Steuertermine
12.04. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.04. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Vorschau auf die Steuertermine Mai 2021:
10.05. Umsatzsteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 14.05. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. |
17.05. Gewerbesteuer | Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 20.05. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck. Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen. |
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Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge April 2021
Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für April ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 28.04.2021.
- Für alle Steuerpflichtigen: Privates Veräußerungsgeschäft nach unentgeltlichem Immobilienübergang
- Für alle Steuerpflichtigen: Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen
- Für alle Steuerpflichtigen: Zur Steuerbarkeit einer Verdienstausfall-Versicherungsleistung
- Für Schenker und Beschenkte: Zur Abzugsfähigkeit des Vorbehalts eines nachrangigen Nießbrauchs
- Für Arbeitnehmer: Erste Tätigkeitsstätte bei mehreren möglichen Einsatzstellen
- Für Anleger: Zur Missbräuchlichkeit einer rechtlichen Gestaltung im Zusammenhang mit Bondstripping
- Für Selbstständige: Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die Unternehmensräume in der heimischen Wohnung
- Für Immobilienbesitzer: Aufteilung von Abbruchkosten und Restwert eines Gebäudes
- Für Vermieter: Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten
1. Für alle Steuerpflichtigen: Privates Veräußerungsgeschäft nach unentgeltlichem Immobilienübergang
Zum privaten Veräußerungsgeschäft bei Grundstücken gehören solche Veräußerungen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betragen hat. Im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Man spricht dabei auch von der sogenannten Fußstapfentheorie, da ein privates Veräußerungsgeschäft immer noch gegeben ist, wenn der Rechtsnachfolger die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung durch den Rechtsvorgänger veräußert. Der Rechtsnachfolger ist also in die Fußstapfen seines Vorgängers getreten.
Der Bundesfinanzhof hatte in diesem Zusammenhang über einen Fall zu entscheiden, in dem zunächst im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Immobilie vollkommen unentgeltlich auf den Rechtsnachfolger übergegangen ist. Innerhalb der maßgeblichen Zehnjahresfrist verkaufte dieser dann die Immobilie und nutzte Teile des Veräußerungserlöses dazu, die Darlehen des Rechtsvorgängers zu tilgen. Wären die Darlehen bereits im Zeitpunkt der vorweggenommenen Erbfolge vom Rechtsnachfolger übernommen worden, wäre es nun vollkommen unstrittig, dass insoweit Anschaffungskosten der Immobilie vorliegen, welche im Rahmen des privaten Veräußerungsgeschäftes steuermindernd gegengerechnet werden können.
Mit Urteil vom 3.9.2019 hat der Bundesfinanzhof dies hier jedoch unter dem Aktenzeichen IX R 8/18 verneint. Ein unentgeltlicher Erwerb im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein dingliches Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherten Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden. Insofern verbleibt es also bei der Unentgeltlichkeit des Geschäfts. Weiterhin führt der Bundesfinanzhof aus, dass nachträgliche Anschaffungskosten nicht entstehen, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt (um die Immobilie veräußern zu können), die er zunächst nicht vom Übergeber übernommen hat.
Klar und deutlich vertreten daher die obersten Finanzrichter der Republik die Meinung, dass die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater Verbindlichkeiten nach der Veräußerung nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten führt. Im Ergebnis können folglich die Aufwendungen zur Tilgung der Schulden nirgends steuermindernd abgesetzt werden.
Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Schulden nicht direkt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übernommen wurden, was zu einem teilentgeltlichen Geschäft geführt hätte. Da die Schulden nicht übernommen wurden, sondern das Grundstück übereignet wurde, die auf dem Grundstück lastenden Grundschulden übernommen wurden und keine Freistellung des Übertragenden von den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten vereinbart wurde, bleibt es bei einem unentgeltlichen Erwerb der Immobilie. Der Grund: In diesem Fall erbringt der Erwerber keine Gegenleistung, sondern erwirbt nur das um den Wert der Belastung geminderte Grundstück. Eine Verbindlichkeit setzt hingegen eine dem schuldrechtlichen Anspruch des Gläubigers auf ein bestimmtes Handeln entsprechende Leistungspflicht in der Person des Schuldners selbst voraus. Daran fehlt es im Fall einer dinglichen Belastung des Grundstücks, die lediglich den Wert des Grundstücks mindert. Denn der Übertragende übereignet nur das belastete Grundstück, nicht die mit den Belastungen zusammenhängenden schuldrechtlichen Verbindlichkeiten.
Die Grundschuld stellt nämlich ein Grundpfandrecht ohne Bindung an eine persönliche Forderung dar. Man spricht insoweit auch häufig davon, dass die Grundschuld eine Schuld ohne Grund ist. Dass die Grundschuld über die Sicherungsvereinbarung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit verbunden ist, führt hingegen im Weiteren nicht zur Übertragung der Verbindlichkeit. Die Grundschuld berechtigt nämlich nur dazu, dass der Grundstückseigentümer die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden und der Grundschuldgläubiger einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages aus dem Veräußerungserlös der Immobilie hat.
Insoweit kommt der Bundesfinanzhof zu der unerfreulichen Entscheidung, dass die Tilgung der Schulden durch den Rechtsnachfolger hier an keiner Stelle steuermindernd berücksichtigt werden kann, obwohl die Veräußerung der Immobilie ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft darstellt. Hätte man die Schuldentilgung insoweit steuermindernd berücksichtigen wollen, hätte der Rechtsnachfolger diese auch bei Übertragung der Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übernehmen müssen. Insoweit wäre dann ein teilentgeltliches Geschäft gegeben, sodass bei der Besteuerung des privaten Veräußerungsgeschäftes auch teilweise Anschaffungskosten hätten steuermindernd gegengerechnet werden können.
Hinweis:
Auch wenn es sich hierbei um eine negative Entscheidung des Bundesfinanzhofs handelt, gehen wir davon aus, dass diese Entscheidung richtig ist. Dennoch ist damit nicht die Hoffnung komplett verloren, denn der hier klagende Steuerpflichtige hat bereits Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Unter dem Aktenzeichen 2 BvR 216/20 müssen nun die obersten Verfassungsschützer der Republik klären, ob insoweit Aufwendungen des Rechtsnachfolgers beim privaten Veräußerungsgeschäft steuermindernd gegengerechnet werden können oder nicht.
Betroffenen, bei denen das „gestalterische Kind“ hier schon in den Brunnen gefallen ist, sollten sich daher an das Verfahren anhängen. Allen anderen sei jedoch eher dringend empfohlen, besser im Vorhinein Gestaltungen zu suchen, bei denen es auch im Endeffekt eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen geben kann.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, im einkommensteuerlichen Berechnungsschema abgezogen wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten außergewöhnlichen Belastungen.
Das Finanzgericht Münster hatte nun zu klären, ob auch die Kosten für eine künstliche Befruchtung einer alleinstehenden Frau zum Abzug von außergewöhnlichen Belastungen führen können. Die erfreuliche Entscheidung des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 24.6.2020 unter dem Aktenzeichen 1 K 3722/18 E): Aufwendungen für die künstliche Befruchtung einer Frau können zu steuerlich abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen führen, wobei es ausdrücklich nicht darauf ankommt, ob die Frau verheiratet ist oder überhaupt in einer festen Beziehung lebt.
Bei der im Streitjahr 40 Jahre alten Klägerin, die zu ihrem Beziehungsstatus keine Angaben machte, wurde eine krankheitsbedingte Unfruchtbarkeit festgestellt. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie dementsprechend Kosten für eine Kinderwunschbehandlung in Höhe von ca. 12.000 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. In den Aufwendungen waren auch Kosten für eine Samenspende enthalten. Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung ab, dass solche Kosten nur bei verheirateten oder in einer festen Beziehung lebenden Frauen abzugsfähig seien. Insoweit scheint es fast, als wenn schon ein Finanzbeamter den persönlichen Lebensstil von Bürgern diktieren möchte.
Erfreulicherweise hatte jedoch die Klage der Dame in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht Münster hat nämlich die gesamten Aufwendungen für die Kinderwunschbehandlung als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Nach Auffassung des ersten Senats des Finanzgerichts Münster stellt die Unfruchtbarkeit der Klägerin einen Krankheitszustand dar, der nicht auf ihr Alter zurückzuführen ist. Insoweit sicherlich gewöhnungsbedürftig, dass ein Gericht eine Unfruchtbarkeit als Krankheitszustand definiert, jedoch wird dies nötig sein, damit die Regelung der außergewöhnlichen Belastung tatsächlich auch eine Unfruchtbarkeit umfasst.
Sehr deutlich führte das Gericht zudem aus, dass es in der heutigen Zeit nicht ungewöhnlich sei, wenn Frauen über 40 schwanger werden. Aus den anzuerkennenden Kosten seien ebenso die Aufwendungen für die Samenspende nicht herauszurechnen, da diese mit der Behandlung eine untrennbare Einheit bildeten.
Klar und deutlich führte das Gericht entgegen der Auffassung des Finanzamtes ebenso aus, dass der Familienstand der Klägerin vollkommen unerheblich sei, da die Behandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnung für Ärzte vorgenommen worden ist. Zumindest in dem Bundesland, in dem die Klägerin behandelt wurde, sind künstliche Befruchtungen alleinstehender Frauen nicht durch diese Richtlinien ausgeschlossen. Zudem werde die Zwangslage unfruchtbarer Frauen durch die Krankheit hervorgerufen, nicht durch eine Ehe oder eine Partnerschaft. Im Endeffekt wies das Gericht auch darauf hin, dass Kinder alleinerziehender Eltern in ihrer Entwicklung keinesfalls beeinträchtigt seien.
Hinweis:
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und weil insoweit keine höchstrichterliche Entscheidung mit Blick auf eine alleinstehende Frau ersichtlich ist, waren die erstinstanzlichen Richter gezwungen, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Derzeit ist jedoch nicht klar, ob der Revisionszug tatsächlich beschritten wurde. Sollte dem so sein, wird uns die nächste Instanz sicherlich wieder an dieser Stelle begegnen.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Steuerbarkeit einer Verdienstausfall-Versicherungsleistung
Manchmal gibt es Sachverhalte in der steuerlichen Rechtsprechung, da kann man sich kaum vorstellen, dass die Finanzverwaltung tatsächlich so reagiert, wie es dann doch passiert ist. So ist es ein bisschen in dem folgenden Fall:
Im Urteilssachverhalt ging es um eine im Jahr 1991 geborene Klägerin, welche im Jahr 2003, also wohlgemerkt als zwölfjährige, Opfer eines schweren Autounfalls in der Schweiz wurde. Aufgrund dieses Unfalls hat die heute Erwachsene seit ihrem zwölften Lebensjahr irreversible körperliche und geistige Folgeschäden. Es ist ein Grad der Behinderung von 100% festgestellt und die Merkzeichen G und H sind vergeben. Aufgrund dieses Unfalls als Kind ist sie zeitlebens nicht in der Lage, eine Ausbildung zu beginnen oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Dies allein ist schon eine erschütternde Tragödie.
Damit aber noch nicht genug. Um aufgrund des Unfalls eine entsprechende Versicherungsleistung zu erhalten, folgten nämlich langjährige juristische Auseinandersetzungen. An deren Ende leistete schließlich die Versicherungsgesellschaft des seinerzeitigen Schädigers im Streitjahr 2015 unter anderem eine als „Verdienstausfall“ bezeichnete Zahlung von knapp 700.000 Euro.
An dieser Stelle kam nun der deutsche Fiskus ins Spiel. Ausweislich der Regelung in § 24 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften nämlich auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Selbst beim Lesen dieser Vorschrift hat man den Eindruck, dass es absurd sein sollte, dass insoweit eine Entschädigung, die vom Grund her ja für eine Zwölfjährige gezahlt wird, einkommensteuerpflichtig sein soll.
Vermutlich, um sich eventuellen Vorwürfen einer Steuerverkürzung zu entziehen, hat die Klägerin jedoch die als Verdienstausfall bezeichnete Zahlung in Höhe von knapp 700.000 Euro in ihrer Einkommensteuererklärung entsprechend der vorgenannten Regelung in § 24 EStG angegeben. In diesem Zusammenhang machte sie zudem auch noch Rechtsanwaltskosten in Höhe von nahezu 60.000 Euro als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt folgte der Einkommensteuererklärung, wogegen die Klägerin schließlich Einspruch einlegte und die Steuerfreiheit der Entschädigungsleistungen begehrte sowie den Abzug der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung. Dies wies zunächst das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 3.1.2019 unter dem Aktenzeichen 3 K 2497/18 zurück und urteilte, dass ein Schadenersatz für den Ausfall hinreichend wahrscheinlicher zukünftiger Erwerbseinkommen steuerbar ist.
Erfreulicherweise war die Klägerin jedoch gut beraten und ist gegen die erstinstanzliche Entscheidung in Revision zum Bundesfinanzhof in München gezogen. Dieser hat sich der Sache angenommen und mit Datum vom 26.5.2020 unter dem Aktenzeichen IX R 15/19 ein Urteil gefällt. In dieser Entscheidung führt der Bundesfinanzhof unter anderem wie folgt aus:
In Einklang mit der erstinstanzlichen Rechtsprechung stellen die obersten Finanzrichter der Republik fest, dass zu den Einkünften auch Entschädigungen gehören, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt werden soll, muss es sich aber um steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen handeln. Sie müssen hypothetisch, aber auch eindeutig einer bestimmten Einkunftsart unterfallen. Insoweit machen die obersten Finanzrichter schon einmal deutlich, dass die Regelung des § 24 Nummer 1a EStG keine eigene Einkunftsart schafft. Leistungen, die nicht steuerbar sind oder steuerfreie Einnahmen ersetzen sollen, sind somit aufgrund dieser Regelung niemals steuerbar.
Insoweit gilt: Kommen mehrere Einkunftsarten in Betracht oder kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entschädigung auch als Ersatz für entgangene nicht steuerbare oder steuerfreie Einnahmen gewährt worden sein könnte, ist die Vorschrift des § 24 EStG nicht anwendbar. Diese Grundsätze hatte bereits einmal der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 12.9.1985 unter dem Aktenzeichen VIII R 306/81 aufgestellt.
Auf dieser Basis führen die Richter weiter aus: Nach der zu inländischen Sachverhalten ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt eine Entschädigung im Sinne der Regelung des § 24 EStG dem Grunde nach in Betracht, wenn der Steuerpflichtige infolge einer schuldhaften Körperverletzung eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet, für die der Schädiger eine Ersatzleistung erbringt. Dies gilt indes nur im Hinblick auf Zahlungen, die nach Maßgabe der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches (genau gesagt: § 842 BGB) einen Erwerbs- und Fortkommensschaden ausgleichen sollen.
Leistungen, mit denen andere schadensbedingte Folgen ausgeglichen werden, fallen von vornherein nicht unter die Vorschrift, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 21.1.2004 unter dem Aktenzeichen XI R 40/02 dargelegt hat. In diesen Bereich fallen beispielsweise Arztkosten, verletzungsbedingte Mehraufwendungen oder auch das Schmerzensgeld.
Aber auch soweit Leistungen des Schädigers zivilrechtlich einen Erwerbs- und Fortkommensschaden des Geschädigten ausgleichen sollen, ist stets zu prüfen, ob die Zahlung unmittelbar dazu dient, diesen Schaden durch den Einsatz steuerbarer und steuerpflichtiger Einnahmen zu ersetzen. Das bedeutet nichts anderes, als dass zwischen Entschädigung und entgangenen Einnahmen eine kausale Verknüpfung bestehen muss, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 21.8.1990 unter dem Aktenzeichen VIII R 17/86 herausgearbeitet hat.
Liegt daher diese Voraussetzung nicht vor, ist der Ersatz ebenso steuerfrei wie die durch ihn ersetzten Leistungen. Bei dieser insoweit vorzunehmenden tatrichterlichen Gesamtwürdigung kommt sowohl den Vereinbarungen der Beteiligten, deren Auslegung wie auch den weiteren Umständen des Einzelfalls Indizwirkung zu.
Zuletzt betonen die obersten Finanzrichter in der hier gegenständlichen Entscheidung auch noch, dass § 24 Nummer 1a EStG sehr wohl auch Entschädigungen erfasst, die nicht vom Schädiger, sondern von dritter Seite, also wie hier von einer Versicherung, geleistet werden, wenn der leistende Dritte dem Geschädigten gegenüber zur Leistung verpflichtet ist.
Dennoch hat sowohl die Finanzverwaltung als auch das erstinstanzliche Finanzgericht vollkommen zu Unrecht angenommen, dass es sich bei der streitigen Versicherungsleistung schon deshalb um eine Entschädigung im Sinne der Regelung des § 24 EStG handele, weil sie den Erwerbs- und Fortkommenschaden der Klägerin habe ausgleichen sollen und damit als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährt wurde.
Insoweit kommen die obersten Finanzrichter zu dem Schluss, dass sowohl die Auffassung der Finanzverwaltung als auch das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben können. Die nachvollziehbare und auch logische, vor allem aber menschliche Argumentation:
Die im Schädigungszeitpunkt zwölf Jahre alte Klägerin stand damals in keinem Arbeitsverhältnis. Sie hat altersbedingt auch weder ein Ausbildungsverhältnis noch ein Arbeitsverhältnis oder ein irgendwie andersgeartetes Erwerbsverhältnis angestrebt. Insoweit reicht es für die Steuerpflicht nicht aus, dass die gewährte Versicherungsleistung als „Verdienstausfall“ bezeichnet wird. Vielmehr stellt der der Klägerin zugeflossene, für eine rein hypothetische Erwerbstätigkeit gezahlte Verdienstausfall lediglich Ersatz für die der Klägerin genommene Möglichkeit, sich überhaupt für eine Erwerbsleben zu entscheiden oder ein solches anzustreben, dar. Es fehlt insoweit an dem kausalen Zusammenhang zwischen der im vorliegenden Fall auch noch nach Schweizer Recht gewährten Entschädigung und eventuell entgangenen steuerbaren Einnahmen.
Hinweis:
Zudem hat der Bundesfinanzhof übrigens entschieden, dass die von der Klägerin für ihre anwaltliche Vertretung aufgewendeten Kosten in Höhe von nahezu 60.000 Euro als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Zwar sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits vom Abzug als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich ausgeschlossen. Dieses Abzugsverbot gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige ohne diese Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte.
Nach diesen Maßstäben sind die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung mit der Versicherungsgesellschaft des Schädigers als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Denn nach den Feststellungen des Finanzgerichts ist die unter irreversiblen geistigen und körperlichen Folgeschäden leidende Klägerin zeitlebens auf fremde Hilfe angewiesen. Der mit der Versicherungsgesellschaft ausgehandelte Vergleich diente in diesem Zusammenhang dazu, die Kosten dieser notwendigen Hilfe und damit die weitere Existenz der Klägerin wirtschaftlich abzusichern.
4. Für Schenker und Beschenkte: Zur Abzugsfähigkeit des Vorbehalts eines nachrangigen Nießbrauchs
Gestaltungen mittels Vorbehaltsnießbrauch sind in der Praxis sehr häufig vertreten. Der Grund: Schenkungsteuerlich wird der Tatbestand der Schenkung sofort realisiert und es findet ein Eigentumswechsel statt, dennoch behält sich der Schenker die Einkünfte aus dem Gegenstand der Schenkung weiterhin vor. Da insoweit der Gegenstand der Schenkung mit diesem Nießbrauchsrecht belastet ist, kann der Kapitalwert des Nießbrauchs bei der Schenkungsteuer steuermindernd berücksichtigt werden. Dies ist insoweit vollkommen unstrittig und wird daher in der Praxis als Gestaltungsweg durchaus häufig genutzt.
Strittig war bisher jedoch, wie quasi mit einem „doppelten Nießbrauch“ zu verfahren ist. Was sich dahinter verbirgt, ist am einfachsten am folgenden Sachverhalt zu verstehen. In diessem Urteilssachverhalt ging es um eine Klägerin, die Gesellschafterin einer GbR war. Ihren Gesellschaftsanteil hatte sie seinerzeit schenkweise von ihrer Mutter unter dem Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs erhalten. Noch während des Bestehens dieses Nießbrauchsrechts, also zu Lebzeiten der Mutter, übertrug die Klägerin nun schenkweise den Anteil auf ihre Tochter und behielt sich wiederum den lebenslangen Nießbrauch vor. Da insoweit schon ein Nießbrauchsrecht bestand, war der Nießbrauch der Klägerin als nachrangig zu betrachten.
Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer brachte das Finanzamt lediglich den Nießbrauch der Mutter, nicht aber den Nießbrauch der Klägerin zum Abzug. Zur Begründung führten die Finanzbeamten aus, dass es sich beim Nießbrauch der Klägerin um eine Last handelt, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt. Da insoweit in § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) geregelt ist, dass Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, nicht berücksichtigt werden können, ließ die Finanzverwaltung insoweit eine weitere Steuerminderung nicht zu.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mittels Einspruchs und späterer Klage. Tatsächlich verlor sie vor dem Finanzgericht München, welches mit Urteil vom 15.11.2017 unter dem Aktenzeichen 4 K 204/15 entschied: Überträgt die Steuerpflichtige eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch zugunsten einer Angehörigen (hier: der Mutter) belastete Beteiligung an einer GbR durch eine Schenkung auf ein Kind weiter und behält sie sich ihrerseits ebenfalls den Nießbrauch vor, so ist der früher (im Streitfall: zu Gunsten der Mutter) entstandene Nießbrauch vorrangig gegenüber dem später entstandenen Nutzungsrecht der Steuerpflichtigen, sofern die Angehörige nicht ihr früher entstandenes Nießbrauchsrecht aufgibt und das Nießbrauchsrecht der Steuerpflichtigen gegenüber ihrem Kind damit aufschiebend bedingt. Bei der Besteuerung der Schenkung der Steuerpflichtigen an ihr Kind kann daher ihr Nießbrauchsrecht gegenüber dem Kind als nachrangige und aufschiebend bedingte Last nicht erwerbsmindernd berücksichtigt werden.
Diese Auffassung hat jedoch der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 6.5.2020 unter dem Aktenzeichen II R 11/19 verworfen.
Bei einer Schenkung gilt als steuerpflichtiger Erwerb grundsätzlich die Bereicherung des Bedachten. Hat sich der Zuwendende ein dingliches Nutzungsrecht (wie im vorliegenden Fall das Nießbrauchsrecht) am Zuwendungsgegenstand vorbehalten, ist diese vorübergehende Einschränkung der Bereicherung durch Abzug der Last zu berücksichtigen, wenn ein gesetzliches Abzugsverbot nicht entgegensteht.
Ausweislich der Regelung in § 6 Abs. 1 BewG werden zwar Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängen, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt. Insoweit ist erst, wenn die Bedingung eintritt, eine Schenkungssteuerfestsetzungen auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.
Die Regelung in § 6 BewG untersagt insoweit den Abzug von Verpflichtungen, die am Bewertungsstichtag zivilrechtlich noch nicht entstanden sind. Die Norm stellt ihrem Wortlaut nach auf die rechtliche Entstehung der Verpflichtung, nicht auf die Möglichkeit ihrer Geltendmachung oder zwangsweisen Durchsetzung durch den Berechtigten ab. Insoweit knüpft die Vorschrift mit dem Ausdruck „Bedingung“ an das bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkung des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes im Ungewissen bzw. schwebt.
Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert.
Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen bei einer Schenkung mehreren Berechtigten ein Nießbrauch in der Weise eingeräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll. In diesem Zusammenhang spricht man von einem sogenannten Sukzessiv-Nießbrauch. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung ist der für die Zeit nach dem Ableben des zunächst Berechtigten vereinbarte Nießbrauch nicht zu berücksichtigen. Er hat am Stichtag rechtlich nicht bestanden. Seine Entstehung hängt von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis, nämlich dem Vorversterben des zunächst Berechtigten, ab.
Dieser Sachverhalt ist jedoch von dem Fall zu unterscheiden, dass der Nießbrauch am Stichtag entstanden ist, aber lediglich nachrangig besteht. Insoweit gibt es keinen Anlass für eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 6 Abs. 1 BewG. Eine Abweichung von den Regelungen des Zivilrechts ist insbesondere nicht wegen einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung des Bedachten geboten. Bürgerlich rechtlich geprägte Begriffe, wie der der aufschiebenden Bedingung, können nämlich nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. Ob eine Last aufschiebend bedingt ist, weil sie erst bei Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses entsteht, hängt nicht davon ab, ob der Eintritt des Ereignisses mehr oder weniger wahrscheinlich ist.
Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten danach grundsätzlich auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind die Nutzungsrechte in der Weise zu berücksichtigen, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch als einheitliche Last nur einmal, aber mit dem höheren Vervielfältiger abgezogen werden. Die Mehrheit von Nutzungsberechtigten bedeutet keine zusätzliche Last, sondern allenfalls eine Verlängerung der Belastungsdauer.
Folglich gibt es zumindest aus steuerlicher Sicht keine Gründe, vorweggenommene Erbfolgen nicht anzugehen (oder nicht weiterzuführen), weil auf dem Schenkungsgegenstand bereits ein Nießbrauchsrecht lastet.
5. Für Arbeitnehmer: Erste Tätigkeitsstätte bei mehreren möglichen Einsatzstellen
Grundsätzlich können beruflich veranlasste Fahrtkosten als sogenannte Erwerbsaufwendungen bzw. Werbungskosten steuermindernd angesetzt werden. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, ist zur Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich nur eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen. Wäre hingegen keine erste Tätigkeitsstätte vorhanden, könnte jeder tatsächlich gefahrene Kilometer mit 0,30 Euro, also nach Reisekostengrundsätzen berücksichtigt werden.
Nach wie vor ist es daher von enormer Bedeutung, was denn unter der ersten Tätigkeitsstätte zu verstehen ist. Nach der Legaldefinition im Gesetz handelt es sich bei der ersten Tätigkeitsstätte um die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Insoweit tritt der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte an die Stelle des früheren Begriffes der regelmäßigen Arbeitsstätte.
Trotz dieser Definition werden jedoch zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte weitere Erklärungen nötig. So stellt sich beispielsweise die Frage, was denn ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers sind. Darunter sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend Standort gebunden genutzt zu werden, zu verstehen. Eine großräumige erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Dazu können beispielsweise Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäuden und Büroetagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten gehören. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet in Betracht, wie es beispielsweise bei Werksanlagen, Betriebsgelände, Bahnhöfen oder Flughäfen der Fall ist.
Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird ausweislich der gesetzlichen Fundstelle in § 9 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Soweit der Grundsatz.
Entsprechend der gesetzlichen Konzeption wird daher die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt. Hilfsweise werden quantitative Kriterien herangezogen.
Zu den arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündliche Absprachen oder Weisungen. Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder des Dienstherrn vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen.
Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerliche Zwecke.
Entscheidend ist insoweit, ob der Arbeitnehmer aus der früheren Sicht nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.
Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit hingegen nicht dokumentiert werden. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen Beweismittel möglich. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder tätig werden soll.
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr an. Dies war lediglich bei der früheren, bis 2013, geltenden Rechtslage so.
Aktuell ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die erste Tätigkeitsstätte als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen.
Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals „erste Tätigkeitsstätte“ geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird, kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich zwingt auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen. Denn andernfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben seines Arbeitgebers.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist die erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft entweder typischerweise arbeitsvertraglich tätig werden soll oder im Alternativfall je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Auf Basis dieser Grundsätze hat das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 28.11.2019 unter dem Aktenzeichen 6 K 1475/18 klargestellt, dass ein Feuerwehrmann, der arbeitsvertraglich täglich einer von vier möglichen Einsatzstellen zugeordnet werden kann, keine erste Tätigkeitsstätte hat, auch wenn er tatsächlich stets nur an einem der vier möglichen Einsatzorte tätig war. Tatsächlich kommt es insoweit auf die Sicht von früher an bzw. im juristischen Fachdeutsch ausgedrückt auf die Ex-ante-Betrachtung. Da der Feuerwehrmann insoweit seinerzeit mehrere Einsatzstellen hatte, liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor.
Hinweis:
Die Folge: Die Fahrten zur Einsatzstelle können nach Reisekostengrundsätzen mit 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer angesetzt werden. Die Entfernungspauschale kommt nicht zum Ansatz. Zusätzlich können auch noch Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht werden.
Insoweit es nicht schwer vorstellbar, dass die Finanzverwaltung von der Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz nicht begeistert ist. Aktuell wird daher das letzte Wort noch der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VI R 48/20 haben.
Betroffenen sei insoweit empfohlen, unter Darlegung des kompletten Sachverhalts die Fahrten nach Reisekostengrundsätzen anzusetzen. Sollte das Finanzamt dem dann widersprechen und nur die Entfernungspauschale berücksichtigen, muss gegen den Bescheid unter Hinweis auf das anhängige Verfahren Einspruch eingelegt werden.
6. Für Anleger: Zur Missbräuchlichkeit einer rechtlichen Gestaltung im Zusammenhang mit Bondstripping
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den Inhaber oder ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen nicht mitveräußert werden.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Abs. 1 Nummer 7 dieser Norm. Hierzu gehören insbesondere sonstige Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.
Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist auch ein negativer Gewinn, also ein Veräußerungsverlust, erfasst. Danach führen sowohl isolierte Veräußerungen der Zinsscheine als auch die Veräußerung der Anleihemäntel beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen, wie bereits das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 29.3.2019 unter dem Aktenzeichen 1 K 2163/2 16 G, F entschieden hat. Zu dieser Entscheidung ist jedoch mittlerweile auch die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 15/19 anhängig.
Die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen beträgt grundsätzlich 25%. Insoweit spricht man auch vom gesonderten Steuertarif der Abgeltungssteuer. Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 32 d EStG gilt der gesonderte Steuertarif jedoch nicht, wenn Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10% an der Gesellschaft (oder Genossenschaft) beteiligt ist. Greift diese Vorschrift, findet sowohl das Verlustverrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG als auch das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG keine Anwendung.
Vor dem Hintergrund dieser Regelungen sind Gestaltungen aufgekommen, bei denen der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine dem 25-prozentigen Abgeltungssteuersatz unterworfen wurden, während ein errechneter Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel dem allgemein Steuertarif unterworfen wurde und zur Verlustverrechnung mit anderen Einkunftsarten herangezogen werden sollte.
Mit Urteil vom 20.10.2020 führt das Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen 12 K 3102/17 dazu aus, dass ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 42 der Abgabenordnung (AO) durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden kann. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jeder Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch bei Vorliegen eines Missbrauchs, wie er bei den wirtschaftlichen Vorgängen angemessener rechtlicher Gestaltungen entsteht. Entsprechend der gesetzlichen Vorschrift in der Abgabenordnung liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Besteuerungsgrundsätze kommt das erstinstanzliche Finanzgericht München zu dem Schluss, dass die Zwischenschaltung einer vom Steuerpflichtigen beherrschten Kapitalgesellschaft in die Veräußerung von Anleihemänteln zum Zweck der Verlagerung der aus der Veräußerung erzielten Verluste in den Anwendungsbereich der dem allgemeinen Steuertarif unterliegenden Einkünfte ein solcher Gestaltungsmissbrauch im Sinne der Vorschrift des § 42 AO sein kann.
Ganz ausdrücklich erklären die erstinstanzlichen Richter, dass die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO nicht durch die spezialgesetzliche Missbrauchsregelung in § 32 d Abs. 2 Satz 1 Nummer 1b EStG verdrängt wird, wenn sich der Gebrauch dieser spezialgesetzlichen Umgebungsvorschrift als Missbrauch der Missbrauchsvorschrift charakterisieren lässt.
Hinweis:
Tatsächlich ist damit jedoch noch nicht das letzte Wort gesprochen. Unter dem Aktenzeichen VIII R 30/20 muss nämlich der Bundesfinanzhof noch die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des sogenannten Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen mit anschließender Veräußerung der Zinsscheine an eine Bank und der Anleihemäntel an eine vom Veräußerer beherrschten Kapitalgesellschaft noch klären.
Konkret geht es in dem vorliegenden Verfahren beim Bundesfinanzhof um zwei Rechtsfragen: Einmal ist zu klären, ob die Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel mit der Folge von der Abgeltungssteuer ausgenommen sind, sodass sie zur Verrechnung mit anderen positiven Einkünften zur Verfügung stehen. Weiterhin ist zu klären, ob in der Veräußerung der Anleihemäntel an die vom Veräußerer beherrschten Kapitalgesellschaft ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten in Gestalt der missbräuchlichen Ausnutzung einer Missbrauchsvermeidungsvorschrift liegt.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird sicherlich mit Spannung zu erwarten sein.
7. Für Selbstständige: Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die Unternehmensräume in der heimischen Wohnung
Ausweislich der Regelung in § 4 Abs. 5 Nummer 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Wohl gemerkt ist dies nur der Grundsatz, denn die gesetzliche Regelung hält auch direkt einige Ausnahmevorschriften (selbstverständlich bei Einhaltung entsprechender Voraussetzungen) bereit. Danach gilt im Wesentlichen:
Das grundsätzliche Abzugsverbot für Kosten des häuslichen Arbeitszimmers gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ist dies der Fall, können Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 Euro steuermindernd abgezogen werden.
Diese Beschränkung des steuerlichen Abzugs greift lediglich dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. In diesem Fall können dann tatsächlich sämtliche Aufwendungen abgezogen werden.
Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer einzelnen Tätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob diese im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen. Diese Aussage des Bundesfinanzhofs in seinem Beschluss vom 13.6.2020 unter dem Aktenzeichen VIII B 166/19 war sicherlich auch als eine solche verbale Ohrfeige seitens der Richter gemeint, wie sie sich anhört.
Im Streitfall ging es nämlich um einen Rechtsanwalt, der neben einer Angestelltentätigkeit auch noch eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt verfolgte und die entsprechenden Kanzleiräume in der heimischen Wohnung innehat. Tatsächlich war der Rechtsanwalt der Meinung, dass insoweit für Rechtsanwälte eine Sonderregelung gilt und er deshalb sämtliche Kosten für seine Kanzleiräume zum Abzug bringen kann.
Dazu äußerte sich der Bundesfinanzhof in dem vorgenannten Beschluss wie folgt: Für Steuerpflichtige, die Rechtsanwälte sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bereits geklärt, dass auch eine Anwaltskanzlei in der privaten Wohnung von der Abzugsbeschränkung für das häusliche Arbeitszimmer erfasst wird, sofern sie die Merkmale eines solchen häuslichen Arbeitszimmers auch aufweist. Im vorliegenden Fall war es unstrittig, dass die Merkmale eines häuslichen Arbeitszimmers gegeben waren.
Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, welche erst den vollständigen Abzug der Aufwendungen eröffnet, ist für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zu bestimmen und umfasst auch bei Rechtsanwälten die Tätigkeit als Arbeitnehmer und die selbstständige anwaltliche Tätigkeit. Dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt, reicht insoweit wie bei allen anderen Steuerpflichtigen auch nicht aus, um einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug hinsichtlich der Räumlichkeiten zu erreichen. Insoweit gelten für Rechtsanwälte keine besonderen Regelungen.
Hinweis:
Tatsächlich hat der hier klagende Rechtsanwalt jedoch noch eine andere, durchaus interessante Frage, aufgeworfen. So ging es darum, ob der geltende Höchstbetrag von 1.250 Euro aktuell noch den Anforderungen an eine verfassungsgemäße und realitätsgerechte Typisierung genügt. Insoweit trug der Rechtsanwalt vor, dass seit Einführung des Höchstbetrags von 1.250 Euro im Jahr 1996 sich die Mietpreise deutlich erhöht haben. Der Sachverhalt des Steuerstreits spielt offensichtlich im Großraum München, wo sich die Mietpreise sogar verdoppelt haben. Daraus folgerte der Rechtsanwalt, dass der nahezu unverändert geblieben Höchstbetrag insoweit zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) führen würde.
Insgesamt ist hier die Idee des Rechtsanwaltes sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Immerhin könnte man durchaus die Meinung vertreten, dass ein entsprechender Höchstbetrag auch an die Entwicklung der Mietpreise und somit an die Entwicklung der Immobilienpreise gekoppelt werden muss. Ob man mit einer solchen Argumentation jedoch Aussichten auf Erfolg hat, bleibt weiter ungewiss. Im vorliegenden Fall hatte der Vortrag des Rechtsanwalts nämlich nicht die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erfüllt, weshalb die Richter die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde schlicht als unbegründet verworfen haben.
8. Für Immobilienbesitzer: Aufteilung von Abbruchkosten und Restwert eines Gebäudes
Mit Urteil vom 21.8.2020 hat das Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 4 K 855/19 G entschieden, dass die Berücksichtigung von anteilig als Werbungskosten abziehbaren Abbruchkosten sowie der Restwert eines zuvor zeitweise vollständig fremd vermieteten und zeitweise teilweise selbstgenutzten Gebäudes als Werbungskosten nach Maßgabe der zeit- und flächenmäßigen Nutzung für die gesamte Nutzungsdauer des Objektes zu ermitteln ist.
Ein hiernach ermittelter Anteil der privaten Veranlassung von unter 10% ist jedoch steuerlich als unerheblich einzuordnen, so das Gericht.
Zum besseren Verständnis der Entscheidung sei an dieser Stelle der Sachverhalt kurz erläutert. Die klagende Steuerpflichtige erwarb im Dezember 2011 einen Bungalow, den sie zunächst vollständig vermietete und entsprechend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Nach dem Tod der Mieterin vermietete sie ab September 2014 lediglich noch einen Teil des Objektes mit Ausnahme der Kellerräume an neue Mieter. Im Oktober 2016 wurde dieser Mietvertrag schließlich gekündigt, und der Bungalow wurde im März 2017 abgerissen. In der Folgezeit errichtete die Klägerin ein Mehrparteienhaus, das sie ausschließlich vermietete. Fraglich war nun, wie mit dem Restwert des Bungalows und den Abbruchkosten steuerlich verfahren werden sollte. Die Klägerin machte beides im Streitjahr 2017 in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Damit war jedoch das Finanzamt nicht einverstanden, da seinerzeit in der letzten Vermietungsphase der Bungalow lediglich mit Ausnahme der Kellerräume vermietet wurde. Das Finanzamt kürzte daher den Werbungskostenabzug um den Anteil der nicht vermieteten Kellerräume.
Hiergegen richtete sich die Steuerpflichtige mittels Klage und erhielt beim vierten Senat des Finanzgerichtes Münsters recht. Die erstinstanzlichen Richter führten insoweit aus, dass dem Grunde nach neben den Abbruchkosten auch die Restwerte des Gebäudes im Wege einer technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung als Werbungskosten abzugsfähig seien. Sie sind vorrangig durch die bisherige Nutzung des Objekts veranlasst, weil es nicht in Abbruchabsicht erworben worden ist und auch noch kein vollständiger Verbrauch der Substanz eingetreten ist. Abbruchkosten und Restwert sind allerdings in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich in voller Höhe abzugsfähig. Vielmehr kommt nur eine anteilige Abzugsfähigkeit in Betracht. Die Aufteilung ist sowohl zeitanteilig als auch nach der Art der Nutzung der Flächen vorzunehmen, wie bereits eingangs gesagt. Maßgeblich war im vorliegenden Fall die gesamte Nutzungsdauer der Immobilie seit der Anschaffung durch die Klägerin, was insgesamt einem Zeitraum von 57 Monaten entsprach. Hierauf entfielen 31 Monate auf die vollständige Vermietung und die übrigen 26 Monate auf eine flächenmäßige anteilige Vermietung zu 78,4%. Dies führt unter dem Strich zu einer privaten Veranlassung des Abbruchs von 9,8%, denn insoweit ist bei zeitanteiliger und flächenanteiliger Berücksichtigung der Kellerraum nicht mitvermietet worden.
Auch wenn insoweit das Finanzgericht eine augenscheinlich durchaus genaue Berechnung vollzieht, sind die erstinstanzlichen Richter jedoch deutlich großzügiger als die Finanzbeamten. Nach den allgemeinen Grundsätzen zum Veranlassungsprinzip ist nämlich eine Veranlassung von unter 10% steuerlich unerheblich, und dementsprechend lassen die Richter die Kosten für den Abbruch und den Restwert in vollem Umfang zum steuermindernden Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu.
Hinweis:
Die Revision wurde seitens des Finanzgerichtes Münsters zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof nämlich zur Relevanz einer zeitweise gemischten Nutzung des abgerissenen Objekts bei nachfolgendem Bau eines Vermietungsobjektes für die Veranlassung von Abbruchkosten und Gebäuderestwert noch keine Stellung genommen.
Zum Redaktionsschluss war nicht ersichtlich, ob die Revision seitens der Finanzverwaltung eingelegt wurde. Tatsächlich wird die Finanzverwaltung sicherlich auch gut daran tun, in einem solchen Fall keine Revision einzulegen.
9. Für Vermieter: Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten
Grundsätzlich gilt: Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Ist dies der Fall, können die Aufwendungen nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) berücksichtigt werden.
Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach den Regelungen des Handelsgesetzbuches. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seiner Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören ausweislich der einkommensteuerlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nummer 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Man spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten. Diese Aufwendungen erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung und sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören jedoch die Aufwendungen für Erweiterungen sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.
Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen entsprechend dieser Regelung ist dabei leider nicht gesetzlich definiert und bedarf folglich der Auslegung. Diese lautet wie folgt. Darunter fallen bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören daher insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, die ohne die Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilt werden. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 14.6.2016 unter dem Aktenzeichen IX R 22/15 herausgearbeitet.
Zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören grundsätzlich auch sogenannte Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden und die hierfür angefallenen Aufwendungen (gegebenenfalls zusammen mit weiteren Aufwendungen für bauliche Maßnahmen) ohne Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten übersteigen. Denn auch Schönheitsreparaturen in diesem Sinne sind bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes beseitigt werden.
Zu den Aufwendungen im Sinne der anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören darüber hinaus auch Kosten für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 14.6.2016 unter dem Aktenzeichen IX R 25/1214 herausgearbeitet hat.
Die Zurechnung von anschaffungsnahen Aufwendungen zu den Herstellungskosten bedeutet allerdings nicht, dass es in diesem Jahr überhaupt keinen sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand geben könnte. Aufwendungen, die mit den Umbau-, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht in Zusammenhang stehen, können als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein. Hierunter fallen insbesondere Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und daher nach der Vorschrift ausdrücklich nicht zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehören. Zu den jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne gehören insbesondere auch Aufwendungen für regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen, Rohrverkalkungen oder Ablesekosten.
Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das gesamte Gebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist. Andererseits ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehen Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbstständigen Gebäudeteil abzustellen, wenn das gesamte Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und daher in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist. Maßgeblich ist insoweit, ob zwischen den Gebäudeteilen ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht.
Vor dem Hintergrund dieser Subsumtion rund um die anschaffungsnahen Herstellungskosten kommt aktuell das Finanzgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 15.7.2020 unter dem Aktenzeichen 3 K 1215/19 zu dem Schluss, dass es bei der Prüfung, ob unterschiedlich genutzte Gebäudeteile gegeben sind, nicht auf die frühere Nutzung durch den Veräußerer oder die ursprünglich vom Kläger beabsichtigte Nutzung ankommt. Entscheidend ist vielmehr, dass nach der Änderung der Zweckbestimmung der Steuerpflichtige tatsächlich nie eine gewerbliche Vermietung oder gewerbliche Nutzung vorgenommen hat, sodass keine unterschiedlichen Gebäudeteile vorliegen.