Aufbewahrungsfristen und -pflichten

Normen

§ 257 HGB

§ 147 AO

§ 41 Abs. 1 Satz 10 EStG

§ 14b UStG

Information

1. 1. Aufbewahrungspflichten

Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Buchführungsunterlagen innerhalb bestimmter Fristen aufzubewahren (§ 257 HGB). Darüber hinaus sind alle nicht im Handelsregister eingetragenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, sonstige Gewerbetreibende und Freiberufler (§ 147 AO) steuerrechtlich zur Aufbewahrung verpflichtet.

Die Unterlagen dienen zur Dokumentation und Beweissicherung der Geschäftsvorfälle im Rahmen der Buchführung. Sie sollen zu diesem Zweck bei Buchprüfungen und Rechtsstreitigkeiten vorgelegt werden. Innerhalb bestimmter Fristen sollen die Buchführungsunterlagen für Prüf- und Beweiszwecke verfügbar sein. Die Aufbewahrungsfristen gewährleisten somit die Vorlage der Buchführung. Sie sind daher von allen Buchführungspflichtigen zu beachten, also nicht nur von Kaufleuten, sondern auch von den nach der Abgabenordnung zur Buchführung Verpflichteten.

Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss sichergestellt sein, dass die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können (§ 239 Abs. 4 Satz 2 HGB, § 147 Abs. 5 und 6 AO).

2. 2. Aufbewahrungsfristen

2.1 2.1 Fristen

Nach § 257 HGB sind alle Kaufleute verpflichtet, bestimmte Unterlagen zur Buchführung aufzubewahren. Die aufzubewahrenden Unterlagen werden ausdrücklich im Gesetz genannt. Ebenso die Aufbewahrungsfristen.

Entsprechende Regelungen enthält § 147 AO für das Steuerrecht. Diese sind zum Teil deckungsgleich mit denen von § 257 HGB. Ihr Regelungsbereich geht aber auch über § 257 HGB hinaus. § 147 AO betrifft nicht nur Kaufleute, sondern alle nach dem Steuerrecht zur Buchführung Verpflichteten und freiwillig Bücher führende Unternehmer. Über die in § 257 HGB genannten Unterlagen hinaus bezieht sich § 147 AO auf alle sonstigen Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind.

Aufbewahrungsfrist 10 Jahre (I)

  1. Handelsbücher, Bücher und Aufzeichnungen

  2. Inventare

  3. Eröffnungsbilanzen

  4. Jahresabschlüsse

  5. Einzelabschlüsse nach IFRS (§ 325 Abs. 2 HGB)

  6. Lageberichte

  7. Konzernabschlüsse

  8. Konzernlageberichte

  9. zum Verständnis der unter 1 bis 8 aufgeführten Bücher erforderliche Arbeitsanweisungen und sonstige Organisationsunterlagen

  10. Buchungsbelege (Einzelheiten vgl. unten 2.2.1)

  11. Unterlagen, die einer mit Mitteln der Datenverarbeitung abgegeben Zollanmeldung nach Artikel 77 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 62 Abs. 2 Zollkodex beizufügen sind, sofern die Zollbehörden nach Artikel 77 Abs. 2 Satz 1 Zollkodex auf ihre Vorlage verzichtet oder sie nach erfolgter Vorlage zurückgegeben haben (§ 147 Abs. 1 Nr. 4a AO)

  12. Doppel der Ausgangsrechnungen, die Unternehmer oder Dritte in deren Namen und Rechnung ausgestellt haben sowie alle Eingangsrechnungen, die Unternehmer erhalten haben oder die ein Leistungsempfänger oder in dessen Nahmen und für dessen Rechnung ein Dritter ausgestellt hat (§ 14b Abs. 1 UStG)

Aufbewahrungsfrist 6 Jahre (II)

  1. empfangene Handels- und Geschäftsbriefe

  2. Wiedergaben der abgesandten Handels- und Geschäftsbriefe (vgl. unten 2.2.2)

  3. sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind

  4. Lohnkonten (41 Abs. 1 Satz 10 EStG)

Aufbewahrungsfrist 2 Jahre (III)

  1. Rechnungen, Zahlungsbelege und andere beweiskräftige Unterlagen, soweit die Leistungen für den nichtunternehmerischen Bereich verwendet werden (§ 14b Abs. 1 Satz 5 UStG)

Haben Rechnungen und andere Buchführungsunterlagen Buchfunktion, z.B. bei der Offene-Posten-Buchhaltung, so sind sie wie Bücher 10 Jahre lang aufzubewahren.
Sind in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen, gelten diese Fristen. Sind aber in außersteuerlichen Gesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen bestimmt, ist das nicht für die steuerliche Aufbewahrungspflicht maßgebend (§ 147 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO).

2.2 2.2 Unterlagen

2.2.1 2.2.1 Buchungsbelege

Unter Buchungsbelegen sind u.a. zu verstehen: Rechnungen, Lieferscheine, Quittungen, Auftragszettel, Warenbestandsaufnahmen, Bankauszüge, Betriebskostenrechnungen, Bewertungsunterlagen, Buchungsanweisungen, Gehaltslisten, Kassenberichte, Portokassenbücher und Prozessakten.

Das Steueränderungsgesetz 1998 (BGBl 1998 I S. 3816) hat durch die Neufassung von § 147 Abs. 3 AO und § 257 Abs. 4 HGB die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von sechs auf zehn Jahre verlängert.

2.2.2 2.2.2 Handels- und Geschäftsbriefe

Soweit es sich bei den Unterlagen der Finanzbuchhaltung um empfangene Handels- und Geschäftsbriefe und Wiedergaben hiervon handelt, besteht hierfür nach Nr. II 1 und II 2 der vorstehenden Übersicht eine 6-jährige Aufbewahrungspflicht. Werden diese Unterlagen aber in Form einer Offene-Posten-Buchhaltung geführt, werden hierdurch die in Nr. I 1 der vorstehenden Übersicht aufgeführten Handelsbücher, Bücher und Aufzeichnungen ersetzt. In diesem Fall gilt hierfür eine 10-jährige Aufbewahrungspflicht.

Handelsbriefe sind auch Eingangsrechnungen und Wiedergaben von Ausgangsrechnungen. Diese dienen als Belege für die Buchung der Kreditgeschäfte und unterliegen damit auch der 10-jährigen Aufbewahrungspflicht.

2.2.3 2.2.3 Bank- und Kassenbelege

Die Bank- und Kassenbelege sind Buchungsbelege, die nach Nr. I 10 der vorstehenden Übersicht 10 Jahre lang aufzubewahren sind.

Registrierkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und dergleichen brauchen nicht aufbewahrt zu werden, wenn der Zweck der Aufbewahrung in anderer Weise gesichert ist. Deshalb reicht es aus, wenn anstelle der Registrierkassenstreifen die Tagesendsummenbons aufbewahrt werden. Diese müssen aber die Gewähr der Vollständigkeit bieten und die folgenden Angaben enthalten: Name des Geschäfts, Datum und Tagesendsumme.

2.2.4 2.2.4 Personalunterlagen

Bei den Personalunterlagen ist zu prüfen, ob es sich hierbei um sonstige Unterlagen handelt, die für die Besteuerung von Bedeutung sind. In diesem Fall besteht hierfür nach Nr. II 3 der vorstehenden Übersicht eine 6-jährige Aufbewahrungspflicht. Bei den Personalunterlagen kann es sich um Lohnkonten und andere Unterlagen handelt, welche die Lohnbuchhaltung betreffen. Auf diesen Unterlagen werden die Lohnsteuerabzüge berechnet, die an das Finanzamt abzuführen sind. Diese Unterlagen sind für die Besteuerung von Bedeutung.

Oft werden Lohnlisten aufgestellt, auf denen für jeden Arbeitnehmer die Löhne aufgeführt sind, spaltenweise unterteilt nach Bruttolohn, Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Nettolohn. Auf den Konten der Finanzbuchhaltung werden nur die Summen der Spalten dieser Listen gebucht. Soweit hierin also auch Beträge erfasst werden, die mit der Besteuerung unmittelbar nichts zu tun haben, etwa die Sozialversicherungsbeiträge, sind diese Unterlagen aber Grundlage für die Buchungen in der Finanzbuchhaltung. Diese Unterlagen haben daher entweder Belegfunktion und sind dann 10 Jahre lang aufzubewahren, oder sie fallen unter die 6-jährige Aufbewahrungspflicht nach Nr. II 4 der Aufstellung in Abschnitt 2.1.

2.2.5 2.2.5 Sonstige Geschäftsunterlagen

„Sonstige Geschäftsunterlagen“ sind alle Schriftstücke oder Papiere, die einen Einblick in das Geschäftsgeschehen verschaffen können und typische und atypische Geschäftsvorfälle dokumentieren oder erläutern.

Beispiel:

Auftragszettel, Lieferscheine, Frachtpapiere, Zolldokumente, Quittungen, Kreditunterlagen, Verträge, Protokolle, Versicherungsunterlagen, Schadensunterlagen, Lohn- und Gehaltslisten, Stunden- und Akkordzettel, Kassenstreifen, Kassenzettel oder Kassenbons.

2.3 2.3 Beginn und Ende der Aufbewahrungsfristen

Die Aufbewahrungsfrist beginnt (§ 257 Abs. 5 HGB, § 147 Abs. 4 AO) mit dem Schluss des Kalenderjahrs (also nicht des evtl. abweichenden Geschäfts- oder Wirtschaftsjahrs), in dem

  • die letzte Eintragung in das Handelsbuch erfolgt ist,

  • das Inventar aufgestellt worden ist,

  • die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluss festgestellt worden ist,

  • der Einzelabschluss nach IFRS (§ 325 Abs. 2a HGB) oder der Konzernabschluss aufgestellt worden ist,

  • der Handelsbrief empfangen oder abgesandt worden ist,

  • der Buchungsbeleg entstanden ist,

  • Aufzeichnungen vorgenommen oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind,

  • die Rechnung i. S. von § 14 UStG ausgestellt worden ist (§ 14b Abs. 1 Satz 3 UStG),

  • die zuletzt eingetragene Lohnzahlung erfolgt ist (§ 41 Abs. 1 Satz 10 EStG),

  • für die Verfahrensdokumentation buchhaltungsrelevante Daten erfasst wurden, entstanden sind oder bearbeitet wurden.

Die Aufbewahrungsfrist läuft nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 147 Abs. 3 Satz 3 AO). Hier sind aber nur die normalen Festsetzungsfristen von 1 Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen, 3 Jahre für Zölle und von 4 Jahren für die übrigen Steuern und Steuervergütungen maßgebend. Es gelten also nicht die für die Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung auf 10 bzw. 5 Jahre verlängerten Festsetzungsfristen (§ 147 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz AO).

Hinweis:

Durch die Anknüpfung der Aufbewahrungsfrist an die Festsetzungsfrist ist die Terminbestimmung für die Vernichtungsmöglichkeit erheblich erschwert. Daher hat die Finanzverwaltung gemäß § 148 AO durch einen Erlass zur Erleichterung bestimmt, dass Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nur noch aufzubewahren sind, wenn sie von Bedeutung sind

  1. für eine begonnene Außenprüfung,

  2. für eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 AO,

  3. für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen,

  4. für ein schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren oder

  5. zur Begründung von Anträgen des Unternehmens.

Beispiel:

Eine Außenprüfung ist abgeschlossen. Inzwischen sind auch die Aufbewahrungsfristen abgelaufen. Keiner der weiteren vorstehend genannten Tatbestände ist erfüllt. Die Unterlagen können vernichtet werden. Wird ein Rechtsbehelf gegen den aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheid eingelegt, so brauchen nur noch die Unterlagen aufbewahrt werden, die für dieses Rechtsbehelfsverfahren von Bedeutung sind.

Wird nach einer steuerlichen Außenprüfung die Handelsbilanz an die Ergebnisse der Außenprüfung angepasst, so beginnt hiermit nicht eine neue Aufbewahrungsfrist. Wird jedoch eine bereits in einem Vorjahr festgestellte Handelsbilanz geändert, müssen die Unterlagen, welche die Änderung betreffen, für eine hierfür erneut beginnende Frist aufbewahrt werden.

3. 3. Datenträger

Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Nr. I 10 der in Abschnitt 2.1 aufgeführten Tabelle können auch auf Datenträgern geführt werden. Während der Dauer der Aufbewahrungsfrist müssen die Daten jederzeit verfügbar sein und unverzüglich lesbar gemacht werden können (§ 146 Abs. 5, § 147 Abs. 2 AO).

Im Rahmen einer Außenprüfung haben die Finanzbehörden nach § 147 Abs. 6 AO das Recht,

  1. in die gespeicherten Daten Einsicht zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen,

  2. zu verlangen, dass
    die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder
    ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Recht der Finanzverwaltung bezieht sich nur auf nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtige Daten, die mittels Datenverarbeitungssystemen gespeichert sind.

Das Recht auf Datenzugriff erstreckt sich auf die gesamte Finanzbuchhaltung. Hierzu zählen auch die Konten, die das steuerliche Ergebnis nicht beeinflusst haben, z.B. die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG), nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 EStG) oder organschaftliche Steuerumlagen. Auch diese Konten haben den nach den GoB zu ermittelnden Gewinn reduziert und sich damit auf den Betrag ausgewirkt, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG Ausgangspunkt für den steuerlichen Gewinn ist. Aufgabe der Außenprüfung ist es, den zutreffenden Gewinn zu ermitteln (§ 199 Abs. 1 AO). Hierzu gehört es auch, ggf. den Gewinn zu mindern, wenn der Außenprüfer zu dem Ergebnis gelangt, dass statt der steuerlich nicht anzuerkennenden Drohverlustrückstellung eine steuerlich zu berücksichtigende Verbindlichkeit zu passivieren ist (BFH, 26.09.2007 – I B 53, 54/07).

4. 4. Rückstellung

Für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen gemäß § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist, ist im Jahresabschluss eine Rückstellung zu bilden. Es handelt sich hierbei um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, für die handelsrechtlich ein Passivierungsgebot besteht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Hieraus ergibt sich auch für die Steuerbilanz ein Passivierungsgebot (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Die Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB und § 147 AO ist eine eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Diese ist bereits in dem Jahr wirtschaftlich verursacht, in dem die betreffenden Unterlagen entstanden sind.

Die Aufbewahrungspflicht ist sanktionsbewehrt. Wer aufbewahrungspflichtige Unterlagen nicht aufbewahrt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert, kann gemäß §§ 283, 283b StGB bestraft werden (BFH, 19.08.2002 – VIII R 30/01, BStBl II 2003, 131).

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