Ansprüche aus einem widerrufenen Darlehensvertrag führen nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen

Der nichtselbstständig tätige Kläger schloss 2010 einen Darlehensvertrag mit einer Bank zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie mit einem jährlichen Zinssatz von 2,9 %. Der Kläger widerrief im Streitjahr 2016 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung.

Eine Rückabwicklung folgte. Danach ergab sich noch ein Zahlungsanspruch der Bank in Höhe von 108.441,21 Euro. In der Darlehensabrechnung wurde zugunsten des Klägers eine „Verzinsung“ in Höhe von 18.979,54 Euro auf seine bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen berücksichtigt. Von diesem Betrag (Nutzungsersatzanspruch) behielt die Bank Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Das Finanzamt unterwarf den Nutzungsersatzanspruch ebenfalls der Kapitalertragsteuer.

Nach der Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg ist der in der Darlehensabrechnung berücksichtigte Anspruch des Klägers auf Nutzungsersatz in Höhe von 18.979,54 Euro kein der Abgeltungsteuer unterliegender Kapitalertrag. Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehe, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlasse. Erfasst seien alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung seien, so z. B. auch Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen, die Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals seien. Der klägerische Anspruch auf Nutzungsersatz sei bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch keine Vermögensmehrung aufgrund einer Kapitalüberlassung. Das Darlehensverhältnis und die Rückabwicklung seien als eine Einheit zu betrachten. Danach verbliebe im Ergebnis eine (Zins)Belastung des Klägers. Der Nutzungsersatzanspruch sei „ein der interessengerechten Rückabwicklung dienender Berechnungsposten“. Steuerrechtlich entfalte der Widerruf keine Rückwirkung. Er mache „den in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalt in Form der Darlehensgewährung durch die Bank an den Kläger einerseits und die darauf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen des Klägers an die Bank andererseits nicht ungeschehen“. Daher sei die Rechtsprechung zu Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der Kläger habe keinen „irgendwie gearteten Ertrag (Vermögensmehrung) aus dem rückabgewickelten Darlehensverhältnis erzielt“. Die Rückabwicklung habe lediglich zu einer Minderung der vom Kläger geschuldeten Darlehenszinsen um 10.069,49 Euro geführt (26.681,60 Euro bis zum Widerruf gezahlte Zinsen – 16.612,11 Euro Zinsbelastung nach Widerruf). Die Minderung der eigenen Zinslast des Klägers stelle keinen Kapitalertrag dar. Die Minderung der Zinsbelastung wirke sich allenfalls dann einkommensteuerlich als „negative Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben“ aus, wenn der Kläger die gezahlten Darlehenszinsen im Rahmen einer Einkunftsart zuvor einkommensmindernd abgezogen hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Kläger habe mit dem Darlehen seine selbstgenutzte Immobilie finanziert. Die Darlehenszinsen seien daher nicht abziehbare Aufwendungen der privaten Lebensführung gewesen.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 11.03.2021 zum Urteil 8 K 1516/18 vom 08.12.2020; BFH-Az.: VIII R 5/21)

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