Besteuerung von Aufsichtsräten u. ä.: Vorsitzender des Verwaltungsrats eines berufsständischen Versorgungswerks unterliegt mit dieser Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer

Der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Juni 2019 C-420/18 (DStR 2019, 1396) zur Steuerbarkeit der Einnahmen eines Verwaltungsratsvorsitzenden Stellung genommen.

Danach unterliegt die Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer, wenn der Verwaltungsratsvorsitzende weder im eigenen Namen nach außen auftritt noch gegenüber dem Versorgungswerk über die Befugnis verfügt, die für dessen Führung erforderlichen Entscheidungen zu treffen.

Diese Entscheidung folgt der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, steht aber im Widerspruch zu er bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung.

Der Kläger, ein selbständiger Freiberufler, war Vorsitzender des Verwaltungsrates eines berufsständischen Versorgungswerks, das einer Berufskammer angehörte. Das Versorgungswerk wurde durch einen gewählten, nach der Satzung des Versorgungswerks ehrenamtlichen Verwaltungsrat geführt. Der Verwaltungsrat wurde durch einen Vorsitzenden, den Kläger, geleitet. Die Entscheidungen des Verwaltungsrats wurden durch Abstimmung getroffen.

Nach einer Entschädigungssatzung des Verwaltungswerks erhielt der Vorsitzende eine regelmäßige monatliche Aufwandsentschädigung sowie Fahrtkostenersatz und Sitzungsgelder.

Das Finanzamt hielt die Tätigkeit des Klägers als Verwaltungsrat für umsatzsteuerbar und – wegen der Höhe seiner Bezüge auch im Lichte des § 4 Nr. 26 Umsatzsteuergesetz – steuerpflichtig.

Der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat demgegenüber unter Berücksichtigung des o.g., erst kurz vor der mündlichen Verhandlung über die Klage veröffentlichten EuGH-Urteils entschieden, dass der Kläger mit seinen Einnahmen aus der Tätigkeit für das Versorgungswerk nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Tätigkeit sei zwar wirtschaftlicher Natur, sie sei aber nicht im Sinne von Art. 9 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) als selbständig anzusehen, da der Kläger erstens nicht im eigenen Namen nach außen auftrete, sondern nur das Versorgungswerk vertrete, und zweitens dem Versorgungswerk gegenüber nach dessen Satzung keine individuelle Verantwortung und kein Haftungsrisiko trage.

Der Kläger sei auch nicht deshalb unternehmerisch tätig, weil er Fahrtkostenersatz und Sitzungsgelder bezogen habe. Die Anberaumung von Sitzungen habe nicht ihm oblegen, die Beträge seien nicht hoch gewesen.

Der Bundesfinanzhof hat in diesem Zusammenhang mit Urteil vom 27. November 2019 V R 23/19 (Umsatzsteuer-Rundschau 2020, 190) entschieden, dass der dortige Kläger mit seiner Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrates nicht der Umsatzsteuer unterlag, weil er lediglich eine feste Vergütung bezog. Der BFH hat in jenem Urteil ausdrücklich offen gelassen, wie über Fälle zu entscheiden ist, in denen über eine Festvergütung hinaus weitere Einnahmen erzielt werden. Insofern leistet das Urteil des 5. Senats des Niedersächsischen Finanzgericht einen aktuellen Beitrag zur Abgrenzung der nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Aufsichts- und Verwaltungsratstätigkeiten von den weiterhin unternehmerischen und daher steuerpflichtigen Tätigkeiten.

(FG Niedersachen, Mitteilung vom 20.05.2020 zu Urteil vom 19.11.2019 – 5 K 282/18; BFH-Az.: V R 6/20)

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