Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten (im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind.
Das geht aus einem aktuell veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen hervor. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern ist sich nur um vereinzelte Fälle handelt (Abgrenzung zu FG Köln, Urteil vom 15. September 2016 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081).
In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Steuerpflichtigen entkräftet werden.
Die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches dürfen nicht überspannt werden, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen. Der BFH (etwa Urteil vom 13. Dezember 2012 – VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385) stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).
Niedersächsisches FG, Mitteilung vom 15.9.2021 zu Urteil vom 16.06.2021, Az. 9 K 276/19