Das Antragsrecht für eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für eine behinderte Person geht nach deren Tod auf den Rechtsnachfolger über. So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg. Die vom beklagten Hauptzollamt eingelegte Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig.
Die Kläger sind Miterben des am 18. Juli 2017 verstorbenen Erblassers. Dieser war Halter eines Fahrzeugs bis zu dessen Abmeldung am 7. Mai 2017. Infolge der Abmeldung ermäßigte der Beklagte am 18. Mai 2017 die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer. Das Landratsamt stellte mit Bescheid vom 22. Juni 2017 für den Erblasser einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, B, H, aG und RF seit dem 24. Februar 2017 fest. Im Januar 2018 beantragten die Kläger, das streitgegenständliche, nicht zweckentfremdet verwendete Fahrzeug nach § 3a Abs 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) rückwirkend ab dem 24. Februar 2017 von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Dies lehnte der Beklagte ab. Die Steuerbefreiung sei ein höchstpersönliches Recht und könne nicht auf die Erben übergehen. Nach dem Tod des Fahrzeughalters könne der Zweck der Steuerbefreiung, die Förderung der Mobilität behinderter Menschen, nicht mehr erreicht werden.
Die Kläger hatten mit ihrer Klage Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, der Kraftfahrzeugsteuerbescheid sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. § 3a Abs. 1 KraftStG befreie das Halten von Kraftfahrzeugen „solange die Fahrzeuge für schwerbehinderte Personen zugelassen sind“, die die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllen. Stichtag für die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung sei grundsätzlich das Ausstellungsdatum des Schwerbehindertenausweises, sofern nicht im Ausweis ein früheres Datum für den Eintritt der Behinderung festgestellt werde – so im Streitfall. Grundsätzlich werde die Steuerbefreiung ab dem Tag der Antragstellung gewährt, da ein schriftlicher Antrag erforderlich sei. Abweichend hiervon sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in Verbindung mit § 171 Abs. 10 AO der im Schwerbehindertenausweis genannte Tag der Feststellung der Behinderung für die Steuerbefreiung maßgebend. Die Erben des Halters seien als Gesamtrechtsnachfolger zur Antragstellung befugt. Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis gingen nach § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf diese über. Das Antragsrecht sei kein höchstpersönliches Recht. Es hänge nicht von nicht beeinflussbaren Zufälligkeiten wie dem Tod ab.
(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 17.02.2020 zu Urteil vom 18.10.2019 – 13 K 1012/18; BFH-Az.: IV R 38/19)