Controlling-Lexikon

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Cross Majority

1. Überblick

Zahlreiche empirische Erhebungen belegen, dass es bei Unternehmenskooperationen bzw. -akquisitionen (Akquisitionsplanung) auch zu Misserfolgen kommen kann. Dennoch ist das Interesse an strategischer Unternehmensentwicklung durch externes Wachstums und Restrukturierung ungebrochen. Die Ursachen hierfür liegen insbesondere in den erhofften ökonomischen und mitunter machtpolitischen Wirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen, die durch internes Wachstum (Unternehmenswachstum) nicht oder nur mit deutlicher Zeitverzögerung erreichen werden könne. Als strategische Hauptmotive für externes Unternehmenswachstum im angestammten Geschäft kommen insbesondere in Frage:

  • Verbesserung der Wettbewerbsposition durch Volumenaggregation (Economies of Scale)

  • Erschließung neuer Vertriebskanäle

  • Steigerung des technologischen Know-hows

  • Risikobegrenzung

Die Formen strategisch motivierter Unternehmenszusammenschlüsse reichen von der strategischen Allianz über das Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) und die Mehrheitsbeteiligung bzw. Akquisition bis zur Fusion. Von einer so genannten Cross Majority spricht man nur dann, wenn

  • das Aktivitätsfeld der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in mehreren Joint Ventures rechtlich verselbstständigt ist,

  • die involvierten Partnerunternehmen (Stammgesellschaften) direkt oder indirekt an den Joint Ventures beteiligt sind und

  • wenn sich die Mehrheit der Anteile an den jeweiligen Joint Ventures nicht durchgehend im Besitz ein und desselben Partnerunternehmens befindet, sondern sich die Mehrheitsverhältnisse verändern.

Cross Majorities unterscheiden sich damit deutlich von der Unternehmensakquisition und der Mehrheitsbeteiligung an einem einzelnen Gemeinschaftsunternehmen.

Abbildung: Konstruktion einer Cross Majority

Die beiden zuletzt genannten Zusammenschlussformen sind durch den beherrschenden Einfluss des Akquisiteurs geprägt, die Cross Majority dagegen charakterisiert das strategischpartnerschaftliche Verhältnis der sich verbündenden Unternehmen. Angestrebt wird eine langfristige Nutzung komplementärer Stärken, wobei sich die Wahl der Mehrheiten und die Institutionalisierung des Durchgriffs auf das operative Geschäft an den relativen Kompetenzen der einzelnen Partner und des Managements orientiert.

2. Rechtliche und strukturelle Ausprägungen von Cross Majorities

Bei Cross Majorities lassen sich je nach Spaltung des Leistungsspektrums der Joint Ventures vornehmlich drei Ausprägungen unterscheiden:

  • Regionalorientiertes Cross Majority

    Zwischen Partnerfirmen mit stark abweichenden regionalen Marktpositionen bietet sich der Aufbau einer Cross Majority an regionalen Joint Ventures an. Mit der Ergänzung der Vertriebskanäle ist in der Regel auch ein guter Fit in der regionalen Verteilung der Wertschöpfungsstandorte verbunden.

  • Funktionalorientierte Cross Majority

    Bei dieser Form wird das Geschäftssystem in mehrere rechtlich selbstständige funktionale Verbundeinheiten separiert. Die Separation erfolgt dabei in Anlehnung an das relative Kompetenzprofil der Partnerunternehmen in der Wertschöpfung. Auf diesem Prinzip beruht auch die Aufspaltung des Geschäftssystems in eine (oder mehrere) rechtlich selbstständige „Sourcing Unit(s)“ oder „Selling Unit(s)“.

  • Geschäftsorientierte Cross Majority

    Nicht selten vermag nur ein Zusammenschluss mit einem der führenden oder zumindest noch großen Wettbewerber eine vorhandene Wachstums- und Kompetenz-Lücke zügig zu schließen, die ein Unternehmen von einer nachhaltig profitablen Marktstellung trennt. In solch schwieriger Ausgangssituation werden häufig Akquisitionen oder Fusionen als adäquate Expansionsansätze angesehen. Allerdings fehlen vielfach die für einen Unternehmenserwerb benötigten finanziellen Mittel alternative veräußerungsfähige Vermögensmassen. Darüber hinaus ist die Handlungsfreiheit – was das Schmieden von Fusionen anbelangt – regelmäßig durch die existierenden Firmenstrukturen stark begrenzt.

3. Implementierung einer Cross Majority

Durch eine Kombination von stimmberechtigten und nicht stimmberechtigten Aktien einerseits und Regelung der Besetzungsrechte von Positionen in den Führungsgremien der Joint Ventures andererseits bestehen differenzierte Möglichkeiten für eine geschäftliche Einflussnahme der Partnerunternehmen. Daneben gehört die Bewertung der eingebrachten Vermögensgegenstände und der ihnen anhaftenden Geschäfts-Erfolgspotenziale (Erfolgspotenzialkontrolle) zu den schwierigsten Verhandlungspunkten.

Aus investitions- und kapitalmarkttheoretischem Gesichtspunkt interessiert hierbei letztlich der den jeweiligen Vermögensmassen zurechenbare Anteil am Unternehmens- bzw. Eigenkapitalwert (Shareholder Value-Ansatz) der errichteten Joint Ventures. Bei der Bewertung des Vermögens stellt sich insbesondere die Frage nach dem Wert der eingebrachten immateriellen Vermögensgegenstände (Technologien, Patente, Humanpotenzial, Marken etc.). Anhaltspunkte für eine gesamthafte Bewertung der Einbringungen können sein:

  • Aktuelle und historische Kennzahlen der Unternehmen wie Umsatz (Umsatzrentabilität), Auftragseingang (Vertriebs-Controlling, Vertriebskennzahlen), Betriebsergebnis, Cash-Flow, Jahresüberschuss (Erfolgsanalyse), EBIT (Earnings Before Interest & Taxes), EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation & Amortization), Marktanteil (Branchenanalyse), Wertschöpfung und verschiedene Aufwandspositionen wie etwa F&E-Aufwendungen

  • Der Zeitwert der Vermögensgegenstände

  • Der Börsenwert der Partnergesellschaften bei Verteilung der Marktwerte auf die verschiedenen Geschäftsaktivitäten der Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer Umsätze und Umsatzrenditen (Umsatzrentabilität) – vor allem im Vergleich zu den durchschnittlichen Branchenwerten

  • Die Börsenwerte vergleichbarer Unternehmen beziehungsweise der Wert publizierter Transaktionen von Akquisitionen in Segmenten mit vergleichbarem Produkt-/Marktspektrum

Der auf buchhalterischen Größen beruhende Wertvergleich wird oftmals noch dadurch erschwert, dass die Rechnungslegung der Verhandlungspartner auf abweichenden internationalen Standards beruht (IAS, US-GAAP). Dies gilt insbesondere in der frühen Sondierungsphase, weil die in solcher Weise belasteten Wertaussagen eine hohe Freizügigkeit im gegenseitigen Informationsaustausch voraussetzen.

Prinzipiell sind bei der Implementierung einer Cross Majority verschiedene Führungsentscheidungen zu treffen, die im Gesamtinteresse des Verbundes nicht von jedem einzelnen Joint Venture getrennt, sondern nur im Gesamtzusammenhang gefällt werden können. Zu denken ist dabei unter anderem an die strategische Ausrichtung des Gesamtverbundes, Abstimmungsentscheidungen bezüglich Produktentwicklung und Vertriebsaufstellung oder die Ressourcen- und Kapazitätssteuerung über die Joint Ventures hinweg.

Bei der Errichtung einer Cross Majority gilt es daher grundsätzlich zu prüfen, ob zusätzlich eine Managementebene zwischen Partnerunternehmen und Joint Ventures installiert werden sollte, die in rechtlich verselbstständigter Form ein Holding-Joint Venture darstellt, an dem gleichberechtigte Partner jeweils 50 Prozent der Anteile halten.

4. Das Konzept einer Cross Majority

Errichtung:
  • Neugründung von Gesellschaften

  • Veränderung von Besitzverhältnissen und Namensgebungen von existierenden Unternehmen, unter Umständen durch Anteilstausch

  • Einbringung von Vermögensgegenständen

Konzept:
  • Strategisch ausgerichteter, partnerschaftlicher Zusammenschluss auf Basis mehrerer Joint Ventures mit wechselnden Beteiligungsverhältnissen in der Beteiligungsstruktur

  • Keine Aufgabe der unternehmerischen Selbstständigkeit

  • Die Identität der Partner bleibt erhalten

Führung:
  • Potentielle Gefährdung des Verbundes, da die Interessenslage der Muttergesellschaften voneinander abweichen. Dies bedingt Ausstiegsregelungen für den Fall unlösbarer Konflikte mit Andienungspflichten, Exit-Formeln etc.

  • Die Dezentralisierungstendenz fördert eine auf die Joint Ventures ausgerichtete Führungspraxis

  • Die Nutzung von Joint Ventureübergreifenden Synergien ist problematisch

  • Mögliche Abschwächung von Dezentralisierungskräften durch Einrichtung einer Zwischenholding

Integration:
  • Eine gesellschaftsrechtliche Integration im Kooperationsverbund setzt eine Ausgliederbarkeit aus dem Stammgeschäft der Mutter voraus

  • In Verwaltung und Management ist die Reichweite der Integration relativ eng

  • Es besteht kaum die Gefahr, dass eine Übernahmementalität aufkommt

Flexibilität:
  • Zum Gründungszeitpunkt existiert eine Vielzahl von Varianten zur Gestaltung der Rechts- und Organisationsstruktur

  • Eine Cross Majority eignet sich insbesondere als erste Stufe und Bewährungsprobe auf dem Weg zu weitergehenden Zusammenschlüssen

Risiko:
  • In der Regel geringer Finanzmittelbedarf

  • Kein einseitiger Beteiligungserwerb

  • Einbringung von werthaltigen Vermögensgegenständen

  • Ähnliches Risiko bei den Partnerunternehmen

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