Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass im Fall eines sog. schlafenden Landwirts – im Anschluss an das BFH-Urteil vom 12. März 2020 VI R 35/17, BFH/NV 2020, 849 – eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Finanzverwaltung parzellenweise verpachtete landwirtschaftliche Grundstücke fehlerhaft als Privatvermögen behandelt hat.
Der Kläger war Eigentümer mehrerer Grundstücke, die er von seiner Ehefrau und die diese wiederum von ihrem Vater geerbt hatte. Der Schwiegervater bewirtschaftete die Grundstücke ursprünglich im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs selbst und verpachtete sie ab 1965 an verschiedene Pächter. Das Finanzamt ging von einer Betriebsaufgabe in verjährter Zeit aus und veranlasste diesbezüglich nichts weiter. Nach dem Tod seiner Frau erklärte der Kläger weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken. In mehreren Betriebsprüfungen behandelte das Finanzamt die Grundstücke ebenfalls als Privatvermögen. In den Jahren 2012 und 2013 veräußerte der Kläger Teilflächen der Grundstücke und übertrug ein weiteres Grundstück unentgeltlich auf seine Tochter. Das Finanzamt erfasste hieraus einen Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn mit der Begründung, dass die Grundstücke weiterhin zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört hätten. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Grundstücke aufgrund der Verpachtung zwangsweise entnommen worden seien. Hilfsweise beantragte der Kläger eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen und berief sich u. a. auf Vertrauensschutz. Das Finanzamt lehnte die Billigkeitsmaßnahme ab.
Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Die betroffenen Grundstücke hätten zum Zeitpunkt der Veräußerung bzw. unentgeltlichen Übertragung noch land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen dargestellt, da zu keinem Zeitpunkt eine ausdrückliche und unmissverständliche Entnahme- oder Betriebsaufgabeerklärung abgegeben worden sei. Der Senat stellte dabei u. a. heraus, dass dies eine unmissverständliche Kundgabe des Entnahmewillens im Sinne einer Gestaltungserklärung erfordere, von der unter den Umständen des Streitfalls nicht auszugehen war. Hieran fehle es bei einem Schreiben, das ausschließlich auf den (vermeintlichen) Umstand einer früheren Zwangsaufgabe hinweise. Der Kläger habe – anschießend an das BFH-Urteil vom 12. März 2020 VI R 35/17, a. a. O. – keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen aufgrund abstrakten Vertrauensschutzes (gleichlautenden Ländererlasse vom 17.12.1965, BStBl II 1966, 34, Verfügung der OFD Münster vom 07.01.1991). Bei Beginn der parzellenweisen Verpachtung habe das Finanzamt keine für den Kläger nachteiligen Folgen aus der vermeintlichen Zwangsbetriebsaufgabe gezogen. Auch ein konkreter Vertrauensschutz kommt nicht in Betracht. Es fehle auch an einem anzuerkennenden Vertrauenstatbestand sowohl aufseiten des Klägers als auch aufseiten seiner Rechtsvorgänger. Nachdem der BFH bereits im Jahr 1987 entschieden habe (Urteil vom 15.10.1987, IV R 66/86), dass eine parzellenweise Verpachtung nicht zwingend zu einer Betriebsaufgabe führe, habe kein Vertrauen mehr dahingehend gebildet werden können, dass das aus der parzellenweisen Verpachtung in späteren Jahren nicht die zutreffenden steuerlichen Konsequenzen gezogen werden würden. Hieran könne auch ein Telefonat mit einer Sachbearbeiterin des Finanzamtes nichts ändern, in dem diese auf den (vermeintlichen) Umstand einer früheren Zwangsaufgabe hingewiesen habe, weil es sich lediglich um die Wiedergabe der Erlasslage gehandelt habe.
Der Senat hat im Hinblick auf die Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen nach der Entscheidung des BFH vom 12. März 2020 VI R 35/17 (a. a. O.) konkret-individueller Vertrauensschutz zu gewähren sein kann, die Revision zugelassen.
(FG Münster, Pressemitteilung vom 15.02.2021 zum Urteil 4 K 1326/17 F vom 06.11.2020)