Abwehrstrategien
Inhaltsübersicht
- 1.
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2.Abwehrstrategien gegenüber Folgern
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2.1Strategien im rechtlichen Bereich
- 2.1.1
- 2.1.2
- 2.1.3
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- 2.2
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2.3
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2.4
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- 3.
1. Überblick
Innovative Unternehmen können durch Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen bzw. Entwicklung von neuen Produkten zum Teil erhebliche Gewinne erwirtschaften. Die betriebliche Praxis zeigt jedoch, dass diese Pioniergewinne keineswegs sicher sind und häufig von frühzeitig eintretenden Folgern zunichte gemacht werden (Markteintrittsbarrieren). Dem erfolgreichen Pionier stehen allerdings einige Möglichkeiten zur Verfügung, mit der er seine Stellung in dem von ihm geschaffenen Markt langfristig verteidigen kann. Prinzipiell lassen sich drei Bereiche unterscheiden:
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Rechtlicher Bereich: Möglichkeiten zur Sicherung des innovativen Vorsprungs durch Anwendung des geltenden Rechts
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Bereich der Vermarktung: Möglichkeiten zur Sicherung des innovativen Vorsprungs durch Nutzung von Instrumenten der Kommunikations- und Entgeltpolitik
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Bereich der Unternehmenspolitik: Möglichkeiten zur Sicherung des innovativen Vorsprungs durch Beeinflussung der Unternehmensstruktur
Zur weiteren Darstellung von möglichen Abwehrstrategien ist zwischen den Begriffspaaren Innovator < > Imitator und Pionier < > Folger zu unterscheiden. Während das erste am Produktentwicklungs-Timing anknüpft, bezieht sich das zweite Paar auf den Zeitpunkt des Markteintritts. Prinzipiell lassen sich vier Fälle unterscheiden:
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Der innovative Pionier betritt nach der Entwicklung eines innovativen Produkts auch als erstes den durch die Innovation geschaffenen Markt.
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Der imitierende Pionier kopiert das Produkt vom Innovator und kommt diesem in der Markteinführung zuvor.
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Der innovative Folger schafft es nicht, den Markt als erster zu betreten, weil ihm ein anderer Innovator mit einer eigenen Produktentwicklung zuvorkommt.
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Der imitierende Folger kopiert das Produkt des Innovators und betritt nach diesem den neu geschaffenen Markt.
Im Folgenden werden zur Vereinfachung der erste und vierte Fall dargestellt, so dass mit einem Pionier stets ein innovativer Pionier und mit einem Folger stets ein imitierender Folger gemeint ist.
2. Abwehrstrategien gegenüber Folgern
2.1 Strategien im rechtlichen Bereich
2.1.1 Patente
Liegt der Innovation des Pioniers ein Produkt oder ein Verfahren zu Grunde, dessen Neuheit in einer technischen Lehre liegt, so kann sie unter Patentschutz gestellt und somit vor Imitation geschützt werden (Schutzrechte, Patente).
Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu und gewerblich verwertbar sind. Das Patent verleiht seinem Inhaber das Recht, Dritten die Nutzung der geschützten Erfindung zu verbieten und über eine Erfindung alleine zu verfügen. Er kann sie selbst anwenden oder Lizenzen vergeben.
Vor ihrer Anmeldung darf die Erfindung nicht veröffentlicht oder so benutzt worden sein, dass andere Kenntnis von ihr bekommen konnten. Dieser absolute Neuheitsbegriff hat unter anderem zur Folge, dass ein Anmelder seine eigene Erfindung nicht mehr erfolgreich zum Patent anmelden kann, wenn er sie vorher in irgendeiner Weise der Öffentlichkeit präsentiert hat.
Anders als bei Gebrauchsmustern (Gebrauchsmuster) wird durch hohe Anforderungen an die Patentwürdigkeit gewährleistet, dass in der Regel nur technisch wertvolle Erfindungen zum Patent führen und technische Kuriositäten nur vereinzelt zur Veröffentlichung gelangen.
Ein Pionier, der seine Innovation durch ein Patent absichert, verschafft sich gegenüber potenziellen Folgern einen absoluten Kostenvorteil, da sich für diese der Markteintritt auf jeden Fall verteuert, sei es durch eigene Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, sei es durch teuer erkaufte Lizenzen vom Pionier.
2.1.2 Marken
Eine Marke dient der Unterscheidung von Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens. Insofern stellen auch Marken eine Möglichkeit zur Sicherung von Pionierstellungen dar.
Als Marken können Worte, Buchstaben, Zahlen, Logos, Farbkombinationen etc. geschützt werden. Mit der Eintragung in das Markenregister wird es Dritten untersagt, die geschützte Marke für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen. In der Regel wird eine geschützte Marke mit dem hochgestellten „R“ als Registrierhinweis versehen.
Der Markenschutz lässt sich zum einen durch Eintrag in das vom Patentamt geführte Markenregister realisieren, zum anderen durch die Benutzung der Marke im Geschäftsverkehr, sobald die Marke als auf ein Unternehmen hinweisend bekannt geworden ist.
Kann der Pionier vor dem Markteintritt von Folgern bei den Kunden ein Markenbewusstsein aufbauen, verschafft er sich einen langfristigen Wettbewerbsvorteil. In diesem Fall ist der Folger gezwungen, selbst eine neue Marke zu entwickeln, ohne die des Pioniers kopieren zu können. Ein anderes Produkt wird ohne Markenidentität nur schwer die Kundenloyalität zum Pionierprodukt durchbrechen können. Ferner ist es nur durch Einsatz erheblicher Mittel möglich, eine bestehende, erfolgreiche Marke zu verdrängen.
2.1.3 Lizenzvergabe
Beim Handel mit Technologien haben Lizenzen bzw. Lizenzverträge eine Schlüsselfunktion, denn der Lizenzvertrag ist das Instrument, mit dem der Lizenzgeber seine Lizenz vergeben und der Lizenznehmer diese aufnehmen kann. Bedingung hierfür ist, dass der Lizenzgeber über entsprechende Rechte verfügt, die er durch den Lizenzvertrag an Dritte weitergeben kann. Dieses Recht ist in der Regel ein erteiltes Patent.
Für den Abschluss eines Lizenzvertrages gilt der Grundsatz weitgehender Vertragsfreiheit. In seiner Handhabung gleicht daher kaum ein Lizenzvertrag dem anderen. Lediglich vom Grundsatz her lassen sich zwei Lizenzarten unterscheiden:
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Bei der ausschließlichen Lizenz erhält der Lizenznehmer das alleinige Verwertungsrecht. Häufig ist selbst der Lizenzgeber nicht mehr berechtigt, seine Erfindung zu benutzen.
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Bei der einfachen Lizenz behält sich der Lizenzgeber das Recht vor, Lizenzen auch an andere Interessenten zu vergeben und/oder die lizenzierte Erfindung selbst zu nutzen.
Der Pionier kann auf zweierlei Wegen von einer Lizenzierung profitieren:
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Er verlangt vom Lizenznehmer Gebühren und kann mit diesen Einnahmen zumindest einen Teil seiner hohen Forschungs- und Entwicklungskosten wieder ausgleichen. Auf diese Weise streut er sein finanzielles Risiko, ohne die Kontrolle über seine Innovation zu verlieren.
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Er entscheidet sich für den Abschluss einer so genannten Cross-Lizenz. Statt der Lizenzgebühren verfügt der Pionier als Lizenzgeber dann auch über eine Lizenz an einem Schutzrecht des Lizenznehmers.
Im Hinblick auf die Verteidigung des innovativen Vorsprungs sollte der Pionier vor Abschluss eines Lizenzvertrages zwischen dem zusätzlichen Nutzen und der Gefahr daraus abwägen, dass Wissen an den Lizenznehmer übergeben wird und die Alleinstellung des eigenen Produkts durch die Lizenzvergabe gefährdet werden kann. Es ist durchaus möglich, dass die Technik des Pioniers nur benutzt wird, um auf dieser aufbauend eine eigene (verbesserte) Version zu entwickeln, um damit als stärkster Konkurrent aufzutreten.
2.2 Strategien im Vermarktungsbereich
Im Rahmen von Strategien im Vermarktungsbereich werden potenzielle Kunden und Absatzmittler bereits vor der Markteinführung des Neuprodukts gezielt informiert. Durch ein solches Prämarketing ist es möglich, schon vor der eigentlichen Markteinführung einen hohen Bekanntheitsgrad und ein starkes Produktinteresse bei entsprechenden Interessensgruppen aufzubauen. Der Pionier erreicht so eine Beschleunigung des Verkaufsprozesses, da durch die vorgezogene Informationsdiffusion einige Kunden schon zum Zeitpunkt der Markteinführung zum Kauf bereit sind. Im Hinblick auf frühzeitig in den Markt drängende Folger verschafft diese Strategie dem Pionier den entscheidenden Vorteil, dass relativ früh die Gewinnschwelle (Break-Even-Punkt) und ein hoher Marktanteil erreicht werden kann.
Um sich gegenüber potenziellen Folgern zu behaupten stehen dem Pionier im Rahmen des Prämarketing verschiedene Instrumente zur Verfügung, die isoliert oder auch kombiniert angewendet werden können:
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Außendienstmitarbeiter können individuell über zukünftige Produkte informieren. Verfügt der Pionier bereits über Außendienstmitarbeiter, entstehen kaum zusätzliche Kosten, da keine zusätzlichen Personalressourcen bereitgestellt werden müssen.
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Beim Teasern wird mit Werbekampagnen und Anzeigen in Printmedien die Produkteinführung vorbereitet. Das Hauptziel liegt dabei nicht in der präzisen Übermittlung von Informationen, sondern im gezielten Spannungsaufbau. Ein bekanntes Beispiel ist der Eintritt des Automobilherstellers Daewoo in den deutschen Markt, bei dessen Radiowerbung anfangs noch nicht einmal klar war, um welches Produkt es sich handelte.
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Auf Messen können dem Fachpublikum neue Produkte vorgestellt werden. Durch den Messebesuch geben sich potenzielle Kunden offen als Interessenten zu erkennen, so dass Streuverluste sehr gering sind. Für Pioniere haben solche Veranstaltungen darüber hinaus den Vorteil, dass der Kunde bzw. dessen Reaktion auf das Neuprodukt sehr genau beobachtet werden kann. Hierdurch können sich durchaus Hinweise für die Vermarktung nach der Markteinführung ergeben.
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Durch die Präsentation von Prototypen lässt sich der Kunde direkt in den Entwicklungsprozess mit einbeziehen, so dass das Endprodukt mit den Spezifikationen der Kunden so weit wie möglich übereinstimmen wird.
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Händlerwerbung ist insbesondere bei stark erklärungsbedürftigen Innovationen sinnvoll. Wird der Handel in das Prämarketing mit einbezogen, erhält der Kunde durch die Kombination von Werbematerial und der persönlichen Beratung des Händlers umfassende Vorabinformationen.
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Um Aufmerksamkeit zu erlangen, ist es für den Pionier sinnvoll, schon vor der Markteinführung des Neuprodukts die Medien gezielt mit Informationen zu versorgen. Geeignete Instrumente sind Pressekonferenzen und das Verschicken von Presseinformationen. Das gezielte Lancieren von Informationen an Publikumsmedien ist allerdings nur sinnvoll für Produkte mit einem sehr breiten Massenmarkt.
Trotz dieser Vorteile des Prämarketing sind die Risiken einer solchen Strategie nicht zu unterschätzen, denn genauso wie potenzielle Kunden können sich auch potenzielle Folger frühzeitig über die Innovation informieren und ohne großen Zeitnachteil mit Imitationen auf den Markt drängen.
2.3 Strategien in der Entgeltpolitik
2.3.1 Penetration Pricing
Je höher der Marktanteil eines Pioniers zum Zeitpunkt des Markteintritts von Folgern ist, desto leichter fällt es diesem auch, diese Position zu verteidigen. Im Rahmen des Penetration Pricing geht man von einem preisempfindlichen Markt aus und setzt die Preise deshalb so niedrig wie möglich, um zu einer schnellen und starken Erhöhung des Absatzvolumens zu gelangen. Mit zunehmender Produktionserfahrung (Erfahrungskurve) können langfristig niedrigere Stückkosten (economies of scale) realisiert werden, die weitere Preissenkungen ermöglichen. Eine solche Strategie ist insbesondere sinnvoll
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bei hoher Preissensibilität des Marktes, so dass niedrige Preise zu weiterem Marktwachstum führen,
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wenn die Produktions- und Distributionskosten durch zunehmende Fertigungserfahrung sinken und/oder
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wenn sich tatsächliche und potenzielle Konkurrenten durch einen niedrigen Preis abschrecken lassen.
2.3.2 Skimming Pricing
Beim so genannten Skimming Pricing setzt man darauf, die zeitweilige Monopolstellung voll auszunutzen und mit anfänglich hohen, dann fallenden Preisen jedes Zielmarktsegment maximal abzuschöpfen. Im Gegensatz zur Strategie des Penetration Pricing setzt der Pionier die Preise so hoch an, dass einigen Kunden der Kauf des Neuprodukts gerade noch lohnenswert erscheint. Erst wenn der Absatz zurückgeht, senkt der Pionier den Preis, um die nächste Schicht preisbewusster Kunden zu gewinnen.
Der Nachteil dieser Strategie besteht in der relativ langsamen Erhöhung des Absatzwachstums. Droht die Gefahr eines frühzeitigen Einstiegs von Folgern, so kann sich diese Strategie als nachteilig erweisen. Sinnvoll ist diese Art der Preispolitik vor allem, wenn genügend Käufer ein ausgeprägtes Bedürfnis nach dem Produkt haben und bereit sind, einen hohen Preis zu zahlen und sich auch bei kleinen Mengen und hohen Stückkosten Gewinnspannen erwirtschaften lassen.
2.4 Strategien der Unternehmenspolitik
2.4.1 Franchising
Beim Franchising handelt es sich um ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger Unternehmen auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem für ein systemkonformes Verhalten. Der Franchisegeber verfügt über die Rechtsgüter, deren Nutzung er dem Franchisenehmer während der Vertragsdauer gestattet. Dieser unterwirft sich dabei weit gehenden Weisungs- und Kontrollbefugnissen des Franchisegebers.
Entscheidet sich der Pionier zum Aufbau eines solchen Franchisesystems, so profitiert er von einer starken Marktstellung und der Möglichkeit, seinen Vorsprung zu wahren und auszubauen. Der Aufbau von attraktiven Franchisesystemen erschwert Wettbewerbern ein Eindringen in den jeweiligen Markt und sichert somit die einmal erreichte Pionierstellung. Paradebeispiel für ein erfolgreiches Franchisesystem ist McDonalds.
2.4.2 Strategische Allianzen
Strategische Allianzen dienen dem Pionier unter anderem zum Ausbau seiner Pionierstellung.
Hinweis:
Eine strategische Allianz ist eine Koalition von zwei oder mehr selbstständigen Unternehmen, die mit dem Ziel eingegangen wird, die individuellen Stärken in einzelnen Geschäftsfeldern zu vereinen. Sie beschränken sich meist auf Teilbereiche wie die Forschung und Entwicklung, die Beschaffung, die Produktion oder den Vertrieb.
Die Vorteile einer strategischen Allianz sind vielfältig. Sie kann dem Pionier den Zugang zu neuen Technologien eröffnen, den Eintritt in anderweitig verschlossene Märkte ermöglichen oder auch den Kapitalbedarf einer Expansion auf mehrere Partner verteilen helfen. Dennoch sollte sich der Pionier vor dem Abschluss strategischer Allianzen der einem solchen Vertrag inhärenten Risiken bewusst sein. Häufige Problembereiche sind Differenzen in der Innovationsbereitschaft, in der Unternehmenskultur und in den Informationssystemen der Partner sowie unterschiedliche Rentabilitätsziele.
2.4.3 Strategie des Unternehmensverkaufs
Kann sich der Pionier nicht gegenüber Folgern behaupten, bleibt ihm nur die Möglichkeit, seine Firma an eine dominierende, meist größere Firma zu verkaufen. Ist es dem Pionier gelungen, sich eine starke Position auf einem kleinen, aber dynamischen und zukunftsträchtigen Markt aufzubauen, wird er häufig einen stattlichen Verkaufspreis erzielen können.
Von einer solchen Transaktion können beide Partner profitieren. Der Pionier erhält eine hohe Entschädigung für den hohen Aufwand und das hohe Risiko der Neuproduktentwicklung, die übernehmende Firma kann durch die Übernahme neue Positionen in anderen, bisher noch nicht bearbeiteten Segmenten oder in neuen geographischen Bereichen erreichen.
3. Zusammenfassung
Ein Pionier hat prinzipiell zahlreiche Möglichkeiten, seine einmal erreichte Pionierstellung gegenüber Folgern abzusichern. Allerdings gibt es keine Strategie, die zu einer garantierten Verhinderung des Markteintritts von Folgern führt. Vielmehr ist es nur möglich, den Eintritt potenzieller Folger zu erschweren oder zu verteuern.