Die EU-Kommission will die
Mehrwertsteuer fortentwickeln. Unter anderem soll dabei der Aspekt der
Nachhaltigkeit stärker berücksichtigt werden. Die German Tax Advisers fordern
zudem für berufliche Bildungseinrichtungen ein Optionsmodell bei der Befreiung
von der Mehrwertsteuer.
A. Die EU-Mehrwertsteuer nach
ViDA
Bekanntermaßen verfügt die
Europäische Union über ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Seit seiner
Verabschiedung im Jahr 2006 befindet sich dessen normierter Kern, die
EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (2006/112/EG), quasi im Dauerumbau. Zuletzt
wurde sie im März 2025 unter dem Arbeitstitel »VAT in the digital age – kurz:
ViDA« (2025/516/EU), u. a. für den grenzüberschreitenden Austausch von
E-Rechnungsdaten geändert.
Während die Mitgliedstaaten ihre
Anstrengungen nun auf die Umsetzung von ViDA fokussieren, stellt sich für die
EU-Kommission die Frage, wie das Mehrwertsteuersystem weiterentwickelt werden
könnte. Deshalb hat sie eine Studie »The challenges of VAT beyond ViDA« in
Auftrag gegeben. Zwar ist diese nach heutigem Stand noch nicht veröffentlicht.
Es zeigt sich aber bereits, dass die Mehrwertsteuer nach dem Willen der
EU-Kommission künftig einen größeren Beitrag zur Erzielung von mehr
Nachhaltigkeit leisten soll.
1. »Grüne« Mehrwertsteuer
Deshalb wurden in einem Meeting
der VAT Expert Group der EU-Kommission zwei Bereiche hervorgehoben, die die
Nachhaltigkeits-Bilanz der Mehrwertsteuer aufhübschen könnte.
2. Second-Hand-Produkte
In Deutschland etwa kann der
Wiederverkäufer eines Gebrauchtgegenstands nach § 25a UStG die
Differenzbesteuerung wählen, wenn beim Ankauf des Gebrauchtgegenstands von
privaten Verkäufern kein Vorsteuerabzug möglich ist.
a. Option 1: Harmonisierung und
Erweiterung
Eine Möglichkeit, die diskutiert
wird, um den Handel mit Second-Hand-Produkten attraktiver zu machen, ist die
grundsätzliche Beibehaltung des bestehenden Systems bei gleichzeitiger
Erweiterung der Definition von Gebrauchtgegenständen. Auch könnte eine bessere
Integration von Second-Hand-Produkten bei der E-Rechnungstellung in Frage
kommen. Zudem könnte das Mehrwertsteuersystem durch Erweiterung des
One-Stop-Shops von der ursprungs- zur zielbasierten Besteuerung überleiten.
Dann würde die Mehrwertsteuer am Ort des Käufers anfallen. Also dort, wo der
Verbrauch des Produktes oder der Dienstleistung tatsächlich geschieht.
b. Option 2: Einführung eines
fiktiven Vorsteuerabzugssystems
Eine andere Möglichkeit, die
ebenfalls diskutiert wird, lehnt sich an die Mehrwertsteuerbestimmungen anderer
Staaten, wie Neuseeland an. Statt der Differenzbesteuerung könnte beim Kauf von
Second-Hand Produkten von Privatpersonen ein fiktives Vorsteuerabzugssystem
eingeführt werden, bei dem der Wiederverkäufer den Wert eines Produktes vor
Verkauf angibt. Daraus ergibt sich dann die Vorsteuer, die im üblichen
Verfahren verrechnet wird.
3. Bekämpfung von
Produktvernichtung
Die derzeitigen
Mehrwertsteuerregelungen begünstigen unbeabsichtigt die Vernichtung nicht
verkaufter Produkte gegenüber einer Spende an gemeinnützige Einrichtungen.
Schließlich sind unentgeltliche Wertabgaben von Gegenständen nach § 3 Abs 1b
UStG den entgeltlichen Lieferungen grundsätzlich gleichgestellt.
Eine Befreiung von der
Mehrwertsteuer bei Sachspenden könnte zur Bekämpfung von Produktvernichtungen
durchaus Sinn ergeben. Im Gegensatz zur EU-Kommission sieht das
Bundesfinanzministerium für eine Befreiung von Sachspenden bei der Umsatzsteuer
allerdings keinen Handlungsdruck. Die Gründe, warum Unternehmen Waren
vernichten, anstatt sie zu spenden oder zu einem geringen Preis
weiterzuverkaufen, sind laut einem Statement auf der Homepage des BMF
»vielfältig, aber nicht in erster Linie umsatzsteuerrechtlicher Natur.« Eine
Aussage, die zumindest Interpretationsspielraum lässt. Tatsächlich wäre die
Klarstellung einer Möglichkeit der Befreiung durch den nationalen Gesetzgeber
in der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie hilfreich.
B. Mehrwertsteuer auf
Bildungsleistungen
Die
Mehrwertsteuersystem-Richtlinie ordnet in Art. 132 Steuerbefreiungen für dem
Gemeinwohl dienende Tätigkeiten an. Deutschland hat dies in § 4 UStG umgesetzt.
Damit wollte der Gesetzgeber eine
Kostensenkung für diese Dienstleistungen gewährleisten. Bei gewerblichen
Fortbildungsanbietern wird dieses Ziel allerdings durch den eingefügten
Befreiungszwang und dem damit einhergehenden Verlust des Vorsteuerabzugs nicht
erreicht. Schließlich werden für diese Bildungsträger die entrichteten
Vorsteuerbeträge nun zum Kostenfaktor und fließen damit unweigerlich in die
Bepreisung ihrer angebotenen Bildungsleistungen ein. Leidtragend ist der Nutzer
der Dienstleistung, an den die Teuerung weitergegeben wird.
Die German Tax Advisers, die
Brüssler Kooperation des DStV mit der BStBK, hat sich deshalb in einem
Schreiben an die EU-Kommission gewandt und ein echtes Optionsmodell bei der
Mehrwertsteuerbefreiung gefordert. Die Antwort der EU-Kommission enthielt die Bemerkung
»very useful«. Das freut uns natürlich »very much.«
DStV, Mitteilung vom 12.11.2025

