Von einer wesentlichen Betriebsgrundlage könne daher dann ausgegangen werden, wenn das überlassene Grundstück den Betrieb eines – der Filiale – vergleichbaren Betriebs gestatte. Mehrjährige Verluste könnten insoweit unschädlich sein, wenn das Betreiben der Filiale in das Gesamtkonzept des Unternehmens eingebettet ist.
Praxistipp:
Diese neuere Rechtsprechung vermeidet einen nur schwer kalkulierbaren Wechsel von gewerblichen zu privaten Vermietungserträgen oder umgekehrt und damit auch die steuerpflichtige Aufdeckung der stillen Reserven des Gewerbebetriebs (Besitzunternehmen) im Rahmen einer (Zwangs-)Betriebaufgabe. Diese Gefahr bestünde insbesondere bei sich ändernden Nutzflächenverhältnissen und bei einer expansiven Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens. Im Interesse der Rechtssicherheit dürften die neuen Grundsätze des BFH auch bei einer besonders hohen Zahl von Filialgrundstücken gelten.
Praxistipp:
Der BFH lässt die Frage offen, ob von einer wirtschaftlich untergeordneten Bedeutung eines Grundstücks ausgegangen werden kann, wenn in Fällen der gemischten Grundstücksnutzung der der (Gesellschafter-)Filiale zuzuordnende Anteil die Grenze des § 8 EStDV nicht überschreitet. Die dürfte zu bejahen sein. Die Fiktion der Gewerblichkeit dürfte dann nicht greifen, wenn der entsprechende Grundstücksteil kein notwendiges Betriebsvermögen darstellt.
3. Änderung der Rechtsprechung zur Bedeutung der Gewerbesteuerbefreiung der Betriebsgesellschaft im Rahmen der Betriebsaufspaltung
3.1 Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG
Der BFH hat in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass sich bei einer Betriebsaufspaltung eine Gewerbesteuerbefreiung der Betriebskapitalgesellschaft auch auf die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzpersonenunternehmens erstreckt (BFH, 29.03.2006 – X R 59/00).
Im Entscheidungsfall hatte eine GmbH, die psychiatrische Wohn- und Pflegeheime betreibt, die hierfür benötigten Gebäude von ihrer Alleingesellschafterin gepachtet, sodass aufgrund der personellen und sachlichen Verflechtung eine Betriebsaufspaltung vorlag. Bei der GmbH lagen die Voraussetzungen der Gewerbesteuerbefreiung für Alten- und Pflegeheime (§ 3 Nr. 20c GewStG) vor. Das Finanzamt vertrat unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH, 19.03.2002 – VIII R 57/99, BStBl II 2002, 662) die Auffassung, dass diese Steuerbefreiung nicht auf den Verpachtungsbetrieb ausgedehnt werden dürfe. Bei einer Betriebsaufspaltung seien das Besitz- und das Betriebsunternehmen grundsätzlich als zivil- und steuerrechtlich selbstständige Gewerbebetriebe zu behandeln.
Der BFH geht zwar weiterhin von einer zivil- und steuerrechtlichen Selbstständigkeit aus, hält diese aber – entgegen seiner früheren Auffassung – nicht für geeignet, die Versagung der Steuerbefreiung beim Besitzunternehmen zu rechtfertigen. Die Umqualifizierung der an sich vermögensverwaltenden Tätigkeit des Besitzunternehmens in eine gewerbliche Tätigkeit könne ebenfalls nur unter Berücksichtigung von Merkmalen erfolgen, die außerhalb des Besitzunternehmens liegen würden. Eine isolierte Betrachtung würde demnach das ganze Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung infrage stellen. Außerdem würde durch die Versagung der Steuerbefreiung beim Besitzunternehmen der sozial- und wirtschaftspolitisch motivierte Zweck der steuerbefreienden Vorschrift (nämlich die Verbesserung der Strukturen bei der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen) nur unvollkommen erfüllt.
Der BFH stützt sich darüber hinaus auf Argumente aus seiner Rechtsprechung zur Abfärbung (BFH, 30.08.2001 – IV R 43/00, BStBl II 2002, 152): Sinn der Abfärberegelung sei es, zu verhindern, dass wegen unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen würden. Dies gelte sinngemäß für die Betriebsaufspaltung: Zweck dieser Rechtsfigur sei es, die Besserstellung eines aufgespaltenen Unternehmens gegenüber einem Einheitsunternehmen zu verhindern, indem die an sich vermögensverwaltende Tätigkeit des Besitzunternehmens in eine gewerbliche Tätigkeit umqualifiziert werde. Dieser Zweck entfalle, wenn das als Alternative zur Betriebsaufspaltung gedachte Einheitsunternehmen – wie hier – von der Gewerbesteuer befreit wäre.
Praxistipp:
Die Verwaltung wendet diese Entscheidung allgemein für die Befreiungen nach § 3 Nr. 20 GewStG an (s. z.B. LFD Thüringen, 07.10.2010 – G 1412 A – 05 – A 3.13(S)).
Die Befreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG gilt allerdings nicht für das Unternehmen insgesamt, sondern nur für die in der Vorschrift genannten Einrichtungen: Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. Übt das Unternehmen neben diesen Einrichtungen noch davon abgrenzbare andere wirtschaftliche Tätigkeiten aus (z.B. eine Cafeteria, einen Parkplatz oder ein Parkhaus, Sponsoring, die Blutentnahme für fremde Dritte, die Telefongestellung, die Aufbewahrung von Verstorbenen, die Erstellung von Gutachten, eine Wäscherei, die nicht nur für den eigenen Betrieb tätig ist), unterliegt es insoweit der Gewerbesteuer. Die Einschränkung der Befreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG auf die dort genannten Einrichtungen ist ggf. entsprechend den Verhältnissen im Einzelfall auch bei einer Betriebsaufspaltung hinsichtlich des Umfangs der Merkmalsübertragung von der Betriebskapitalgesellschaft auf das Besitzunternehmen zu berücksichtigen (LFD Thüringen, 07.10.2010 – G 1412 A – 05 – A 3.13(S)).
3.2 Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GewStG
Im Anschluss an das Urteil vom 29.03.2006 – X R 59/00, hat der BFH entschieden, dass sich auch die Gewerbesteuerbefreiung der Betriebskapitalgesellschaft nach § 3 Nr. 6 GewStG auf das Besitzunternehmen erstreckt (BFH, 19.10.2006 – IV R 22/02, BFH/NV 2007, 149).
Diese Entscheidung wird von der Finanzverwaltung nicht über den Einzelfall hinaus angewendet (LFD Thüringen, 7.10.2010, G 1412 A – 05 – A 3.13(S))
Nach § 3 Nr. 6 GewStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Körperschaften) von der Gewerbesteuer befreit, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51-68 AO). Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden nach Auffassung der Verwaltung unterlaufen, wenn man auch im Fall der Befreiung nach § 3 Nr. 6 GewStG ohne Weiteres von einer Merkmalsübertragung von der Betriebskapitalgesellschaft auf ein beliebiges Besitzunternehmen ausgehen wollte. Hier wird ein weiteres Revisionsverfahren angestrebt.
Praxistipp:
§ 3 Nr. 6 GewStG ist nicht anzuwenden, wenn eine hiernach begünstigte Körperschaft bereits aufgrund anderer Vorschriften, z.B. § 3 Nr. 20 GewStG, von der Gewerbesteuer befreit ist. Bei einer Betriebsaufspaltung ist daher immer zu prüfen, ob sich die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft ggf. nach § 3 Nr. 20 GewStG ergibt. In diesem Fall schlägt die Gewerbesteuerbefreiung auf das Besitzunternehmen grundsätzlich durch (s. dazu Vorstehendes).
4. Beendigung der Betriebsaufspaltung
Gewinne, die durch die Beendigung einer Betriebsaufspaltung erzielt werden (z.B. Veräußerung der GmbH-Anteile an der Betriebsgesellschaft, der die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet waren) unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen weiter an die Betriebsgesellschaft verpachtet wird (FG Köln, 12.03.2009 – 10 K 399/06, EFG 2009, 1244, rkr.).
Durch die Übertragung entfällt die erforderliche personelle Verflechtung zwischen dem Inhaber des Besitzunternehmens und dem Betriebsunternehmen. Diese Folge ist zwingend. Anders als bei der Einkommensteuer bedarf es keiner Betriebsaufgabeerklärung (dazu BFH, 15.03.2005 – X R 2/02, BFH/NV 2005, 1292 m.w.N.). Der Betrieb endet mit der Betriebsverpachtung. Die Fortführung des Gewerbebetriebes ist gewerbesteuerlich nicht möglich. Auch eine Betriebsunterbrechung (§ 2 Abs. 4 GewStG) ist zu verneinen, da nicht klar ist, ob der Besitzunternehmer jemals wieder in der Lage sein wird, einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Unternehmen bilden zu können.
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